Nitratbelastung in der Ostsee
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Vor der Ostseeküste lässt Sauerstoffmangel Meeresorganismen absterben. Das liegt auch an der Gülleflut aus der Landwirtschaft, zeigen die Ergebnisse einer Greenpeace-Messtour.
Dunkel und leblos ist der Meeresgrund. Wo einst Seegras und Faseralgen wuchsen, Miesmuscheln und Seesterne einen Lebensraum hatten, finden Greenpeace-Taucher:innen in der Wohlenberger Wiek vor Niendorf nur noch Schlamm, schwarz gefärbt von Eisensulfid und bedeckt mit sulfatreduzierenden Bakterien. Gut 20 Meter tief ist die Ostsee in diesem Teil der Lübecker Bucht. Ab etwa 12 Metern sinkt hier die Sauerstoffkonzentration. Am Meeresboden werden weniger als zwei Milligramm Sauerstoff pro Liter gemessen – zu wenig für bodenbelebende Pflanzen und Tiere. Nur noch Bakterien können hier existieren. Wesentliche Ursache solcher „toten Zonen“: Der zu hohe Nährstoffeintrag durch Gülle und Überdüngung aus der industriellen Landwirtschaft. Das zeigt ein Greenpeace-Report aus 2019.
Multiresistente Keime und Nitrat kommen aus der Landwirtschaft
Der „Ostsee-Report: Tote Zonen vor der Küste“ fasst die Ergebnisse einer mehrwöchigen Messtour mit dem Greenpeace-Schiff Beluga zusammen. Experten hatten zwischen September 2018 und Februar 2019 knapp 200 Wasserproben in der Ostsee vor den Küsten von Deutschland, Polen und Dänemark genommen. Untersucht wurden der Sauerstoffgehalt in den Küstengewässern sowie die Belastung der Ostseezuflüsse mit den Nährstoffen Phosphor und Nitrat sowie mit Pestiziden, Tierarzneimitteln und multiresistenten Keimen. Anfang 2019 wurden in einer zweiten Untersuchungsreihe Nährstoffe in Proben aus Zuflüssen der Ostsee analysiert.
Die Ergebnisse zeigen: Mit den Flüssen kommen Nährstoffe in die Ostsee. Gülleflut und Überdüngung aus der Landwirtschaft tragen zum schlechten Zustand der Ostsee bei, und zwar deutlich mehr als der Nährstoffeintrag über die Luft. In den Proben wurden zusätzlich auch Pestizide sowie multiresistente Keime nachgewiesen, die nur aus der Landwirtschaft stammen können.
Sauerstoffmangel führt zu "Toten Zonen"
„Tote Zonen“ entstehen folgendermaßen: Das Überangebot von Nährstoffen wie Nitrat und Phosphat führt dazu, dass sich Algen und Cyanobakterien übermäßig vermehren. Diese Algenblüte produziert zwar in den oberen Wasserschichten Sauerstoff. Doch wenn die Einzeller absterben, sinken sie in großer Zahl zu Boden. Der mikrobielle Abbau der Biomasse verbraucht Sauerstoff – in manchen Gebieten so viel, dass das marine Leben in Nord- und Ostsee regional abstirbt.
Als relativ kleines und flaches Meer, umgeben von viel landwirtschaftlich genutzter Landmasse, ist die Ostsee dem menschlichen (Gülle-)Einfluss besonders ausgesetzt. Ihre Todeszonen haben sich in den vergangenen hundert Jahren auf gut 60.000 Quadratkilometer verzehnfacht. Das heißt: Auf einer Fläche zweimal so groß wie Belgien ist die normale Bodenflora und -fauna zerstört.
Klimakrise beschleunigt Algenwachstum
Verschärft wird das Problem durch den Klimawandel. Denn das wärmere Wasser führt zu immer früheren und immer längeren Algenblüten. Auch kann warmes Wasser per se schon weniger Sauerstoff aufnehmen als kaltes. „Gerade in Zeiten des Klimawandels ist es absolut notwendig, dass Deutschland seine Düngeverordnung drastisch verschärft und den Tierbestand reduziert“ fordert Manfred Santen, Chemieexperte von Greenpeace. „Nur so kann das massive Absterben der Bodenlebewelt in der Ostsee gestoppt werden.“