TTIP-Leaks
Greenpeace veröffentlicht Geheimdokumente zu umstrittenem Abkommen
- Hintergrund
Eine Quelle übergab Greenpeace 2016 die Geheimdokumente der damaligen TTIP-Verhandlungen zwischen den USA und der EU. Greenpeace stellte den Quellenschutz sicher, veröffentlichte eine Abschrift der Dokumente, stellte sie dem Rechercheverbund von NDR, WDR und SZ vorab zur Verfügung und ermöglichte so eine breite öffentliche Rezeption des Vertragsentwurfs. Unter anderem wurde ein gläserner Leseraum nahe dem Brandenburger Tor errichtet, in dem Interessierte die Dokumente einsehen konnten.
Seit 2013 liefen die TTIP-Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. Obwohl das umstrittene Freihandelsabkommen alle Lebensbereiche beeinflussen würde, fehlten Transparenz und ein demokratisches Mitspracherecht für die US-amerikanische und europäische Zivilgesellschaft. Gewählte Volksvertreter:innen durften die Verhandlungsdokumente zwar unter Aufsicht einsehen, aber nicht mit Journalist:innen, Expert:innen oder Bürger:innen darüber sprechen.
2016 wandte sich eine Quelle vertraulich mit den geheimen Verhandlungsdokumenten an Greenpeace. Greenpeace veröffentlichte daraufhin eine Abschrift der Dokumente und stellte sie dem Rechercheverband aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung zur Verfügung. Zudem präsentierte Greenpeace im Rahmen der Re:publica eine einordnende Analyse des 240-seitigen Verhandlungsstands. Bei allen Schritten wurde das höchste Maß an Quellenschutz sichergestellt.
Gläserner Leseraum vor dem Brandenburger Tor
Im Zuge der Veröffentlichung des TTIP-Leaks errichtete Greenpeace außerdem einen gläsernen Leseraum am Brandenburger Tor, in dem die TTIP-Verhandlungstexte erstmals öffentlich einsehbar waren. Mit einer Projektion an die Fassade des Berliner Reichstages protestierten Aktivist:innen von Greenpeace erneut gegen das geplante Abkommen und machten auf den geleakten Verhandlungstext aufmerksam.
Die TTIP-Enthüllungen beherrschten wochenlang Abendnachrichten und Titelseiten. Sie ermöglichten endlich eine kritische Diskussion des geplanten Abkommens und erhöhten den öffentlichen Druck.
Analyse der Dokumente
Die TTIP-Leaks enthüllten, dass das geplante Abkommen Umwelt- und Verbraucherschutzstandards rückwirkend senken sollte. Beide Vertragspartner sollten Mechanismen schaffen, um Standards und Gesetze aufzuheben, wenn sie den Handel behindern.
Die USA legten Kriterien fest, um Handelshemmnisse zu identifizieren, vor allem durch das Risikoprinzip. So sollten etwa die Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel und das EU-Chemikalienrecht REACH durch TTIP geschwächt werden. Die USA forderten, dass Stoffe nur bei nachgewiesener Schädlichkeit verboten werden. REACH hingegen folgt dem Vorsorgeprinzip: Seit 2007 müssen alle Chemikalien ab einer bestimmten Menge in der EU registriert werden; ihre Unschädlichkeit muss belegt sein. Mehrere Tausend Chemikalien sind in der EU nicht zugelassen, da ihre Schädlichkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Dieses Prinzip betrachteten die USA zur Zeit der TTIP-Leaks als Handelshemmnis.
Einblick in Verhandlungsstrategie
Die Dokumente offenbarten auch neue Details zur Verhandlungsstrategie der USA: Sie setzten die EU stark unter Druck, um ihre Agrarprodukte auf dem europäischen Markt zu etablieren. Die EU sollte ihre Märkte für US-Landwirtschaftsprodukte öffnen – nur dann gäbe es Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie.
Druck und Standardabsenkungen: Was TTIP-Gegner befürchteten, stand nun schwarz auf weiß in den Verhandlungspapieren. Die Veröffentlichung ermöglichte es den Bürger:innen, die Positionen der USA und der EU ungefiltert zu sehen. „Bei den Verhandlungen soll hinter verschlossenen Türen ein mächtiger Rammbock gezimmert werden, der auch den fest verankerten Schutz für Umwelt und Verbraucher wieder aus dem Weg räumen kann“, erklärte damals Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch.
Zum Zeitpunkt der TTIP-Leaks hatte Greenpeace schon mehrere Jahre gegen das geplante Freihandelsabkommen protestiert und vor den Folgen gewarnt.
Greenpeace & TTIP – eine Chronologie
Dezember 2014: Eine Million zum Geburtstag von Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission, bekommt zum 60. Geburtstag ein besonderes Geschenk: mehr als eine Million Unterschriften gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Mehr erfahren.
Januar 2015: Wir haben es satt
Zum Auftakt der Messe „Grüne Woche“ in Berlin protestieren Greenpeace-Aktivist:innen gemeinsam mit etwa 50.000 Menschen auf der “Wir haben es satt”-Demo. Sie setzen ein Zeichen gegen die geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP, die die Standards im Verbraucher- und Umweltschutz gefährden, aber auch im Bereich Ernährung.
Februar 2015: Offener Brief ans Europäische Parlament
In einem offenen Brief fordern Greenpeace und mehr als 370 weitere Organisationen das Europäische Parlament auf, dem Freihandelsabkommen mit den USA nicht zuzustimmen. Mehr erfahren.
