Mega-Gasprojekt an der Westküste Australiens – ein Doppelinterview
- mitwirkende Expert:innen Franziska Saalmann
- Im Gespräch
Walforscher Dr. Olaf Meynecke lebt schon seit vielen Jahren in Brisbane. Im Mai 2023 begleitete er Greenpeace-Meeresbiologin Franziska Saalmann auf einer Tour mit dem Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior vor der Küste Australiens. Der Grund: Die deutschen Unternehmen Uniper und RWE unterstützen hier das Mega-Gasbohrprojekt des Energieriesen Woodside. Warum die Meeresumwelt die sie auf der Schiffstour dokumentieren besonders schützenswert ist, erzählen Franziska Saalmann und Dr. Olaf Meinecke im Doppelinterview.
Die Rainbow Warrior ist an der westaustralischen Küste unterwegs: vom Perth Canyon, über die Houtman Abrolhos Inseln hin zu Shark Bay und dem Ningaloo Reef. Warum ist es so wichtig, dass Greenpeace hier vor Ort ist?
Franziska Saalmann: Durch unsere Dokumentationen vor Ort zeigen wir der Welt die Meeresumwelt und die Artenvielfalt, die auf dem Spiel steht, wenn der Energiekonzern Woodside mit seinen zerstörerischen Plänen voranschreitet. Wir machen den Skandal sichtbar: Mit der Rainbow Warrior folgen wir den Migrationsrouten der Wale, die an der Küste entlang führen. Wir haben auch schon bedrohte Walarten gesehen. Woodsides Mega-Gasprojekt gefährdet diese sensiblen Tiere noch weiter – unter anderem durch Lärm und Verschmutzungen. Außerdem zeigen wir die Korallenriffe, die durch Woodsides Befeuerung der Klimakrise immer stärker bedroht werden. Die Meeresgebiete hier sind voller Leben, das wir erhalten müssen. Jetzt haben wir jetzt noch die Chance dazu!
Was genau plant das Unternehmen Woodside an Australiens Küste?
Franziska Saalmann: Woodside will vor der Westküste nach Tiefseegas bohren – es ist das klimaschädlichste Projekt, das derzeit in Australien in Planung ist. Es gefährdet zudem insgesamt zwölf Meeresschutzgebiete und ihre immense Artenvielfalt! Um nach dem fossilen Gas zu suchen, will Woodside Unterwasserschallkanonen einsetzen. Diese erzeugen die mitunter lautesten Geräusche im Ozean. Das ist extrem gefährlich für Wale und weitere Meerestiere, da der Lärm das Verhalten der Lebewesen verändert. Lautstärke in den Meeren kann beispielsweise ihr Paarungsverhalten und ihren Orientierungssinn stark beeinflussen. Außerdem will Woodside Pipelines verlegen, die insgesamt über 1300 Kilometer lang sein sollen. Auch diese verlaufen mitten durch Schutzgebiete. Das sind nur wenige Beispiele, die das Zerstörungspotential des Projekts zeigen.
Außerdem haben wir auf dieser Tour einen gesunkenen Ölturm gesucht und ausfindig gemacht, den das Unternehmen Woodside einfach im Meer versteckt hat. Auch das zeigt, dass dieser Firma beim Ozeanschutz nicht zu vertrauen ist.
Sind auch Wale durch das Projekt bedroht?
Dr. Olaf Meynecke: Alle Lebewesen sind durch den Klimawandel beeinträchtig. Selbstverständlich auch Wale. Aber es gibt auch direkte Auswirkungen durch Gasbohrungen und den Ausbau der Gasfelder. Schiffe legen viele Transportwege zurück, das bedeutet Lärm. Der entsteht auch bei der Erkundung der Gasfelder durch seismische Tests. Hinzu kommt das Risiko eines Unfalls. Auch Gasförderplattformen enthalten große Mengen giftiger Substanzen, die dann freigesetzt würden.
Und was hat Deutschland jetzt damit zu tun?
Franziska Saalmann: Deutschland und deutsche fossile Konzerne machen dieses Projekt erst möglich! Denn RWE und der inzwischen verstaatlichte Konzern Uniper wollen das Gas kaufen und sind die Hauptabnehmer des Projekts. Wir fordern, dass Uniper und RWE aus dem Projekt aussteigen, damit es seine Wirtschaftlichkeit verliert – und damit gestoppt wird. Gleichzeitig engagieren sich unsere australischen Greenpeace-Kolleg:innen aktiv gegen Woodside und machen deutlich, wie gleichgültig Woodside mit dieser einzigartigen Meeresumwelt umgeht.
Wenn deutsche Unternehmen das Projekt unterstützen, fließt das Gas dann auch nach Deutschland?
Franziska Saalmann: Offiziell soll das Gas vor allem nach Asien fließen. Uniper hat aber auch einen Vertrag mit Woodside, der Gas nach Europa liefern soll. Wir sagen ganz klar: Gas ist eine fossile, dreckige Ressource und genießt ein falsches, sauberes Image. Neue Investitionen in Gas-Infrastrukturen verzögern die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien. Mir ist klar, dass wir nicht von heute auf morgen vom Gas loskommen – aber es ist Wahnsinn, in Zeiten der eskalierenden Klima- und Biodiversitätskrise noch neue Gasprojekte umzusetzen zu wollen, die wir über Jahrzehnte nicht wieder loswerden.
