Greenpeace und andere Umweltverbände reichen Klage ein
- mitwirkende Expert:innen Thilo Maack
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In acht Jahren hat es die Bundesregierung nicht geschafft, Maßnahmen zum Schutz der Nord- und Ostsee durchzusetzen. Deshalb reichten Umweltverbände nun Klage ein.
„Die Bundesregierung verschleppt den Schutz von Nord- und Ostsee seit Jahren und gefährdet damit bedrohte Meeresbewohner und ihre Lebensräume“, kritisierten die Verbände in ihrer Klage, die sie beim Verwaltungsgericht Köln einreichten. Sie fordern den Schutz von Schweinswalen, Seevögeln, wertvollen Sandbänken und Steinriffen. Dazu müssen zerstörerische Grundschleppnetze und die Stellnetzfischerei aus den Schutzgebieten verbannt werden.
Die Politik verschleppt das Problem
Die Umweltzerstörung durch die Fischerei sind den politisch Verantwortlichen bekannt: dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), das in Deutschland für die Fischerei verantwortlich ist, und dem Bundesumweltministerium (BMUB), dem das Management der zehn Offshore-Schutzgebiete obliegt. Die beiden Ministerien können sich nicht einigen, und so verwaist der Schutz der Meere seit Jahren im toten Winkel der Zuständigkeiten.
„Die skandalöse Blockadehaltung des Landwirtschaftsministeriums gefährdet unsere Meere und verstößt gegen EU-Recht“, kritisiert Thilo Maack, Greenpeace-Experte für Meere. „Die Natur braucht Gebiete, in denen sie sich selbst überlassen bleibt. Tatsächlich darf aber jeder Quadratmeter im Schutzgebiet befischt werden, obwohl die Fischerei die größte Zerstörung anrichtet.“
Viele Schutzauflagen – wenig Umsetzung
Insgesamt 47 Prozent der deutschen Meeresflächen von Nord- und Ostsee stehen unter Schutz. In der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), dem Seegebiet zwischen 12 und 200 Seemeilen vor der Küste, sind es über 30 Prozent, in den küstennahen Gewässern 70. Damit ist Deutschland in der Schutzgebietsausweisung europaweit führend – allerdings nur auf dem Papier.
Denn die sechsjährige Einführungsfrist für die Schutzmaßnahmen in den Gebieten lief 2013 ab. Bis dahin sollte eigentlich ein angemessener Schutz gewährleistet sein. So verstößt Deutschland gegen die Auflagen der europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie). Die FFH-Gebiete (siehe Karte unten) bilden gemeinsam mit denen der Vogelschutzrichtlinie das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000.
Vielen Meeresbewohnern hilft das wenig. So sind zum Beispiel die heimischen Schweinswale durch die Fischerei bedroht. „Es ist absurd, wenn Schweinswale in den für sie eingerichteten Schutzgebieten in Stellnetzen ersticken und der Meeresboden von schwerem Fischereigerät durchpflügt wird“, so Maack. „Zerstörerische Fischerei hat in Meeresschutzgebieten nichts zu suchen.“
Dass das geht, zeigen unsere europäischen Nachbarn: Irland, Spanien, Großbritannien und die Niederlande haben längst Schutzauflagen für die Fischerei in den marinen Natura-2000-Gebieten durchgesetzt.
Arten vom Aussterben bedroht
Neben der zerstörerischen Fischerei bedrohen allerdings auch Sand- und Kiesabbau, Offshore-Windkraftanlagen und die Suche nach Öl- und Gasvorkommen die Welt der Meeresbewohner. Die Tiere haben zusätzlich mit Unterwasserlärm und zu vielen Schad- und Nährstoffen zu kämpfen; sogar militärische Übungen werden in den eigentlich zum Schutz ausgerufenen sensiblen Zonen durchgeführt.
So verschlechtert sich der Zustand der zu schützenden Arten wie Schweinswale und Seevögel aber auch der empfindlicher Lebensräume wie Steinriffe und Sandbänke – das beweist der aktuelle FFH Bericht der Bundesregierung an die EU-Kommission. Wissenschaftliche Beobachtungen zeigen, dass der Schweinswalbestand in der zentralen Ostsee seit Jahren auf dem Tiefstand ist. Nach Schätzungen leben dort höchstens noch 450 Tiere. Laut der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature (IUCN) ist der Kleinste aus der Familie der Zahnwale dort vom Aussterben bedroht.
Kein Wunder, wenn wertvolle Unterwasserlebensräume wie Riffe und Sandbänke bis zu viermal jährlich von Bodenschleppnetzen durchpflügt werden. Hunderte Schweinswale stranden an deutschen Küsten, viele sind zuvor in Stellnetzen verendet. Die Zahl der getöteten Tiere übersteigt bei weitem die Möglichkeit der Population, langfristig stabil zu bleiben. Sollte die Klage erfolgreich sein, bekommen die Nord- und Ostsee endlich den Schutz, den sie verdienen.
Hintergrund zur Verbändeklage - Schutz den Meeresschutzgebieten in Nord- und Ostsee!
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