Thunfischfang - nur ein Problem für Delfine?
- Hintergrund
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Delfinfreundlich gefangener Thunfisch, gibt es das? Und ist dieser dann umweltfreundlich? Ein Überblick.
Zwar ist in den USA mit Einführung solcher Kennzeichnungen die Tötung von Delfinen beim Thunfischfang in einigen Meeresgebieten zurückgegangen - eine Garantie für "Delfin-freundlich" gefangenen Thunfisch gibt aber keines dieser Etiketten. Dazu müssten u. a. tatsächlich umfangreiche, kontinuierliche Kontrollen auch auf See stattfinden. Die Realität ist aber schwerwiegender: die Thunfisch-Bestände selbst sind in vielen Teilen der Welt überfischt -und unzählige andere Meerestiere werden dabei ungewollt als sogenannter "Beifang" getötet. Betroffen sind viele Hochsee-Fische, darunter viele Haiarten, Mantarochen, sowie andere Meerestiere wie hochgradig gefährdete Meeresschildkröten. Greenpeace ist gegen eine Kennzeichnung von Thunfisch-Produkten als "Delfin-freundlich gefangen", denn diese macht den Verbraucher:innen nur den Eindruck, dass der Thunfisch aus einer Art ökologisch erträglicher Fischerei stammt. Dies ist aber nicht der Fall.
Fangmethoden
Hochsee-Treibnetze
Mit dieser unselektiven Fangmethode werden größere Meeresgebiete oberflächennah regelrecht "durchgesiebt" und nahezu leergefischt. In den oft viele Kilometer langen Hochseetreibnetzen sterben ebenso unzählige Haie, Rochen und andere größere Fischarten sowie Robben, Delfine, Wale, Meeresschildkröten und Seevögel. Einen großen Erfolg auf dem Weg zum Schutz vieler Meerestiere konnte Greenpeace 1990 verbuchen: bereits seit 1983 hatte Greenpeace mit Aktionen gegen die Treibnetzfischer auf hoher See und mit der Dokumentation der zerstörerischen Fangmethoden viele Regierungen wachgerüttelt. Neben politischer Lobbyarbeit und einer groß angelegten Aufklärungskampagne hat nicht zuletzt der massive Druck der breiten Öffentlichkeit dazu geführt, dass durch die UN (Vereinte Nationen) eine Resolution gegen die Hochsee-Treibnetzfischerei verabschiedet wurde. In dieser Resolution verpflichten sich alle Regierungen zu einer weltweiten Einstellung der Hochsee-Treibnetzfischerei zum Ende 1992. Selbst Japan, Süd-Korea und Taiwan, die die größten Fangflotten weltweit besaßen, bauten ihre Treibnetzflotten ab.
Die Europäische Union (EU) akzeptierte das UN-Verbot jedoch nicht, um die Treibnetzfischer von Italien, Frankreich, England und Irland zu schützen. Die Anfang der 90er Jahre expandierende französische Treibnetzflotte sowie auch einige britische und irische Treibnetzfischer fingen damit vor allem Gelbfossen-Thunfisch im Gebiet der Bucht von Biscaya (südlicher Nordatlantik). Im Juni 1998 beschloss die EU endlich das endgültige Verbot der Treibnetz-Fischerei in EU-Gewässern (Ausnahme: Ostsee) und auf EU-Schiffen. Es ist in Kraft ab dem 1.1.2002.
Die größte Treibnetzflotte umfasste in Italien über 600 Schiffe im Mittelmeer. Diese wurden bis zum 31. 1.2001 mit Förderung durch die EU nach und nach abgebaut. Auch das ist ein Erfolg der Greenpeace-Kampagnenarbeit -aber auch viele Proteste von Einzelpersonen haben die Politiker zur Einsicht gebracht. Mit den Treibnetzen im Mittelmeer wurde vor allem Schwertfisch gefangen, wobei jedoch zusätzlich bis zu 82 (!) andere Meerestierarten in den Netzen umkamen. Dieser Schwertfisch gelangt nicht auf den deutschen Markt, sondern bleibt in Italien oder wird nach Japan und in die USA exportiert.
Ringwadennetze (Purse-Seine-Technik)
Bei dieser Fangmethode werden Thunfisch-Schwärme mit Netzen eingekreist. Besonders im tropischen Ostpazifik (aber auch in einigen anderen Meeresgebieten) schwimmen Delfine häufig über Thunfisch-Schwärmen (meist Gelbflossen-Thunfisch). Die Fischer haben sich dies zunutze gemacht, indem sie dort nach Delfin-Schulen Ausschau halten und diese einkreisen. Im tropischen Ostpazifik sind dabei in den vergangenen Jahrzehnten seit 1959 über 6.300.000 Delfine als sogenannter "Beifang" in den Netzen umgekommen. Deshalb hatten Tier- und Umweltschutzorganisationen, auch Greenpeace, in den 80er Jahren eine Kampagne zur Rettung der Delfine gestartet. Während dessen wurde von einigen US-Organisationen das "Dolphin-Safe-Label" geboren, also die Kennzeichnung von Thunfisch, bei dessen Fang keine Delfine zu Schaden kommen sollten. In der Tat hatte sich die Beifangrate im tropischen Ostpazifik bis zum Jahr 1996 auf unter 3.000 Delfine pro Jahr verringert.