Uniper ist nun ein verstaatlichtes Unternehmen. Das bedeutet, dass unsere Steuergelder das Vorhaben von Woodside unterstützen. Was fordert Greenpeace konkret?
Franziska Saalmann: Die deutsche Bundesregierung hat durch die Verstaatlichung sowohl die Möglichkeit, als auch die Pflicht, den fossilen Konzern Uniper nachhaltig zu transformieren – das zeigt unser Rechtsgutachten. Das bedeutet auch, dass die Bundesregierung dafür sorgen muss, dass Uniper kein Gas aus Woodsides zerstörerischem Projekt kauft. Dafür wirken wir sowohl auf Uniper als auch auf die deutsche Regierung ein. Auch RWE beabsichtigt Gas von Woodside kaufen. Zuletzt zog sich RWE aus dem umstrittenen LNG-Projekt vor Rügen zurück – jetzt muss der Rückzug auch aus diesem Projekt folgen!
Was können wir alle tun, um die Meere und ihre Artenvielfalt zu unterstützen?
Dr. Olaf Meynecke: Wichtig ist es, sich und andere zu informieren: Wer profitiert vom Raubbau der Meere? Die Meere sind der Klimamotor unseres Weltklimas. Statt die Meere und ihre Lebewesen als unendliche Ressource zu sehen, müssen wir die Meere als Gesellschaft besser schützen. Dabei kann jede:r mitmachen. Wir sollten mehr über die wunderbaren Lebewesen in den Meeren. Alle können sich aktiv oder passsiv für die Meeresschutzgebiete einsetzen.
Franziska Saalmann: Auch wenn wir Veränderungen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene brauchen, können wir auch selbst für den Meeresschutz aktiv werden: Indem wir etwa unser Konsumverhalten überdenken und weniger Meerestiere essen, denn die Meere sind gnadenlos überfischt. Jede:r einzelne von uns kann außerdem den eigenen Plastikverbrauch reduzieren – oder die Greenpeace-Kampagne unterstützen. Zusammen können wir viel bewegen. Konkret für diesen Fall können Interessierte unsere Petition unterschreiben oder die eigenen Stromverträge mit RWE oder Uniper kündigen und auf Ökostrom wechseln.
Rechtsgutachten Uniper - Verstaatlichung bedeutet Verantwortung
Anzahl Seiten: 30
Dateigröße: 503.65 KB
HerunterladenWelche Tiere und Arten leben überhaupt vor Australiens Küste und was macht die Umwelt hier so besonders?
Franziska Saalmann: Wir finden hier die artenreichsten Gebiete Australiens, die Liste ist also lang! Wale, Haie, Rochen Schildkröten, Korallen, Dugongs, Seeschlangen, größte Pflanze der Welt/Seegrasart. Viele von ihnen sind bereits gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht.
Dr. Olaf Meynecke: Die Westküste Australiens ist noch relativ unberührt. Große Gebiete entlang der Küste sind kaum Verschmutzung ausgesetzt. Es gibt eine Vielzahl seltener Meeresbewohner wie zum Beispiel Blauwale, Walhaie aber auch kleine Bewohner, wie das sehr seltene rubine Seepferd.
Was hat dich dazu bewogen, Greenpeace Australia Pacific hier vor der Westküste auf ihrer Tour zu begleiten?
Dr. Olaf Meynecke: Ich bin Walforscher und es ist für mich eine einmalige Gelegenheit, den Buckelwal-Highway entlangzusegeln. Vor allem Buckelwale beginnen in dieser Zeit mit der Migration von der Antarktis zu ihren Brutgebieten im Norden Australiens. Dabei schwimmen sie die Westküste Australiens entlang. Dadurch kann ich Walbeobachtungen durchführen und eine Reihe anderer Daten sammeln.
Warum ist es wichtig, diese Arbeit zu machen?
Dr. Olaf Meynecke: Wir wissen immer noch zu wenig über viele Walarten, um sie effektiv schützen zu können. Viele Veränderungen im Meer, wie Lärm oder Nahrungsmangel, erfordern, dass Wale sich ihrer Umgebung anpassen müssen, um zu überleben. Aber auch wir Menschen müssen uns und unseren Artenschutz anpassen. Dazu brauchen wir ausreichend Wissen über das Verhalten der Wale
Was bedeuten neue Gasförder-Projekte vor Australien für die Artenvielfalt?
Dr. Olaf Meynecke: Grundsätzlich ist jede Investition in fossile Brennstoffe nachweislich der falsche Weg. Sie bedeuten mehr klimaschädliche Gase – auch in Zukunft. Damit sind eine Reihe von Auswirkungen verbunden, die das Überleben der Wale beeinflussen. Beispielsweise ändern sich durch die Erwärmung der Ozeane bereits jetzt die Meeresströmungen und das Eis in den Nahrungsgebieten schmilzt. Das hat zur Folge, dass Wale Nahrung wie Krill und Fisch nun nicht mehr dort finden, wo sie üblicherweise danach suchen.
Wenn du nur einen Fun Fact über Wale teilen könntest, welche wäre das?
Dr. Olaf Meynecke: Wale sind Lebewesen der Superlative: Die Hauptschlagader eines ausgewachsenen Blauwals ist etwa 20-30cm breit.