Uranfabrik Urenco exportiert Atommüll aus Deutschland nach Russland
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Uranhexafluorid ist ein Abfallprodukt der Urananreicherung – und bei genauer Betrachtung Atommüll. Warum gehen dann wieder unrechtmäßig Transporte von Deutschland ins Ausland?
Voraussichtlich kommenden Montagmorgen setzt sich ein Zug mit Atommüll aus dem westfälischen Gronau Richtung Ausland in Bewegung: Er fährt erst in die Niederlande, dort wird die toxische, radioaktive Ladung auf ein Schiff nach Russland verladen. Es ist nicht der erste Transport dieser Art und wird wohl auch nicht der letzte sein, wenn das Unternehmen Urenco seinen Willen durchsetzt. Deren Uranfabrik im Münsterland will bis 2022 12.000 Tonnen gefährliches Uranhexafluorid außer Landes schaffen.
Moment mal, Atommüllexporte? Sind die in Deutschland nicht verboten? Ganz genau: Die Bundesrepublik verfolgt den Grundsatz, dass im Inland entstandene radioaktive Abfälle auch nur im Inland entsorgt werden dürfen, das ist im Atomgesetz so festgeschrieben. Doch Urenco windet sich mit Spitzfindigkeiten aus dieser ziemlich eindeutigen Vorschrift heraus. Uranhexafluorid, das bei der Anreicherung von Uran in großer Menge übrigbleibt, sei ein Wertstoff – und falle damit nicht unter diese Regelung.
Wie kommt Urenco zu dieser Einschätzung?
Dazu muss man verstehen, wie Uranhexafluorid in der Urananreicherung genutzt wird. Zur Verwendung in den meisten Atomkraftwerken ist Natururan nicht brauchbar, darum wird es mit dem gut spaltbaren Isotop 235 angereichert. Das geschieht in Gaszentrifugen: Aus acht Teilen Natururan entstehen etwa ein Teil angereichertes Uran und sieben Teile Abfallprodukt, abgereichertes Uran – ebenjenes Uranhexafluorid. Der Vorgang passiert so auch bei Urenco in Gronau.
Allerdings lässt sich auch mit diesem abgereicherten Uran in Gaszentrifugen wieder das spaltbare Isotop-235 zur weiteren Verwendung produzieren – allerdings mit hohem Aufwand und sehr wenig Ertrag. Am Ende blieben bei dem Prozess, so er denn durchgeführt würde, bis zu 98 Prozent mehr oder minder wertloses, aber dennoch giftiges und strahlendes Uranhexafluorid übrig. Wirtschaftlich ist das kaum, zumal der Preis für Natururan niedrig ist. Theoretisch ist UF6 somit zwar mit viel gutem Willen ein Wertstoff – in der Praxis scheint es aber, als hätte Urenco einen schmutzigen Deal abgeschlossen, um sich der lästigen Entsorgung des Atommülls zu entledigen.
Was macht Uranhexafluorid so gefährlich?
Uranhexafluorid hat eine sehr gefährliche chemische Eigenschaft. Wenn es mit Wasser in Verbindung kommt – und da reicht schon ganz alltägliche Luftfeuchtigkeit – entsteht Flusssäure. Die ist noch viel ätzender als Salzsäure, sie ätzt sogar Glas durch. Kommt es zur Freisetzung von Uranhexafluorid, können sich gesundheitsschädliche Gase kilometerweit ausbreiten und bei Menschen schwere Lungenschäden verursachen. Vor zehn Jahren hat Urenco nach Protesten der Anti-Atomkraft-Bewegung die Exporte nach Russland gestoppt. Seit einigen Monaten hat die Firma sie wieder aufgenommen.
Zu Recht wird UF6 von der Bundesregierung seit 2015 als Atommüll deklariert, gemäß einer EU-Richtlinie, nach der jedes Mitgliedsland seine voraussichtliche Menge nuklearen Abfalls beziffern muss: Mit der Folge, dass Deutschland auf einmal auf der doppelten Menge Atommüll saß, mit bis zu 100.000 Kubikmetern Atommüll allein aus der Urananreicherung. Das Schlupfloch, dass UF6 bei weiterer Verwendung als Wertstoff gilt, nutzt Urenco aus – auch wenn davon auszugehen ist, dass es sich bei dem Export nach Russland um nichts weiter als eine verkappte Entsorgung handelt.
Die Menschen in Gronau sind entsetzt. Die regionalen Anti-Atomkraft-Initiativen im Münsterland haben für Sonntag, den 17. November, um 13 Uhr an der Urananreicherungsanlage Gronau eine Kundgebung angekündigt. Denn die Lieferungen von Gronau nach Russland sind unverhältnismäßig, verantwortungslos – und schlicht und einfach Atommüllexporte. Und die sind aus gutem Grund in Deutschland verboten.