Setzt Merkel in Berlin den G7-Vorsatz zum Kohleausstieg um?
- Nachricht
Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert
Kein Tor war gefallen und doch ging ein leichtes Raunen durch das Eissportstadion in Garmisch-Partenkirchen. Die Hundertschaften von Journalisten aus aller Welt im improvisierten G7-Pressezentrum lauschten gespannt, als Angela Merkel am Montagnachmittag die Beschlüsse des Gipfels verkündete.
Es waren die Bemerkungen zum Klimaschutz, die für Aufregung sorgten. Merkel war als Gastgeberin gelungen, woran viele bis zuletzt gezweifelt hatten: Die Kanzlerin hat den sieben wichtigsten westlichen Industrieländern die gemeinsame Verpflichtung abgerungen, sich für den weltweiten Ausstieg aus der klimaschädlichen Verbrennung von Kohle, Öl und Gas einzusetzen und dazu ihre eigene Energieversorgung radikal umzubauen. Das setzte sie über den Widerstand von Kanada und Japan hinweg und unterstützt von US-Präsident Obama durch. Ein Erfolg – trotz aller Ungenauigkeiten im Text.
Die Nachricht war also nicht die Bekräftigung des Zwei-Grad-Ziels durch die G7 – obwohl manche in Elmau das so verkaufen wollten. Denn dieses Ziel war schließlich schon vor knapp fünf Jahren bei der Klimakonferenz in Cancun von knapp 200 Ländern offiziell bekräftigt worden. Nein, die Nachricht in Elmau war, wie dieses alte Ziel erreicht werden soll: nämlich durch den Ausstieg aus fossilen Energien.
G7-Ankündigungen müssen auch in Berlin widerhallen
So trivial dieses für Klimaschützer klingt, so bemerkenswert war es aus dem Munde von sieben der weltweit größten Industriestaaten. Entsprechend positiv hat Greenpeace die Ergebnisse am Montag kommentiert – aber gleichzeitig deutlich darauf hingewiesen, dass das Ziel einer „kohlenstoffarmen Wirtschaft“ nicht das Deckmäntelchen für Risikotechnologien wie Atom oder die CO2-Abscheidung sowie -Verpressung und unterirdische Lagerung (CCS) sein darf.
Auch machte Greenpeace klar, dass die wohlklingenden Ankündigungen aus Oberbayern auch in den Niederungen Berlins widerhallen müssen. Dass also die G7-Gastgeberin Merkel sich endlich hinter die Kohleabgabe von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel stellen muss. Es ist die logische Konsequenz dessen, was sie auf Schloss Elmau verkündet hat: Im Abschluss-Kommuniqué heißt es, es seien „tiefe Einschnitte bei den Treibhausgasemissionen nötig“, um die globale Erwärmung zu begrenzen.
Kohleabgabe mit Billigung der Kanzlerin kassiert
Danach jedoch sieht es derzeit nicht aus. Laut Presseberichten soll Gabriels Kohleabgabe mit stillschweigender Billigung der Kanzlerin kassiert werden. Offenbar sorgt sich Angela Merkel weit mehr um das Jammern großer Energiekonzerne, die viel zu lange auf Kohlekraftwerke setzten, als um die Begrenzung des Klimawandels. So viel Kurzsichtigkeit, auch mit Blick auf den gerade erst aufpolierten Klima-Ruf, war nicht abzusehen.
„Merkel scheint sich in den Niederungen der deutschen Politik schnell von ihrem G7-Klimaversprechen zu verabschieden“, kritisiert Tobias Austrup, Greenpeace-Experte für Energie. „Merkels Schweigen in der Kohlefrage ist die Säge am Elmau-Versprechen.“
Merkels Kohleproblem war das Schlossgespenst der Klimaverhandlungen im Palais Elmau. Es drohte die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin auf Nimmerwiedersehen zu verschrecken. Dass sie dennoch ein gutes Ergebnis erreichte, lag daran, dass Merkels Kollegen ihr Konsequenz zutrauen. Die Konsequenz, in Berlin umzusetzen, was auf Schloss Elmau beschlossen wurde: Den Ausstieg aus der Kohle. Wird dieser durch Merkels Schweigen verhindert, holt das Gespenst von Elmau die Kanzlerin ein. Dann wird sie am Ende dieses Jahres beschädigt und unglaubwürdig zur Klimakonferenz nach Paris fahren. Elmau wäre dann schon jetzt von einem historischen Moment zu einem sehr, sehr teuren Fototermin geworden.