April 2015: Protest in 51 Städten gegen Freihandelsabkommen TTIP
Beim globalen Aktionstag gegen TTIP protestieren Greenpeace-Aktive in 51 deutschen Städten mit unterschiedlichsten Aktivitäten gegen das Freihandelsabkommen. Mit einem schwimmenden Banner „Save Democracy - Stop TTIP!“ demonstrieren Aktivist:innen in Frankfurt im Main. Auf dem Marburger Marktplatz formen Umweltschützende den Schriftzug „No TTIP“ und in Berlin verbinden sie mit einer Menschenkette die kanadische und US-amerikanische Botschaft mit der Vertretung der EU-Kommission. Mehr erfahren.
Juni 2015: Protest gegen TTIP in SPD-Parteizentrale
Greenpeace-Kletter:innen protestieren mit einem fünf mal acht Meter großen Portrait Willy Brandts an der Fassade der SPD-Parteizentrale in Berlin. Auf dem Banner steht: „Demokratie schützen: Willy Brandt würde TTIP stoppen!“. Mehr erfahren.
Oktober 2015: Europäische Bürgerinitiative übergibt Unterschriften an EU-Kommission
Fast 3,3 Millionen EU-Bürger:innen haben unterzeichnet. Ihre Unterschriften gegen TTIP und CETA übergiebt die Europäische Bürgerinitiative in Brüssel der EU-Kommission. Mehr erfahren.
Oktober 2015: Europaweite Demonstrationen gegen TTIP und CETA
Bis Oktober 2015 wächst das zivilgesellschaftliche Bündnis gegen TTIP und CETA europaweit: Allein in Berlin demonstrieren mehr als 250.000 Menschen. Mehr erfahren.
Dezember 2015: Protest beim SPD-Parteitag
Greenpeace-Aktivist:innen protestieren auf dem SPD-Parteitag in Berlin gegen die andauernde Unterstützung des SPD-Chefs Sigmar Gabriel für die umstrittenen Handelsabkommen TTIP und CETA. Mehr erfahren.
April 2016: Greenpeace veröffentlicht Report
„Wer CETA und TTIP sät, wird Gentechnik ernten“, heißt der heute von Greenpeace veröffentlichte Report. Er zeigt, wie die Handelsabkommen zum Türöffner für die in Europa ungeliebte Technologie werden könnten. Mehr erfahren.
Mai 2016: TTIP-Leaks
Von einer Quelle erhält Greenpeace 2016 die geheimen Dokumente der TTIP-Verhandlungen zwischen den USA und der EU. Greenpeace veröffentlicht die Dokumente und ermöglicht eine kritische Diskussion des geplanten Abkommens.
Juli 2016: Erneute Greenpeace-Proteste gegen TTIP und CETA
Für ein starkes Signal der SPD gegen CETA und TTIP protestieren Greenpeace-Aktivist:innen bei der Programmkonferenz der Partei auf dem EUREF-Campus in Berlin. Mehr erfahren.
Juli 2016: Protest gegen geheime TTIP-Verhandlungen und private Streitschlichtung
Gegen undemokratische Schiedsgerichte, die in der heute startenden TTIP-Verhandlungsrunde beschlossen werden sollen, demonstrieren 30 Greenpeace-Aktive aus sieben Ländern in Brüssel. Die Umweltschützenden haben sich an den Eingängen des Konferenzzentrums angekettet, Kletter:innen haben ein Transparent mit dem Slogan „TTIP – dead end trade deal“ („Sackgasse TTIP“) an der Front des Gebäudes befestigt. Mehr erfahren.
Juli 2016: Greenpeace-Aktive fordern von EU-Abgeordneten ein klares „Nein“ zu CETA und TTIP
Bei einem bundesweiten Gruppen-Aktionstag in 31 Innenstädten fordern Greenpeace-Ehrenamtliche ihre regionalen EU-Abgeordneten auf, die umstrittenen Handelsabkommen CETA und TTIP abzulehnen. Mehr erfahren.
November 2016: Greenpeace veröffentlicht interne Papiere des Schwester-Abkommens TiSA
Ein Wettlauf um die schwächsten Standards im Datenschutz droht Europa mit dem geplanten internationalen TiSA-Abkommen. Dies zeigen interne Dokumente aus der 20. Runde der Verhandlungen, die Greenpeace zugespielt wurden. Mehr erfahren.
Juli 2016: Greenpeace veröffentlicht neues Bildungsmaterial zu TTIP
Passend zur 14. Verhandlungsrunde des transatlantischen Handelsabkommen TTIP legt Greenpeace neues TTIP-Bildungsmaterial auf. Es soll Lehrer:innen helfen, die Verhandlungen zwischen den USA und der EU objektiv, verständlich und kritisch im Unterricht zu behandeln. Mehr erfahren.
September 2016: Demonstrationen in sieben Städten gegen TTIP und CETA
Seit Monaten reißt der Protest nicht ab, in Berlin, Frankfurt/Main, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart protestieren Tausende. Unter der beeindruckenden Teilnehmer:innenzahl von 320.000 sind 500 Ehrenamtliche von Greenpeace. Mehr erfahren.
Dezember 2018: Was ist eigentlich aus TTIP geworden?
US-Präsident Donald Trump erhebt Schutzzölle auf europäische Produkte. Wäre ein Handelsabkommen zwischen den USA und der EU wie das vielfach kritisierte TTIP ein Schutz davor gewesen? Doch wo steckt eigentlich die Bewegung für einen gerechteren Welthandel, die in den vergangenen Jahren so viele Menschen gegen Abkommen wie TTIP mobilisieren konnte? Eine Einordnung. Mehr erfahren.