Greenpeace-Untersuchung: Pestizid Ethoxyquin in Speisefischen
- Ein Artikel von Michael Weiland
- mitwirkende Expert:innen Thilo Maack
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Greenpeace hat Fische aus deutschen Märkten untersucht – und in mehr als der Hälfte bedenkliche Pestizidrückstände gefunden. Wie kommt ein Pflanzenschutzmittel in den Lachs?
Das Vorsorgeprinzip, wie es in Europa praktiziert wird, ist für den Verbraucher:innenschutz eine tragende Säule: Wenn unklar ist, ob eine Sache den Menschen schadet, war es das mit der Zulassung. So geschehen bei dem Pestizid Ethoxyquin. Weil die EU-Kommission Bedenken äußerte, ist das Pflanzenschutzmittel in der Europäischen Union seit 2011 vom Markt – als Futtermittelzusatz hingegen ist es weiterhin zugelassen.
Laut Toxikologen ist die Aufnahme von Ethoxyquin in bislang nachgewiesenen Rückstandsmengen zwar nicht akut gesundheitsgefährdend. Allerdings gibt es keine Studien zur Langzeitwirkung: Was Ethoxyquin letztlich mit dem menschlichen Körper anstellt, ist nicht vollständig erforscht.
Von europäischen Äckern ist das Problem verschwunden, aber damit nicht von unseren Tellern. Bei einer aktuellen Greenpeace-Untersuchung wurde die Chemikalie in 44 von 54 Fischprodukten gefunden; die Stichproben – Tiefkühlprodukte, aber auch Räucherlachs und frischer Fisch – stammen aus deutschen Super- und Biomärkten. Lachs, Forelle, Dorade und Wolfsbarsch weisen zum Teil hohe Konzentrationen auf, in 32 Fällen über den für Fleisch geltenden zulässigen Höchstmengen. Für Fisch hingegen existieren solche Mengenangaben nicht. Alle 38 Proben aus konventioneller Fischzucht (das heißt: nicht bio und kein Wildfang) sind belastet. Wie kann das passieren?
Durch Futtermittel: Fischmehlproduzierende aus aller Welt benutzen Ethoxyquin, um ihr Produkt für den Transport haltbar zu machen – zum Teil über Zigtausende von Kilometern. Abnehmende sind Betreibende von Aquakulturen, die damit ihre Fische füttern. In den Tieren reichert sich das Pestizid an. Das belegt die Greenpeace-Untersuchung.
Schlechte Noten, und ein extremer Ausreißer
Trauriger Spitzenreiter der Tests ist ein Stremellachs aus einer Aquakultur in Norwegen. In dem bei der Supermarktkette Real gekauften Produkt fand das von Greenpeace beauftragte Labor 881 Mikrogramm Ethoxyquin pro Kilogramm (Ethoxyquin: 6µg/kg + Ethoxyquin-Dimer: 875µg/kg). Zum Vergleich: Die zulässige Höchstmenge bei Fleisch beträgt 50 Mikrogramm – die Belastung in der Fischprobe überschreitet diesen Wert um das mehr als 17-fache.
Der norwegische Lachs ist ein extremer Ausreißer, aber auch auf den Plätzen sind die Konzentrationen hoch. In einer Regenbogenforelle von Netto fand sich achtmal so viel Ethoxyquin wie in Fleisch erlaubt. Bio-Produkte schnitten generell gut ab, mit einer Ausnahme: ein Tiefkühl-Lachs der Edeka-Hausmarke lag mit 155 Mikrogramm Ethoxyquin pro Kilogramm (Ethoxyquin: 6µg/kg + Ethoxyquin-Dimer: 149µg/kg) über den für Fleisch geltenden Höchstwerten.
Ethoxyquin wird von der Bio-Zucht gemeinhin nicht eingesetzt. Wie das Mittel in die Probe gelangte, ist darum unklar: unter Umständen durch falsche Etikettierung oder eine Vermengung des Futters. Die Regel ist das jedenfalls nicht.
Alles ist geregelt – außer Fisch
Konsequenzen haben die Herstellenden vorübergehend nicht zu erwarten – denn für Fisch gibt es keine gesetzlichen Rückstandshöchstgehalte. Ein äußerst merkwürdiges Versäumnis, denn die Europäische Union hat für so gut wie jedes Lebensmittel Ethoxyquin-Höchstmengen festgesetzt: für Milch, Eier und Honig; von A wie Avocado bis Z wie Ziegenfleisch. In der Liste finden sich Seltsamkeiten wie Durianfrucht, Portulak, Känguru oder Schnecke, allerdings keine Spur vom Lieblingsfisch der Deutschen, dem Lachs. Es ist zu befürchten, dass eine einflussreiche Industrie hier ihre Interessen schützt – auf Kosten der Verbrauchenden.
„Ethoxyquin ist ein verbotenes Pflanzenschutzmittel und hat nichts in Fisch verloren“, sagt Thilo Maack, Greenpeace-Experte für Fischerei. Greenpeace fordert ein EU-weites Verbot von Ethoxyquin und einen Verkaufsstopp für Produkte, die über der Grenze von 50 Mikrogramm pro Kilogramm liegen. „Es ist fahrlässig, dass diese Chemikalie in der Umwelt und auf dem Teller der Verbrauchenden landet“, so Maack.
Wie Ethoxyquin auf den Menschen wirkt, ist nicht ausreichend erforscht. Einzelne wissenschaftliche Arbeiten anhand von Tierversuchen lassen jedoch vermuten, dass es die Erbsubstanz schädigen, den Leberstoffwechsel verändern und krebserregend sein kann. Thilo Maack rät dazu, selten und bewusst Fisch zu essen, und dabei „Fisch aus konventioneller Aquakultur zu meiden und zu Wildfischen aus Beständen zu greifen, die nicht überfischt sind.“ Vorläufig muss man die Vorsorge wohl selbst treffen.
>>> Wenn Sie wissen wollen, wie Ihr Supermarkt mit dem Thema Ethoxyquin in Zukunft umgehen will: Fragen Sie ihn doch einfach.