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Neues von der EU-Kommission
Es ist ein hehres Ziel, das die EU-Kommission in ihrem Papier formuliert: In nur vier Jahren sollen die Fischbestände sich erholt haben. Die Fischerei ist bis dahin nachhaltig geworden. Fischer fangen nur noch, was das Meer auf natürliche Weise ersetzen kann. Größere Fischereischiffe dürfen untereinander mit Quoten, die sie nicht beanspruchen, handeln - ein Versuch, den mörderischen Beifang zu reduzieren.
Jedes Schiff hat seine Quote für eine bestimmte Zielfischart, beispielsweise Kabeljau, fischt aber ungewollt auch andere Arten ab. Diese kann der Fischer nach derzeitiger EU-Vorgabe nicht vermarkten, wirft sie also über Bord. Jahr für Jahr werden Millionen Tonnen Fisch tot oder schwer verletzt wieder ins Meer geworfen. Könnten zum Beispiel Kabeljaufischer ungewollt gefangene Makrelen an Makrelenfischer verkaufen, würde das den sinnlosen Tod in den Netzen stark reduzieren.
Ein richtiger Schritt, trotzdem greifen die Vorschläge der Kommission nach Meinung der Greenpeace-Meeresbiologin Iris Menn zu kurz. Weder deckeln sie die viel zu hohen Fangquoten noch reduzieren sie die gewaltige europäische Fangflotte.
Natürlich muss sichergestellt werden, dass die Fischbestände sich erholen, anstatt völlig ausgerottet zu werden. Es ist eine Binsenweisheit, dass mehr Fisch nicht nur gesünder für das Ökosystem Meer ist, sondern auch bessere Einkünfte für die Fischer bedeutet, sagt Menn. Der Handel mit Quoten wird aber die Überfischung nicht stoppen, schon gar nicht, wenn die Flottengröße nicht an die vorhandene Fischmenge angepasst wird.
Die EU ist die drittgrößte Fischereimacht der Welt hinter China und Peru. Die europäischen Meere hat sie bereits weitgehend geplündert. Die EU-Kommission schätzt, dass im Atlantik 62 Prozent der Speisefischbestände überfischt sind, im Mittelmeer sogar 82 Prozent. Bislang einzige Konsequenz: Die riesigen Industrieschiffe dehnen ihren Radius in andere Meere aus. Vor der westafrikanischen Küste sind sie längst ein gewohnter Anblick.
Und Deutschland?
Schon die Zuständigkeiten sind ein Problem: Für die Schutzgebiete in den deutschen Meeren ist das Bundesumweltministerium zuständig, für die Fischerei das Bundeslandwirtschaftsministerium. Für die beiden Ministerien haben sich das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das von-Thünen-Institut (vTI) zusammengesetzt, um Vorschläge für ein Fischereimanagement in Natura-2000-Schutzgebieten zu entwickeln.
{image}Heute haben sie das Ergebnis veröffentlicht. Es ist ernüchternd. Geht es nach der Fachbehörde des Landwirtschaftsministeriums, so bleibt die Stellnetzfischerei überwiegend ganzjährig erlaubt. Einziges Zugeständnis an den Schutzgedanken: Die Netze sollen mit sogenannten Pingern ausgerüstet sein, akustischen Geräten, um die Schweinswale aus dem Gebiet zu verscheuchen. Das heißt, die kleinen Wale werden aus ihrem Lebensraum vertrieben, damit die Stellnetze bleiben können.
Der Vorschlag zeigt erneut, wie wenig die Meeresumwelt der Bundesregierung wert ist, kommentiert Meeresbiologin Menn. Sandbänke, Riffe und Schweinswale, die laut der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie in der deutschen Nord- und Ostsee geschützt werden müssen, bleiben weiterhin ohne Schutz.
Seit 2004 gehören mehr als 30 Prozent der deutschen Nord- und Ostsee zum europäischen Schutzgebietsnetzwerk Natura-2000. Doch bis heute wurden für keines der zehn Gebiete Maßnahmen getroffen, um die Meeresumwelt vor der schädlichen Fischerei zu schützen.
Ein ausgewiesenes Ziel von Natura-2000 ist der Schutz gefährdeter Tierarten, beispielweise des Schweinswals. Dazu gehört: das natürliche Verbreitungsgebiet der Arten zu erhalten, einen ausreichend großen Lebensraum sicherzustellen, für Ernährung und Fortpflanzung wichtige Gebiete zu sichern und dafür zu sorgen, dass menschliche Aktivitäten sich nicht negativ auswirken können. Mit dem Landwirtschaftsministerium ist dieser Schutz offenbar nicht zu verwirklichen.