Jetzt spenden
Porträt Stephanie Töwe
Bente Stachowske / Greenpeace

Interview mit Greenpeace-Expertin Stephanie Töwe zu Lidls Transparenzversprechen

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Seit Monaten fordert Greenpeace von Lidl mehr Transparenz bei seiner Tierwohl-Initiative. Der Protest wirkt: Gestern kündigte der Discounter Veränderungen an – und keine kleinen.

Über 400 Protestaktionen haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Gestern bat Lidl Greenpeace zum Gespräch. Und sie hatten etwas mitgebracht: In Zukunft sollen alle Lidl-Frischfleischprodukte mit einem Haltungskompass gekennzeichnet sein. Aus dem wird für Verbraucher ersichtlich, nach welchen Kriterien das Tier gehalten wurde – eine Kernforderung der Greenpeace-Kampagne. Stephanie Töwe, Greenpeace-Expertin für Landwirtschaft, beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen.

Greenpeace: Was hat Lidl gestern an Veränderungen angekündigt?

Stephanie Töwe: Lidl startet eine Transparenzinitiative, die sich sehen lassen kann. Der Lebensmitteldiscounter hat öffentlich angekündigt, das gesamte Frischfleisch seiner Eigenmarke von Schwein, Rind, Pute und Hähnchen in ganz Deutschland mit einer 4-stufigen Haltungskennzeichnung – ähnlich wie bei frischen Eiern – zu versehen. Und das schon ab April 2018! Die Greenpeace-Kampagne gegen Lidl hat gestern einen großen Meilenstein erreicht. 

Wie wird das im Detail aussehen?

Stufe 1 meint Stallhaltung nach gesetzlichem Standard, Stufe 2 bezeichnet „Stallhaltung Plus“, das entspricht den Anforderungen der „Initative Tierwohl“. Bei Stufe 3 erhalten die Tiere Auslauf; darunter fallen zum Beispiel Fleischprodukte mit dem Siegel des Deutschen Tierschutzbundes, in Einstiegs- und Premiumsstufe. Stufe 4 ist dann Bio.

Anfang 2019 soll 50 Prozent der Frischfleischprodukte auf Stufe 2 sein. Es ist das erklärte Ziel, dass es langfristig kein Fleisch mehr mit Stufe 1, dem gesetzlichen Mindeststandard, im Laden gibt. Lidl weiß, dass uns die Kriterien der Initiative Tierwohl derzeit nicht ausreichen. Das haben wir unmissverständlich klar gemacht. Langfristig soll auch der Anteil unter Stufe 3 erhöht werden. Lidl hat angekündigt die Kennzeichnung und die Produkte zu bewerben, damit Verbraucher auch wirklich verstehen, was sich hinter welche Ziffer verbirgt.

Wie bewertet Greenpeace diese Maßnahmen?

Wir finden, das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Endlich können Verbraucher bewusst wählen, weil sie wissen, wie die Tiere gehalten wurden. Wir werden den weiteren Prozess aber genau beobachten. Die Stufe 2, mit der Lidl Fleisch aus der Initiative Tierwohl kennzeichnet, reicht uns aus Tierschutzsicht nicht aus. Auch dort werden die Tiere nicht viel besser gehalten als beim Mindeststandard.  Es darf nicht passieren, dass dieser Standard zementiert wird. Wir können Verbrauchern nur empfehlen, zu Produkten mit 3 oder 4 zu greifen! Und wir werden in weiteren Gesprächen mit Lidl Forderungen stellen, wie Stufe 2 bis wann verbessert werden kann und muss. Dieser Erfolg ist vor allen Dingen auch unseren Ehrenamtlichen zu verdanken. Das ist einfach grandios, und wir können das gar nicht genug würdigen!

Darf man erwarten, dass andere Supermärkte und Discounter dem Beispiel von Lidl folgen? Sie sind ja nicht die einzigen, die unzureichend gekennzeichnetes Billigfleisch verkaufen.