Der Thunfisch aus dieser Meeresregion gelangt aber nicht nach Deutschland, sondern auf den amerikanischen, asiatischen und südeuropäischen Markt. Thunfisch-Produkte in Deutschland kommen hauptsächlich aus Südost-Asien (z. B. Thailand, Philippinen, Indonesien). Für Südost-Asien fehlen Kontrollen auf See. Deshalb gibt die Kennzeichnung "Delfin-freundlich gefangen" keine wirkliche Garantie für eine Delfin-freundliche und schon gar nicht für eine wirklich "umweltfreundlichere" Herkunft der Produkte.
Langleinen-Fischerei
Im großen Stil findet auch die Schlepp- oder Langleinen-Fischerei auf Thunfische in vielen Teilen der Weltmeere statt. Dabei wird mit Haken gefischt. Allerdings liegt die Bandbreite von 2-8 Haken bis zu tausenden Haken pro Leine. Die (Lang-) Leinenfischerei ist ein gutes Beispiel, wie eine Methode verantwortungsvoll oder aber zerstörerisch eingesetzt werden kann, vergleichsweise wie in der Vergangenheit die großen Hochsee-Treibnetze.
Baskische Fischer in Spanien fischen seit langer Zeit mit kleineren Schlepp- und Langleinen nach Thunfisch im Atlantik. Dabei verwenden sie meistens 4-8 Haken und fangen gezielt den Thunfisch, den sie auch gut vermarkten können. Die Methode ist arbeitsintensiver, als die meisten anderen Fangtechniken. Sie hat in der Vergangenheit aber auch dafür gesorgt, dass die Fischbestände relativ stabil erhalten wurden.
Im krassen Gegensatz dazu steht die großindustrielle Fischerei mit Langleinen, z. B. im Atlantik, im Mittelmeer oder im Südpolarmeer. Dort werden viele Kilometer lange Leinen mit bis zu mehreren tausend Haken ausgelegt. Mit dieser Fischereitechnik werden in nur wenigen Jahren Thunfischbestände überfischt. Außerdem verfangen sich an den Langleinen sehr viele andere Meerestiere, die ebenfalls versuchen, die Köder oder bereits am Haken hängende Fische zu fressen. Dazu gehören je nach Meeresgebiet unzählige Haie genauso wie Meeresschildkröten oder Albatrosse, die dadurch inzwischen stark gefährdet sind.
"La Jolla-Agreement" und Panama-Declaration
Bis zum September 1997 gab es nur eine freiwillige Vereinbarung, das La Jolla-Agreement, um Delfin-Tötungen im tropischen Ostpazifik zu minimieren. Dieser Vereinbarung schlossen sich alle 12 Fischerei-Nationen (darunter auch Spanien) an, die im tropischen Ostpazifik Thunfische fangen. Die Bereitschaft, diese Vereinbarung weiter einzuhalten, ließ in den letzten Jahren vor 1997 nach - insbesondere bei Mexiko und Venezuela. Sie fühlten sich von den USA durch Handelsbeschränkungen in unfairer Weise behandelt und unter wirtschaftlichen Druck gesetzt. Das La Jolla-Agreement war als Schutzabkommen für die Delfine in diesem Meeresgebiet prinzipiell gut, es war aber nur freiwillig - und ließ alle anderen Beifang-Arten, wie Haie, schutzlos.
Deshalb setzte sich Greenpeace für eine verbindliche Regelung ein: die Panama-Declaration genannte Regelung zielte darauf ab, Beifänge aller Arten zu minimieren und den Thunfisch-Bestand selbst in natürlicher Größe zu erhalten. Greenpeace wurde verschiedentlich dafür kritisiert, dass mit der Panama-Declaration der Schutz für Delfine aufgehoben würde. Dies stimmt so nicht: die Panama-Declaration sah
vor, in den folgenden Jahren die Delfintötungen nahezu vollständig einzustellen. Der Schwachpunkt ist, das hinter Delfinen weiterhin hergejagt werden darf, um die unter den Delfinen schwimmenden Thunfische zu fangen. Außerdem gibt es seitens der Fangschiffe verschiedentlich Übertretungen der Regeln. Dies wird auch von Greenpeace nicht akzeptiert.
Die Panama-Declaration hat dennoch Vorteile für den Schutz der Meerestiere, macht aber gleichzeitig auch sehr deutlich, warum eine Kennzeichnung mit Delfin-freundlich gefangen als Kennzeichnung nicht ausreicht. Erstmals ist festgelegt, dass unabhängige Kontrolleure an Bord aller Thunfischfangschiffe im tropischen Ostpazifik vorgeschrieben sind: so soll der gesamte Fang registriert werden, unabhängig davon, ob es sich um Thunfische oder den Beifang anderer Hochseefische, Haie, Rochen, Schildkröten, Seevögel usw. handelt. Dadurch sollen die Fangmethoden -schützend für alle betroffenen Meerestiere -angepasst oder verändert werden. Außerdem soll die Überfischung der Thunfisch-Bestände selbst verhindert und die Delfintötungen eingestellt werden.
