Umweltschützer lehnen Meeresschutzverordnung des Umweltministeriums ab
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Meeresschutz in Nord- und Ostsee gibt es nur auf dem Papier, sagen deutsche Umweltverbände. Die jüngsten Vorschläge des Bundesumweltministeriums ändern daran nichts.
Naturschutz ist in Deutschland normalerweise Ländersache, doch jenseits der 12 Seemeilenzone in Nord- und Ostsee sieht die Sache anders aus. Weil es sich um die AWZ – kurz für Ausschließliche Wirtschaftszone – handelt, ist dort der Bund für die Meeresschutzgebiete zuständig. Auf dieser Ebene verteidigen die beteiligten Ministerien seit Jahren ihre eigenen Interessen – und lassen den Umweltschutz unter den Tisch fallen. Die neuesten Entwürfe aus dem Bundesumweltministerium spiegeln den Streit und die Unentschlossenheit wider. Keiner der Vorschläge trägt zu einem ernstgemeinten Fortschritt bei. „Die deutschen Meeresschutzgebiete gibt es nur auf dem Papier“, kommentiert Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack die jüngsten Nachrichten. Im öffentlichen Anhörungsverfahren zu den Vorschlägen haben die deutschen Umweltschutzverbände Stellung genommen (s. Anhang).
Und Besserung ist nicht in Sicht: Würden die Verordnungen umgesetzt, werden die Kompetenzen des Bundesumweltministeriums sogar weiter eingeschränkt. Verkehrs-, Landwirtschafts- und Forschungsministerium und damit deren angeschlossene Nutzergruppen sollen danach künftig bei allen Entscheidungen ein Vetorecht besitzen. Damit ist im Grunde keine wirksame Maßnahme durchzusetzen denn: Irgendjemand hat immer was zu meckern.
Jedes Ressort fordert Ausnahmen
Die jüngsten Entwicklungen zu den Natura-2000-Gebieten in der deutschen AWZ sind nicht nur unbefriedigend, das ewige Hinhalten widerspricht auch den deutschen Verpflichtungen gegenüber der EU und dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung. „Bis heute wird in den Schutzgebieten, den wertvollsten Ökosystemen vor unseren Küsten, flächendeckend gefischt; dort findet Rohstoffabbau statt, fahren tausende Schiffe und finden militärische Manöver statt“, so Maack weiter. „Nahezu jede Nutzergruppe fordert Ausnahmen, und kaum etwas soll künftig verboten sein.“
Mit den heute vorgestellten Verordnungen sollen die Arten und Lebensraumtypen der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH) geschützt werden. Sie sind Teil des Natura-2000-Schutzgebietsnetzwerks, das in der AWZ endlich den rechtlichen Status von Naturschutzgebieten erhalten soll. Doch an der Umsetzung hapert es, der Zeitplan ist völlig aus dem Ruder gelaufen: Bis 2013 hätten sämtliche vorgeschlagenen Gebiete den Naturschutzgebietsstatus erhalten sollen. Das ist in der Nord- und Ostsee bis heute nicht passiert. Die EU-Kommission hat deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Um diesem Damoklesschwert zu entkommen ist das Umweltministerium offensichtlich zu allen Zugeständnissen bereit.
Fast ein Drittel der Arten ist gefährdet
Die Leidtragenden sind neben Meeressäugern und Seevögeln auch verschiedene Fisch- und wirbellose Tierarten. Laut nationaler Roter Liste sind fast ein Drittel der untersuchten Arten in Nord- und Ostsee gefährdet. Grund dafür sind die Fischerei, der Kies- und Sandabbau sowie ins Meer geleitete Schadstoffe – das räumt die Bundesregierung selbst ein. Doch wirtschaftliche Interessen verhindern einen wirksamen Meeresschutz.
Es erscheint fast als Aktionismus, dass das Bundesumweltministerium das Freizeitangeln in den Nord- und Ostsee-Schutzgebieten künftig verbieten will – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch schon regt sich Widerstand: Robert Habeck, grüner Umweltminister Schleswig-Holsteins, lehnt ein solches Verbot ab, da die Angelausflugsboote wirtschaftliche Einbußen zu befürchten hätten. Dabei geht die wahre Bedrohung für die FFH-Lebensräume mit ihren unzähligen Tierarten in Nord- und Ostsee von der industriellen Fischerei aus, die mit Schleppnetzen den Meeresboden zerstört und massenhaft Plastikmüll produziert. Doch mit diesen Schwergewichten legt sich die Bundesregierung erst in einem anderen Prozess an, der in den kommenden Monaten die Gemüter weiter erhitzen wird.
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