Natürlich hoffen wir, dass dieser Meilenstein viel auf dem Fleischmarkt in Bewegung setzt. Wir werden genau hingucken, was dieser Schritt von Lidl auslöst.

Bislang fehlt eine bundesweite Regelung, mit der die Herkunft frischen Fleischs kenntlich gemacht wird. Was muss jetzt auf politischer Ebene passieren?

Die nächste Bundesregierung muss endlich auf den Wunsch der Verbraucher nach mehr Transparenz und besserer Tierhaltung reagieren und eine Kennzeichnungspflicht auflegen. Andernfalls droht ein unübersichtlicher Label-Dschungel, in dem Verbraucher leicht getäuscht werden können. Während der Landwirtschaftsminister Transparenz beim Fleischkauf bremst, geht Lidl voran. 

Ihr bleibt also am Thema?

Wir machen weiter. Denn es gibt noch sehr viel zu tun, um die Tierhaltung so umzubauen, dass sie tiergerechter sowie klima- und umweltfreundlicher wird und dabei Landwirte fair entlohnt. 

 

  • Aktivisten mit Banner bei Lidl-Aktion

    Gegen Tierleid

    Überspringe die Bildergalerie
  • Aktivistin mit Handzettel vor Lidl

    Vor Ort Wissen vermitteln

    Überspringe die Bildergalerie
  • Aktivisten mit Banner "Tierleid beenden"

    Tierleid beendet?

    Überspringe die Bildergalerie
  • Lidl-Markt in Kiel, die Fenster mit Schweinestallbildern beklebt

    So sieht's in deutschen Sauställen aus

    Überspringe die Bildergalerie
  • Aktivistin mit Fleischpackung und darauf angebrachtem Schild "Mit Tierleid"

    Umetikettierungsaktion der Greenpeace-Gruppen

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie
Datum

Mehr zum Thema

Organic Livestock Farming near Vienna
  • 25.10.2024

Vielseitig, intelligent und ein ausgeprägtes Sozialverhalten – und noch weit mehr zeichnet Schweine aus! Lernen Sie die unterschätzten Tiere besser kennen.

mehr erfahren
Kühe stehen nebeneinander in Anbindehaltung
  • 22.10.2024

Verdreckte Kühe – so angebunden, dass sie sich kaum bewegen können. Wiederholt dokumentieren Fotos tierschutzwidrige Zustände. Greenpeace geht juristisch gegen die Bärenmarke-Molkerei vor.

mehr erfahren
Protest vor Molkerei Müller in Aretsried: aus übergroßen Milchtüten quillt weißer Rauch, auf dem Banner steht "Methan killt das Klima".
  • 09.10.2024

Der weltweite Ausstoß von Klimagasen in der Fleisch- und Milchindustrie ist immens, zeigt ein Greenpeace-Report. Aktivist:innen protestieren. Doch es gibt Lösungen, den Methanausstoß zu reduzieren.

mehr erfahren
Aktivist:innen auf einem Milchsilo mit einer Fahne, darauf: Bärenmarke-Logo sowie "Tierleid stoppen!"
  • 07.09.2024

Die Molkerei Hochwald wirbt mit hoher Qualität und verkauft unter dem Label Bärenmarke hochpreisige Milch. Im Molkerei-Ranking schneidet die Marke jedoch schlecht ab. Aktive informieren vor Märkten.

mehr erfahren
Milchprodukte
  • 05.09.2024

Greenpeace hat zum zweiten Mal große Molkereien gefragt, wie die Kühe gehalten werden, von denen sie ihre Milch beziehen. Das Ergebnis: Weidemilch ist weiterhin die Ausnahme im Kühlregal.

mehr erfahren
Greenpeace-Aktive vor Edeka-Filiale
  • 20.08.2024

Supermärkte haben mehr Tierwohl angekündigt, doch wie kommt die Umstellung des Fleischsortiments voran? Greenpeace hat beim Handel nachgefragt, Aktivist:innen prüfen die Kennzeichnung.

mehr erfahren