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Grundschleppnetz-Trawler

Grundschleppnetz-Fischerei zerstört viel - bringt wenig ein

Wenige Fischende zerstören viel

Geschätzte 250 bis 300 Fulltime-Fangschiffe betreiben Grundschleppnetz-Fischerei außerhalb der 200 Seemeilenzone vor der Küste - das heißt außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone der Länder. Sie fahren unter den Flaggen einer kleinen Anzahl von OECD-Staaten und repräsentieren nur einen Bruchteil der weltweiten Fischereiflotte. Mag der Gewinn eines einzelnen Schiffes groß sein, so ist der wirtschaftliche Gesamtwert der Grundschleppnetz-Trawler auf Hoher See äußerst gering.

Einzelne Firmen profitieren so von der unverhältnismäßigen Ausbeutung und Zerstörung eines ökologischen Schatzes: der Tiefsee. Das Ökosystem Tiefsee reagiert extrem empfindlich auf die Beeinträchtigung. Seine marinen Lebewesen werden erst spät geschlechtsreif und benötigen daher sehr lange für die Vermehrung und einen Wiederaufbau des Bestandes. Die wirtschaftlichen Verluste für die weltweite Fischereiindustrie, die durch ein UN-Moratorium zur Grundschleppnetz-Fischerei entstehen würden, können als unerheblich betrachtet werden im Vergleich zum Schutz der Artenvielfalt in der Tiefsee.

Wer zerstört was?

Es ist schwierig, europäische Schiffe und Firmen, die für die Zerstörung der Tiefsee verantwortlich sind, zu identifizieren. Öffentlich zugängliche Informationen gibt es kaum. Dennoch ist es Greenpeace gelungen, anhand direkter Beobachtungen ein Dossier über diejenigen Schiffe anzulegen, die 2004/2005 an der Grundschleppnetz-Fischerei im Nordatlantik beteiligt waren.

Einige dieser Schiffe haben eine Vorladung der Regionalen Fischereiorganisationen im Nordost- (NEAFC) und Nordatlantik (NAFO) erhalten, da sie Schutzmaßnahmen und Regulierungen für die entsprechenden Gebiete missachtet haben. Eine umfassende Überprüfung der Schiffsregister ergab darüber hinaus, dass 398 europäische Schiffe für die Grundschleppnetz-Fischerei ausgerüstet sind. Diese Schiffe fahren zu rund 80 Prozent unter spanischer, dänischer oder französischer Flagge.

Der Greenpeace-Report

Der Greenpeace-Report fasst die uns zugänglichen Daten zusammen. Management- und Eigentümerverhältnisse von 18 europäischen Schiffen werden detailliert beschrieben. Dennoch ermöglichen es auch diese Daten nicht, endgültig nachzuweisen, welche Firmen und/oder Länder hauptverantwortlich für die immense Zerstörung der Tiefsee im Nordatlantik sind.

Der Grund: Das Wechseln von Flagge, Namen und/oder Eigentümer: in ist eine beliebte Methode der Verschleierung, daher ist ein genaues Bild der Verbindungen von Eigentümer: innen und Nationalitäten nur schwer auf zu zeichnen. Dieser Mangel an Transparenz kennzeichnet auch eine andere Art der Hochseefischerei: Er ist typisch für die illegale, unregulierte und undokumentierte Fischerei, auch bekannt als IUU-Fischerei oder kurz Piratenfischerei.

Piratenfischerei

Piratenfischerei und damit die unkontrollierte Zerstörung der Artenvielfalt findet im Nordatlantik nahezu systematisch statt. Sie ist das Ergebnis einer ungenügenden Umsetzung bestehender Vorschriften mit geringem Haftungsrisiko und einem Mangel an politischem Engagement zum Schutz der Tiefsee und ihrer Ressourcen.

Bis heute belegten die zuständigen Behörden nur eine kleine Anzahl von Hochsee-Schleppnetztrawlern, die an illegalen Fangeinsätzen beteiligt waren, mit einem Bußgeld. In kaum einem Fall haben sich die auferlegten Geldstrafen jedoch als wirksames Mittel erwiesen: Die Eigentümer: innen und Betreiber: innen der Schiffe beteiligten sich weiterhin an der Grundschleppnetz-Fischerei auf der Hohen See - meist sogar in demselben Gebiet.

Was ist zu tun?

Kurzfristig: Die Europäische Union mit ihren Migliedsstaaten und der EU-Kommission muss endlich handeln, um das Leben der Tiefsee langfristig zu schützen. Das gilt auch für Nichtmitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft wie Norwegen und Island sowie für die regionalen Fischereiorganisationen (NEAFC und NAFO).

Die verantwortungsvollste und wirksamste Maßnahme ist dabei die Unterstützung einer UN-Resolution für ein sofortiges Moratorium der Grundschleppnetz-Fischerei auf der Hohen See. Die Europäische Kommission muss den Weg für die Vereinbarung einer EU-Position zugunsten eines solchen Moratoriums vereinfachen.

Mittel- bis langfristig: Transparenz und verantwortungsvolles Management müssen optimiert werden. Dieses Ziel muss umgesetzt werden mit Hilfe

  • eines zentralen Schiffsüberwachungssystems (Vessel Monitoring System, VMS),
  • einer zentralen Kontrollbehörde,
  • verbessserter Hafen- und Flaggenstaatkontrollen,
  • eines Verbots des Umladens auf See und
  • der Schließung von Häfen für Fangschiffe, die sich nicht an die Vorschriften halten.

Die Regierungen müssen sich zudem verpflichten illegale, undokumentierte und unregulierte (IUU) Fischerei konsequenter anzugehen, zum Beispiel durch verstärkte Kontrollen auf See und einer Sperre für Billigflaggen.

Die Vorteile

Das Moratorium ermöglicht den kurzfristigen Schutz der Tiefsee, eine gründliche, wissenschaftliche Untersuchung der Tiefseebiodiversität und genügend Zeit für Entscheidungsträger: innen, die notwendigen Rechtsysteme und Managementstrukturen für eine nachhaltige und legale Fischerei auf der Hohen See zu entwickeln.

Ein Moratorium hätte zudem keinen bedeutenden Einfluss auf die europäische Wirtschaft, die Weltwirtschaft oder gar die Nahrungssicherheit, da es sich bei der Grundschleppnetz-Fischerei nur um einen sehr kleinen Sektor der Fischereiindustrie insgesamt handelt.

Das Gegenargument

Einige Vertreter der Fischereiindustrie und Regierungsbeamte vertreten den Standpunkt, dass ein UN-Moratorium für die Grundschleppnetz-Fischerei legale Fischer bestrafen und die Meere dennoch offen halten würde für diejenigen, die sich über die Vorschriften hinwegsetzen. Dieses Argument darf jedoch nicht gelten. Ein Gesetz nicht zu erlassen, weil es gebrochen werden könnte, bedeutet nichts anderes als die Anarchie statt des Rechtstaats zu wählen.

Ein Moratorium würde den dringenden Bedarf an weiteren umfassenden Maßnahmen zur Beendigung der IUU-Fischerei keinesfalls verneinen. Im Gegenteil: Entscheidungsträger sollten das UN-Moratorium als ersten Schritt betrachten im Kampf gegen die IUU-Fischerei und für den weiteren Schutz der Hohen See.

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