Sweelin Heuss, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, zum G20-Gipfel
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Rund 25.000 Menschen protestierten am vergangenen Sonntag friedlich in Hamburg gegen soziale Ungleichheit, für einen gerechteren Welthandel und einen wirkungsvolleren Klimaschutz. Ihr Adressat: Die Gruppe der 20 – die wirtschaftsstärksten Industriemächte der Welt, die sich am 7. und 8. Juli in Hamburg treffen. Sweelin Heuss, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, spricht über Herausforderungen und Erwartungen im Zusammenhang mit dem Gipfel.
Greenpeace: Wenn sich die Gruppe der 20 trifft, geht es ja in erster Linie um Wirtschaftsfragen. Warum ist für Greenpeace hier der richtige Anknüpfungspunkt, um über Klimaschutz zu reden?
Sweelin Heuss: Man hat schon auf dem G7-Gipfel gesehen, dass solche Treffen mehr und mehr eine starke entwicklungspolitische Dimension bekommen. Es ist nicht mehr allein damit getan zu sagen, dass wir wirtschaftliche Kooperation auf diesen Gipfeln erreichen wollen. Es geht auch um Themen wie Verantwortung – weil die Staatschefs wissen, dass sie heutzutage eben soziale Anliegen mitdenken müssen, und natürlich auch umweltpolitische und gesellschaftliche. Das zusammenzudenken ist die eigentliche Herausforderung des kommenden G20-Gipfels, insbesondere in der Konstellation, die wir dort vorfinden werden, mit Vertretern wie Herrn Erdogan, Herrn Trump oder Herrn Putin.
Am Sonntag beteiligte sich Greenpeace an der G20-Protestwelle. Das bedeutet aber nicht, dass Greenpeace grundsätzlich dagegen ist, dass sich die Gruppe der 20 trifft.
Das ist definitiv nicht der Fall: Wir sind grundsätzlich dafür, dass es Spitzentreffen dieser Art gibt. Für den Gipfel in Hamburg wird allerdings ein sehr hoher Sicherheitsaufwand betrieben, der Unsummen von Steuergeldern verschlingt – da darf man erwarten, dass diese Runde dann auch entsprechend liefert; dass es zu Ergebnissen kommt, die messbar sind und die eine Auswirkung haben auf die Weltpolitik.
Nun hat die Energiepolitik der USA nach der Wahl eine sehr dramatische Wendung genommen, mit einem Präsidenten, der weiterhin auf fossile Energien setzt. Wie gefährlich ist Trump tatsächlich für das Klima? Hält die Welt einen Klimaleugner an der Spitze der Vereinigten Staaten ein paar Jahre aus?
Was sich gerade als Entwicklung abzeichnet, stimmt schon wieder etwas zuversichtlicher. Es gibt zum Beispiel eine Website, die „We Are Still In“ heißt, dort haben Hunderte Personen und Unternehmen unterschrieben. Sie alle sagen: Unser Präsident will zwar aus dem Klimaabkommen austreten, aber wir bleiben drin. Dazu gehören Vertreter bedeutender amerikanischer Konzerne, Bürgermeister, da sind auch Wissenschaftler dabei. Eine große, auch wirtschaftlich sehr mächtige Koalition bildet sich gerade in Amerika, die sagt: Herr Trump kann entscheiden, was er möchte, wir werden unsere Klimaziele umsetzen und gemeinsam nach Kooperationen und Partnern suchen. Jetzt muss man mal schauen, inwieweit Amerika nun nicht doch wieder in einer anderen Art und Weise im Spiel ist.
Geht mit dem Ausscheiden der USA aus dem Klimaabkommen denn auch eine größere internationale Verantwortung für Deutschland einher? Oder gibt es andere Länder, die jetzt eine Führungsrolle bei den G20 übernehmen müssen?
Deutschland hat sicherlich die Möglichkeit, eine Führungsrolle zu übernehmen, und tut das in gewisser Weise auch schon. Angela Merkel setzt sich da recht gekonnt in Szene, aber wir wissen natürlich, dass sie im eigenen Land klimapolitisch nicht das umsetzt, was sie nach außen hin präsentiert. Sie ist nämlich eben keine Klimakanzlerin – sie sorgt mit ihrer Politik ja dafür, dass wir unsere Klimaziele nicht erreichen werden. Also, die selbstgesetzten Ziele für 2020 werden wir nicht erreichen, wenn wir nicht aus der Kohle aussteigen – so viel ist sicher.
Aber die Konstellationen verschieben sich, und es gibt neue Akteure, die jetzt nach vorne gehen. Dazu gehören definitiv Länder wie China und Kanada. Eventuell führt dieser Austritt von Trump zu mehr Leistungswettbewerb unterhalb der Vertragspartnerstaaten, die mehr umsetzen wollen, als sie vielleicht ursprünglich geplant haben.
Was wäre denn das bestmögliche Ergebnis dieses Gipfels?
Es gibt ja dieses Zauberwort Implementierung, das idealerweise in einem Abschlusskommuniqué auftauchen sollte. Das wäre als nächster Schritt konsequent. Im November findet die Klimakonferenz in Bonn statt. Für nachfolgende Klimaverhandlungen wie diese ist der Gipfel der G20 deshalb so wichtig, weil dort bereits der vereinte Willen der Regierungsoberhäupter klar sein muss: Wir wollen die Implementierung des Klimaabkommens, wir wollen Ziele setzen, die wir konsequent umsetzen, und das auch ohne die USA, wenn es sein muss. Das erwarte ich mir von dem Ausgang des G20-Gipfels.