Bundesbank muss Blockadehaltung aufgeben
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Es sind immense Summen, die die Europäische Zentralbank dieser Tage bewegt, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie aufzufangen. Gute 1,85 Billionen Euro umfasst mittlerweile das Corona-Notprogramm für den Aufkauf von Wertpapieren, nachdem der EZB-Rat es auf seiner Dezember-Sitzung in Frankfurt um weitere 500 Milliarden Euro aufgestockt hatte. An sich eine gute Sache, würden die Hilfsgelder für die Wirtschaft nicht sprichwörtlich mit der Gießkanne verteilt - ohne Rücksicht auf die klimatischen und ökologischen Folgen. Mauricio Vargas, Ökonom und Finanzexperte von Greenpeace, kritisiert:
“Die EZB zementiert damit auf Jahre die kohlenstoffintensive Ausrichtung der Unternehmen und blockiert damit die dringend gebotene grüne Transformation unseres Wirtschaftssystems”
Vargas fordert die EZB auf, potenzielle Klimarisiken ihrer geldpolitischen Operationen zu berücksichtigen und ihre geldpolitische Strategie in Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen bringen. Zur Erinnerung: Der Text des Abkommens, dessen hart erkämpfter Abschluss sich just diese Woche zum 5. Mal jährt, benennt klar das Ziel “klimakonformer Finanzströme” - eine völkerrechtlich bindende Vorgabe, der die Notenbanken bisher keine Beachtung schenken. Die Chance, den Fehlkurs der europäischen Notenbanken zu korrigieren, bietet der Prozess der strategischen Neuausrichtung, den die EZB bis 2021 abgeschlossen haben will. Vargas fordert:
“Solange die EZB noch kein Regelwerk zur Vermeidung von Klimarisiken besitzt, sollte sie zumindest auf den Erwerb von Anleihen besonders kohlenstoffintensiver Unternehmen verzichten.”
Greenpeace hatte im September eine Studie vorgelegt, die zeigt, wie Anleihenkäufe der EZB insbesondere klimaschädliche Sektoren wie Verkehr oder fossile Energien begünstigt und so die Klimakrise weiter antreiben.
Neues Positionspapier räumt mit (Schein-)Argumenten gegen grüne Geldpolitik auf
Die Finanzbranche selbst ist gespalten - während beispielsweise EZB-Chefin Christine Lagarde oder Bundesbank-Vorständin Sabine Mauderer öffentlich für die Abwägung finanzieller Risiken aufgrund der Klimakrise plädieren, gibt es auch heftigen Gegenwind. Als Meister des rhetorischen Ausweichmanövers hat sich jüngst Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hervorgetan, der in Reden, Medienbeiträgen und öffentlichen Listenings einerseits die historische Dimension der Klimakrise bestätigt, andererseits keinen konkreten Handlungsbedarf bei den Notenbanken sieht.
Greenpeace hat als Debattenbeitrag heute ein neues Positionspapier veröffentlicht, das die häufig genannten Gegenargumente wie Primat der Preisstabilität, Unabhängigkeit, Markneutralitätsprinzip etc. unter die Lupe nimmt und richtigstellt >> “Manifest für eine pariskonforme geldpolitische Neuausrichtung - Warum die Bundesbank die Folgen der Klimakrise in ihrer Geldpolitik zwangsläufig berücksichtigen muss.”
Greenpeace-Forderungen im Detail
Greenpeace Deutschland erwartet speziell von der Leitung der Bundesbank als einer der wichtigsten Player im Europäischen System der Zentralbanken, ihre zögerliche Haltung abzulegen und die Klimakrise als ökonomische Krise zu begreifen. Die Notenbanken müssen ernsthaft prüfen, welche institutionellen und operativen Veränderungen angesichts der massiven ökologischen wie ökonomischen Folgen der Erderhitzung erforderlich sind. Schließlich stellt die Klimakrise gleichermaßen eine akute Gefährdung für die Preis- und Finanzstabilität des Euroraums und damit für das Mandat der Notenbank dar.
[Der folgende Ausschnitt stammt aus dem o.g. Manifest, Seite 9 und 10] Für eine erfolgreiche grüne Transformation der Geldpolitik sind aus Greenpeace-Sicht folgende Veränderungen notwendig, die im Rahmen der strategischen Neuausrichtung der EZB verankert werden müssen:
- Es bedarf einer zeitnahen und schnellen Entwicklung sowie der konsequenten Implementierung von Methoden zur Identifikation und Vermeidung von Klimarisiken. Dies gilt sowohl für die geldpolitischen Instrumente (Kaufprogramme, Refinanzierungsoperationen und Sicherheitenrahmen) als auch in Bezug auf die Rolle der EZB als Bankenaufseher (Stresstests, Risikomessung und Eigenkapitalunterlegung). Hierfür muss die EZB sicherstellen,
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dass Unternehmen und Banken ihre Klimaschädlichkeit nach einheitlichen und wirkungsvollen Standards offenlegen.
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eine Bewertung aller resultierenden Klimarisiken (physische Risiken und Transitionsrisiken) erfolgt. Auch wenn angesichts der oligopolen Marktstruktur die Berücksichtigung zusätzlicher Ratingagenturen wünschenswert ist, darf sich das Notenbanksystem nicht ausschließlich auf externe Ratingagenturen verlassen, sondern muss selbst interne Methoden zur Bewertung der Risiken entwickeln und anwenden.
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die gewonnen Erkenntnisse zu den Klimarisiken transparent und konsequent in der Portfoliokonstruktion der EZB sowie in ihrer Bewertung des Sicherheiten-Regelwerks zur Anwendung kommen.
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das Bankenwesen zu einer adäquaten Risikovorsorge gegenüber den identifizieren Klimarisiken gezwungen wird.
- Darüber hinaus fordert Greenpeace ein klares Bekenntnis zur Implementierung einer pariskonformen Geldpolitik sowie die Entwicklung der hierfür notwendigen kurz- wie langfristigen Maßnahmen. Diese Maßnahmen müssen sicherstellen, dass
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die jeweilige geldpolitische Ausrichtung unter den Erfordernissen des Mandats zur Wahrung der Preisstabilität auf ihre Vereinbarkeit mit dem Pariser Klimaabkommen sowie den Beschlüssen zur Klimaneutralität hin überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden.
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ein transparenter und stetiger Pfad zur Reduktion des Carbon Footprints der aktiven geldpolitischen Instrumente aufgezeigt wird, um eine zukunftsorientierte Vereinbarkeit mit dem Pariser Klimaabkommen sicherzustellen und gleichzeitig den Wirtschaftssubjekten (Investoren und Unternehmen) Orientierung und Planungssicherheit zu geben.
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neue geldpolitische Instrumente entwickelt werden, die den geldpolitischen Spielraum weiten und gleichzeitig die Klimaziele unterstützen. Stark subventionierte grüne TLTROs, der Aufkauf von grünen Kreditverbriefungen sowie die Ausweitung von Investitionen im Rahmen eines europäischen Green Deals sind solche neuen Möglichkeiten.
Warum die Bundesbank die Folgen der Klimakrise in ihrer Geldpolitik zwangsläufig berücksichtigen muss
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