Zum G20-Gipfel in Hamburg: Trump-Skulptur von Jacques Tilly auf der Elbe
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„Ein bösartiges Kleinkind“ mit voller Windel – so sieht Großplastikenbauer Jacques Tilly den amtierenden US-Präsidenten. Seine unschmeichelhafte Darstellung von Donald Trump war heute auf der Elbe zu bewundern, Greenpeace-Aktivisten zogen die etwa sieben Meter hohe Plastik auf einem Ponton in Richtung Elbphilharmonie, wo heute ein Konzert für die Teilnehmer des G20-Gipfels stattfindet. Das Bild spricht für sich: ein lächerlicher Schreihals, der im Wutanfall den Pariser Klimavertrag zerreißt – und buchstäblich einen Haufen auf die Welt setzt.
Tilly macht sich gerne über die Mächtigen lustig: Der Skulpteur hat mit seinen satirischen Karnevalswagen den Rosenmontag in seiner Heimatstadt Düsseldorf politisiert; seit den 90er Jahren sorgen seine Kreationen für ebenso viel Zustimmung wie Widerspruch – so gefällt ihm das. Von Amnesty International ist der Künstler vor kurzem erst für seine Verdienste zur freien Meinungsäußerung ausgezeichnet worden. Im Interview erklärt er, wieso ausgerechnet Donald Trump ein „Gottesgeschenk“ ist, warum er sich über Schmähungen freut und wie sich seine Arbeit als Satiriker verändert.
Greenpeace: Wie lange brauchen Sie für so eine Skulptur, von der ersten Skizze bis zum fertigen Werk?
Jacques Tilly: Einen Monat dauert das schon. Wobei ich das ja nicht alleine mache. Skulpturenbau ist eine Mannschaftssportart. In dem Fall eher eine Frauschaft, ich hab ja fast nur weibliche Mitarbeiter.
Welche Botschaft wollen Sie mit der Trump-Skulptur rüberbringen?
Ich hatte ursprünglich zwölf verschiedene Ideen für das Projekt, die gingen in ganz unterschiedliche Richtungen: mal besonders lustig, mal besonders hart. Einer hatte einen geköpften Eisbär, das war eher Letzteres. Die Schmerzgrenze haben dann letztendlich Greenpeace-Aktivisten festgelegt. Mein Einfall war, dass Trump ein bösartiges Kleinkind im Körper eines 71-jährigen Mannes ist. Die Skulptur ist dann noch viel schöner geworden als meine Skizze.
Ist Trump ein dankbares Subjekt? Oder ist der Mann bereits so grell, dass man kaum noch einen draufsetzen kann?
Trump ist für jeden Satiriker ein Gottesgeschenk, der Mann bietet Angriffsfläche pur. Er polarisiert und weckt Emotionen, genau daraus beziehen wir Spötter unsere Nahrung.
Viele Ihrer Kollegen in anderen Ländern müssten mit schweren Konsequenzen rechnen, wenn sie so deutlich würden wie Sie. Erwächst daraus auch eine Verpflichtung? Die Freiheiten in Deutschland auszureizen, weil man es eben kann?
Ja klar. In Deutschland leben wir auf einer Insel der Meinungsfreiheit, während das im Umland oft schon wieder ganz anders aussieht. Diesen Freiheitsgrad muss man aber auch verteidigen. Eine demokratische Streitkultur ist auf Polemik angewiesen und muss sie aushalten.
Wie hart weht Ihnen hier Gegenwind entgegen?
Die Politik lässt mir große Freiheit. Was man allerdings wahrnimmt, ist eine zunehmende rechtspopulistische Revolte. Man merkt schon, dass sich im Land was verändert hat. Dass ich Morddrohungen kriege oder mir jemand „ab ins Gas“ schreibt als Reaktion auf meine Arbeit – das gab es früher nicht. Für die ist meine Arbeit der Gipfel des Volksverrätertums.
Das macht doch keinen Spaß.
Doch! Für mich ist das das Schönste, sollen sie sich doch ärgern. Wenn so ein Wagen nur vorbeifährt, ohne ein Gefühl hervorzurufen, hab ich meine Arbeit nicht richtig gemacht. Journalisten sind übrigens ein guter Gradmesser: Wenn die über eine Arbeit berichten, dann ist was hängengeblieben. Dann gibt es da einen gesellschaftlichen Streitpunkt, der für viele Leute interessant ist.
Gab es besondere Herausforderungen bei diesem Projekt?
Zum Glück haben Greenpeace und ich die gleiche Schnittmenge an Werten, darum war der kreative Part leicht. Rein technisch ist die Skulptur etwas widerstandsfähiger als etwa ein Rosenmontagswagen.
Was passiert eigentlich mit ihren Skulpturen, wenn sie ihren Zweck erfüllt haben?
Die werden wieder abgebaut, die sind nicht für die Ewigkeit. Das ist schon manchmal schade. Aber manche haben auch ein Nachleben. Mein Karnevalswagen, auf dem Theresa May mit einer Brexit-Kanone auf sich selbst zielt, fuhr einen Monat später durch London, den fanden die Briten einfach zu gut.