Greenpeace-Report zu Plastik in Kosmetik: „Vom Waschbecken ins Meer“
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Was ihre Produkte anrichten, will die Kosmetikindustrie lieber nicht so genau wissen: Ein Greenpeace-Report zeigt, welche schädlichen und unerforschten Kunststoffe sie verwendet.
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß: So ließe sich der sorglose Umgang der Kosmetikindustrie mit Kunststoffen umschreiben. In etlichen Pflegeprodukten wie Gesichtscreme oder Shampoo steckt Plastik, dessen Umweltverträglichkeit oftmals nicht näher getestet wurde. Gesetzlich verpflichtet sind die Hersteller dazu nicht. Ihre Haltung: Wird schon schiefgehen.
Und es geht schief. Der Greenpeace-Report „Vom Waschbecken ins Meer“ fasst erstmals die Schädlichkeit gängiger Mikrokunststoffe in Pflegeprodukten zusammen. Die negativen Eigenschaften einiger Zusätze sind bekannt, andere sind nicht ausreichend erforscht. So gut wie gar keine Gedanken machen sich die Hersteller um Wechselwirkungen zwischen Inhaltsstoffen. Dass es dazu kommt, lässt sich nie ausschließen: Letztlich landen sie über den Abfluss zusammen in den Ozeanen, mit ungewissen Folgen.
Billig kommt teuer zu stehen
Problematisch ist vor allem die Vielzahl der benutzten synthetischen Polymere – Kunststoffbausteine, die auch in nicht-fester Form in den Produkten stecken. Als Ersatz für teure pflanzliche Öle verwendet die Industrie Silikone: Cyclotetrasiloxane und Cyclopentasiloxane zum Beispiel sind sehr langlebig und reichern sich in der Natur an. Beim Menschen können sie den Hormonhaushalt stören.
Als Alternative werden auch Polyquaternium-Verbindungen verwendet, die nicht besser sind: Sofern überhaupt Untersuchungen vorliegen, wird Polyquaternium mehrfach als giftig für Wasserorganismen beschrieben und steht unter Verdacht, Gewässer langfristig zu schädigen. „Die Kosmetikhersteller drücken sich vor ihrer Verantwortung“, sagt Sandra Schöttner, Greenpeace-Expertin für Meere. „Wenn nicht sicher ist, dass diese Inhaltsstoffe umweltverträglich sind, haben sie weder auf unserer Haut noch im Meer etwas verloren.“
Fauler Kompromiss Kosmetikdialog
Die Industrie will von all dem nichts wissen: Nivea-Hersteller Beiersdorf schützt Unkenntnis jeglicher Umweltgefahren vor und vertraut darauf, dass die Kläranlagen schon alle Schadstoffe abfangen. Doch Mikrokunststoffe sind, ähnlich wie Medikamentenrückstände, häufig zu klein, um von den Aufbereitungsanlagen herausgefiltert zu werden. In einigen Ländern außerhalb Europas, wo die Produkte von Nivea und Co ebenfalls verkauft werden, gibt es nicht einmal moderne Kläranlagen. Das Plastik landet im Meer – mit möglichen schwerwiegenden Folgen für Mensch und Tier.
Die Politik sieht dabei bloß zu. Im sogenannten Kosmetikdialog sind Bundesumweltministerium und Industrie in freundlichem Einvernehmen verblieben: Die Kosmetikhersteller haben festes Plastik (etwa aus Zahncremes und Peelings) aus ihren Produkten entfernt, die Regierung freut sich über die vermeintlich konstruktive Zusammenarbeit. Doch die Selbstverpflichtung der Hersteller greift viel zu kurz – das zeigt der aktuelle Greenpeace-Report. Die Industrie benutzt deutlich mehr schädliche Kunststoffe in ihren Cremes und Lotionen als nur das überschaubare Kontingent Plastik, auf das sie mittlerweile freiwillig verzichtet.
Dass sich die Industrie selbst als „Mikroplastik-frei“ bezeichnet, hält Schöttner für Verbrauchertäuschung: „Verbraucher haben ohne Vorwissen keine Chance, umweltschädliches Plastik in Kosmetik zu vermeiden.“ Wer wirklich sicher sein will, dass die gekaufte Kosmetik frei davon ist, muss zu zertifizierter Naturkosmetik greifen.