Diese Regelung ist in den USA in nationales Recht umgesetzt worden. Die USA spielen eine besondere Rolle, weil die Länder Lateinamerikas auf die Ratifizierung in den USA gewartet haben. Die USA hatten bis dahin mehr für den Schutz der eigenen Thunfischindustrie getan, statt tatsächlich den internationalen Meeresschutz zu fördern. Bei der industriellen Thunfisch-Fischerei mit Ringwadennetzen werden jedoch über den Ostpazifik hinaus erhebliche weitere Beifänge registriert. So kommen unzählige Haie (darunter auch große Walhaie), Rochen (z. B. Mantarochen) oder andere Hochseefische wie Goldmakrelen oder Marline zu Tode.
Aussichten
Die langjährige und erfolgreiche Kampagne gegen Treibnetze war ein wichtiger Schritt. Der größte Teil des in Deutschland verkauften Thunfisches in Dosen wird aus Südost-Asien importiert. Dort befinden sich die Verarbeitungszentren, wo Thunfische von Fischereischiffen aus verschiedenen Ländern, aus unterschiedlichsten Fanggebieten und Fangmethoden verarbeitet werden. Auch wird Thunfisch auf hoher See auf andere Schiffe umgeladen. Ohne unabhängige Kontrolleure an Bord der Schiffe ist nicht wirklich nachweisbar, welche Herkunft der Thunfisch wirklich hat. Und es reicht nicht aus, Thunfischdosen nur nach Delfin-Freundlichkeit auszuzeichnen.
Ökologische Fischerei
Der derzeitige Raubbau, die damit einhergehende Überfischung und der Beifang vieler anderer Meerestiere muss gestoppt werden. Die Fischerei muss ökologisch-verträglich nach dem Vorsorge-Prinzip durchgeführt werden. Greenpeace hat im Mai 1998 die Prinzipien für eine ökologische Fischerei veröffentlicht und fordert von den Politikern und der Fischwirtschaft, entsprechend diesen Prinzipien die Fischerei und die Einkaufspolitik zu reformieren. Wenn diese Kriterien angewandt werden, kann eine solche Fischerei zu Recht als ökologisch und sozial nachhaltig gekennzeichnet werden.
Hingegen verfolgt der Marine Stewartship Council (MSC) mit seiner Kennzeichnung derzeit nicht konsequent das Ziel einer ökologischen Fischerei, wie sie Greenpeace fordert. Ein vertrauenswürdiges Öko-Siegel für Fischprodukte ist aber dringend erforderlich, damit Verbraucher mit ihrer Kaufentscheidung zu einer Veränderung der Fischerei hin zu einer ökologischen Wirtschaftsweise beitragen. Das MSC-Siegel ist zur Zeit eher zur Beruhigung der Verbraucher durch die Fischindustrie geeignet.
Greenpeace fordert deshalb das Marine Stewardship Council auf, die MSC-Kriterien zu überarbeiten, um das Siegel zu einem überzeugenden Zeichen für eine ökologisch verantwortungsvolle und sozial verträgliche Fischerei zu machen. Aufgrund der von der Fischindustrie verursachten katastrophalen Situation in den Meeren reicht das aber nicht. Es müssen auch Sofortmaßnahmen ergriffen werden. So sind z. B. Fangverbote auf überfischte Thunfischbestände einzuführen. Fangmethoden, bei denen viele Tiere wie Haie und Albatrosse als so genannter Beifang umkommen, müssen verändert oder verboten bzw. eingestellt werden.
Greenpeace fordert:
- keine Zertifizierung von Produkten aus überfischten oder gefährdeten Beständen.
- keine Zertifizierung von Produkten aus Fischereien, bei denen bedrohte Arten gefangen werden.
- keine Produkte von Fischereien, die eine hohe Beifangrate oder Zerstörungen der Meeresumwelt zu Folge haben.
Das können Sie tun:
- Auf Thunfisch verzichten. Wenn Sie den Geschmack gern mögen, können Sie inzwischen auch zwischen leckeren veganen Alternativen wählen.
- Wenden Sie sich direkt an die Thunfisch-Konserven-Hersteller, sowie an die Importeure, deren Adressen meist auf der Dose angegeben sind. Bitten Sie diese um ausführliche Informationen zu Thunfischarten, Fangregionen, Fangmethoden und ökologische Folgen wie Beifang. Fragen Sie nach der Adresse der Herstellerfirma, falls diese nicht auf der Dose vermerkt ist.
- Fordern Sie von der Fischindustrie (Adressen auf den Fischverpackungen) eine ökologische Fischerei, entsprechend den Greenpeace-Fischereiprinzipien. Geben Sie sich nicht mit einfachen Erklärungen, Versprechungen oder mit unzureichenden Hinweisen auf Zertifikate zufrieden.