Trotz Corona: Uranexporte aus Gronau finden nach wie vor statt
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Aus Gronau geht heute wieder ein gefährlicher Urantransport nach Russland. Business as usual für Urenco, während die Proteste dagegen den Ausnahmezustand ernst nehmen.
Alles, was nicht unbedingt lebensnotwendig ist, lässt man derzeit bleiben, mit gutem Grund. Das Einkaufen in Buchläden, Theateraufführungen, den Export von strahlenden Uranabfällen. Ach, Moment, letzteres doch nicht: Die Uranfabrik Urenco im westfälischen Gronau zeigt sich unbeeindruckt vom weltweiten Ausnahmezustand und führt seine Transporte quer durch Europa weiterhin durch. Heute verlässt erneut ein Güterzug mit Uranhexafluorid das Münsterland, letzten Endes landet die Fracht in Russland.
Uranhexafluorid, oder kurz UF6, ist ein Abfallprodukt der Urananreicherung um Brennstoffe für Atomkraftwerke herzustellen. Man spricht auch von abgereichertem Uran. Im Grunde handelt es sich dabei um Atommüll, der per deutschem Atomgesetz nicht außer Landes geschafft werden darf. Die Firma Urenco deklariert den Sondermüll allerdings zum Wertstoff, der in russischen Anlagen mit hohem Aufwand wieder aufbereitet werden soll. Das ist zwar außerordentlich unwirtschaftlich, denn Natururan ist in der Aufbereitung weit günstiger – aber so umgeht Urenco das kostspielige Problem der Entsorgung.
Im Schadensfall unverantwortlich
Einen Transport in diesen Wochen durchzuführen ist in mehrerlei Hinsicht kaltschnäuzig. Ein Unfall mit dem strahlenden Material, der jederzeit passieren kann, würde die Krankenhäuser in den betreffenden Regionen derzeit noch schwerer treffen als es vor der Coronakrise der Fall gewesen wäre. UF6, das mit Luftfeuchtigkeit zu Flusssäure reagiert, kann zu schweren Lungenverätzungen führen. „Im ganzen Land wird gerade darum gerungen, in den Krankenhäusern Kapazitäten insbesondere für die Behandlung von Lungenerkrankungen freizuschaufeln“, sagt Heinz Smital, Greenpeace-Experte für Atomenergie. „Und dann bringt Urenco einen Transport auf den Weg, der im Schadensfall genau diese Kapazitäten beschneidet.“
Zum anderen: Jeder der vergangenen Transporte wurde vor Ort mit Protesten lokaler Bürgerinitiativen begleitet. Die Demonstration heute wollte die Stadt Münster zunächst mit Hinweis auf die derzeit geltenden Versammlungseinschränkungen unterbinden – sicherlich ganz im Sinne von Urenco, die das Material damit etwas leiser aus den Augen hätte schaffen können.
Protest mit Vermummungspflicht
Doch daraus wird nichts: Die Organisator*innen der geplanten Mahnwache reichten Klage beim Verwaltungsgericht Münster ein, woraufhin die Stadt einlenkte. Nun darf protestiert werden: sofern die Protestierenden Mund und Nase mit Masken schützen und mindestens 1,50 Meter voneinander entfernt stehen. Was zum Kuriosum führt, dass dies die vielleicht erste Demonstration in der Geschichte der Bundesrepublik ist, in der ein Vermummungsgebot gilt.
Klar ist: Wir schützen einander, wenn wir rausgehen, um für unsere Lebensbedingungen einzustehen. Wenn allerdings friedlicher Protest, der die gebotenen Maßnahmen zur Virusbekämpfung ernst nimmt, zur Diskussion steht, muss man in einer Demokratie schon fragen: Handeln wir uns damit auf lange Sicht nicht ganz andere Probleme ein?