Mut und Rückenwind
Wie man Schule verändert
Was bisher schon im Schulsystem schief lief, kann aktuell durch das Vergrößerungsglas der Pandemie und ihrer Auswirkungen in allen Details betrachtet werden: Das Bildungssystem enthält jungen Menschen nicht selten die Kompetenzen vor, die sie zur Gestaltung ihrer eigenen Zukunft dringend benötigen.
- Nachricht
Entfesseln wir Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungen und Fachkräfte das zu tun, was sie wirklich gut können: unsere Kinder stärken.
Für ein Zusammenleben auf einem grünen und friedlichen Planeten braucht es einen Wandel. Auch und gerade, damit unsere Kinder eine Zukunft haben, die sie auch noch selbst gestalten können. Dafür muss sich auch etwas in Schule verändern. Das wissen alle. Eigentlich.
Wo bleibt die große Transformation?
2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen globale Ziele, um eine - so wörtlich - “Große Transformation” zu erreichen. Bildung ist ein entscheidendes dieser globalen Ziele, die Sustainable Development Goals, kurz auch SDG. Deutschland wollte dies ernst nehmen, 2017 wurde ein Aktionsplan für eine zukunftsfähige Bildung erstellt, unter Mitwirkung von Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik. Es geht um Wissen zum Handeln, um mehr themenorientiertes Lernen, mehr Aktions- und Freiräume, mehr Demokratie. Es geht darum Schülerinnen und Schüler mehr zu beteiligen, Schulen zu Reallaboren für die Zukunft werden zu lassen. Ein großer, ausgewogener Plan und Bund wie Länder verabschiedeten diesen Zukunftsvertrag. Das Bildungssystem sollte sich ändern. Eigentlich.
Doch die Verwaltungen sind träge, das System hält beharrlich fest an dem was gewesen ist und Politik fehlt der Mut und der Wille zu handeln.
Schulsystem krisenfest oder Schule in der Krise?
Das ist ein ethisches Desaster zu Lasten unserer Kinder. Die globalen Krisen machen nicht halt und warten auch nicht. Die Pandemie zeigt überdeutlich, dass das System Schule nicht auf die globalen Herausforderungen vorbereitet ist. Nicht auf eine Pandemie, nicht auf die Klimakrise, nicht auf die Biodiversitäts-Krise. Gleichzeitig sind es die Lehrerinnen und Lehrer die unter schwierigsten Bedingungen Beziehungen aufrecht halten, unsere Kinder stärken und Wissen vermitteln. Nicht alle. Möglicherweise. Doch deutlich mehr als es in der öffentlichen Wahrnehmung gesehen wird.
Dabei birgt die aktuelle Situation durchaus auch Chancen. Die aktuelle Situation legt nahe, Klassengrößen zu verkleinern, immer noch teilweise sehr starre Lehrpläne zu entschlacken, viel mehr kooperative und handlungsorientierte Lernformen einzusetzen, auch einmal außerhalb des Schulgebäudes Lernräume zu eröffnen. Das würde helfen, die Gesundheit zu schützen und gleichzeitig ein zukunftsfähiges Lernen umzusetzen, wie es der Aktionsplan vorsieht.
Digitalisierung als Selbstzweck
Der aktuelle Ruf nach mehr Digitalität an Schulen als Antwort auf Corona entspricht der schon lange veränderten realen Lebenswelt aller, nicht nur der Schüler*innen. Der Koalitionsausschuss hat im August 2020 dafür noch mehr Mittel freigegeben als der Digitalpakt ursprünglich vorgesehen hatte. Allerdings geht es dabei meist um Rechner, Laptops und Infrastruktur. Dabei ist Digitalität kein Selbstzweck, die Pädagogik und das Kind stehen bei Bildung im Mittelpunkt. Dem politischen Handeln fehlt der Kompass. Dabei wäre dieser gerade jetzt von Nöten.
Alles digital - und wie weiter?
Der momentane, coronabedingte Sprung beim Einsatz digitaler Plattformen und Tools birgt auch eine grundsätzliche Gefahr: Das Digitale wird zunehmend als Medium der Aufgabenverteilung und -rücknahme verstanden. Dies ist eine starke Verkürzung dessen, was Digitalität bedeutet.
Zwei Zitate aus dem #Twitterlehrerzimmer:
"Alle, die Lernen unter den Bedingungen des digitalen Wandels ernstnehmen und voranbringen wollen, müssen darauf achten, dass das Digitale nicht als buntes Gefäß für gleichbleibende Inhalte verstanden wird.“ Bob Blume, Netzlehrer
„Ich ergänze: nicht nur Inhalte, auch Methoden, auch Skills, auch Attitude. Da also alles überdacht werden sollte, steht der Wandel im Fokus und weniger das Digitale.“, Ines Bieler.
Eine neue Lernkultur im Klassenzimmer
Digital gestütztes Lernen bedarf einer anderen Lernkultur. Klassischer Unterricht lässt sich nicht eins zu eins in den digitalen Raum übertragen, kein Mensch hält neun frontale Schulstunden via Videokonferenz durch. Diese veränderte Lernkultur setzt auf veränderte Kommunikation, mehr Kollaboration, auf kritisches Denken und Kreativität. Der Umgang mit komplexen globalen Herausforderungen und Unsicherheiten ist essentiell, um Entwicklungen nachhaltig und zukunftsfähig mitgestalten zu können. Das beinhaltet der Aktionsplan, der übrigens Nationaler Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung heißt. Die Stimme der nächsten Generation muss ernst genommen werden, ihr Handeln muss Wirkung erzielen können, das ist ein Kernziel von Bildung.
Greenpeace setzt sich gemeinsam mit dem Bündnis ZukunftsBildung dafür ein, dass Politik endlich handelt, den Kompass, den sie beschlossen hat, ernst nimmt und ambitioniert umsetzt. Es braucht Rückenwind für die Lehrerinnen und Lehrer, für eine Schule mit Hand, Verstand und Herz, eine zukunftsfähige Schule für unsere Kinder.