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Pottwal im Nordatlantik, Juni 1999
Doug Perrine / Greenpeace

Wale als Plünderer - ein modernes Märchen

Wale fressen zuviel Fisch: Diese Aussage trifft das japanische Institut für Walforschung (Institute of Cetacean Research, ICR) in einer Studie zur Verteidigung des Walfangs. Demnach verzehren Wale weltweit 280 bis 500 Millionen Tonnen Fisch pro Jahr - und machen dem Menschen damit die begrenzten Fischreserven streitig. Schlussfolgerung des ICR: Durch sogenanntes Wal-Management, das heißt gezielten Abschuss von Walen, lasse sich die Nahrungskonkurrenz zwischen Wal und Mensch verringern.

Die allgemeine Sachkenntnis japanischer Fischereiwissenschaftler ist unbestritten. Daher ist es umso erstaunlicher, wie ungenau der ICR-Bericht ist. Zu behaupten, Fischerei und Wale lägen im Wettstreit um Nahrung, ist nachweislich falsch. Sämtliche diesbezüglichen Aussagen des ICR basieren auf unkorrekten wissenschaftlichen Annahmen. Greenpeace geht auf einige der Behauptungen ein und stellt Mängel in der wissenschaftlichen Beweisführung heraus.

Im letzten Jahrhundert konnte sich die Seefischerei stetig ausweiten, während notwendige Berechnungen und Kontrollen fehlten. Die Überkapazität der Fangflotten mit hoher Fangleistung ist die Hauptursache der Überfischung. Zahlen der EU-Kommission belegen, dass 88 Prozent der der europäischen Speisefischbestände überfischt sind.

Zu viele Fischer, zu wenig Fisch

Damit sich die Fischbestände in den Weltmeeren erholen könnten, müssten die Fangflotten um mindestens die Hälfte reduziert werden. Außerdem muss es ein ökologisch verantwortungsvolles Fischereimanagement mit niedrigen Quoten und harten Strafen für Piratenfischer geben. Doch zurzeit sind keine Änderungen in Sicht - die Fischbestände in den Weltmeeren befinden sich deshalb in einer kritischen Situation. Umso nötiger sind Schutzgebiete mit fischereifreien Zonen, in denen sich die erschöpften Bestände erholen können.

Es ist offensichtlich, dass die industrielle Überfischung die prekäre Situation herbeigeführt hat und nicht das so genannte räuberische Verhalten von Tieren.

Situation der Wale

Betrachtet man die Geschichte des industriellen Walfangs, fällt es schwer, Wale und Menschen als Gegner im Wettstreit um bedrohte Fischbestände zu sehen. Mit der Erfindung der Harpunenkanone und Einführung des Dampfschiffes Mitte des 19. Jahrhunderts wurden alle großen Walarten nahezu ausgerottet. Anschließend ging man zunehmend zur gezielten Jagd auf kleinere Arten über. Wo nun das ICR einen täglichen Nahrungskonsum der Wale von 3,5 Prozent ihres Körpergewichts ansetzt, liegt der wahre Wert im Jahresdurchschnitt eher zwischen 1,2 und 1,6 Prozent. Daher gibt das ICR den jährlichen Welt-Nahrungsverbrauch der Wale stark überhöht an.

Insgesamt wurden zwischen 1925 und 1975 bis zu zwei Millionen Wale getötet. Viele Walbestände wurden bis auf zehn Prozent ihrer ursprünglichen Größe dezimiert. Die Populationen von Großwalen wie Blauwalen, Finnwalen und Buckelwalen sind heute nur noch sehr klein.

Man geht zwar bei einigen Walpopulationen von einer Bestandserholung aus, allerdings fehlen für viele Bestände adäquate Untersuchungen. Bei Zählungen auf dem Meer kann immer nur ein Teil der Tiere gesichtet werden und selbst die besten wissenschaftlichen Untersuchungen beruhen nur auf Hochrechnungen.

Hauptnahrung: Krill

Die kommerzielle Fischerei und die Wale kommen sich beim Fischfang zumeist nicht in die Quere. Zum einen liegen die Weidegründe der meisten Großwale (z.B. das Südpolarmeer) nicht in Regionen, die von den Fangflotten leergefischt werden. Und obwohl große Bartenwale auch Fische fressen, ernähren sie sich überwiegend von Krill. Die kleinen Krebse sind für den Menschen ökonomisch uninteressant.

Hauptnahrung: Tintenfisch

Auch der Pottwal, einer der großen Zahnwale, wird vom ICR als Nahrungskonkurrent betrachtet. Pottwale ernähren sich jedoch vor allem von Tintenfisch und tauchen bei ihren Beutezügen nach riesigen Tintenfischen auf über 2500 Meter in die Tiefsee hinab. Da Tiefseetintenfische gegenwärtig kommerziell nicht genutzt werden, besteht auch hier keine Konkurrenz zur Fischerei.

Indirekte Konkurrenz?

Das ICR spricht auch von indirekter Konkurrenz: Wale könnten der Fischerei Schaden zufügen, indem sie kommerziell genutzten Fischarten ihre Nahrung wegfressen. Doch umgekehrt gilt auch: Wale können die Fressfeinde kommerziell genutzter Arten fressen.Daher wäre es z.B. denkbar, dass eine Dezimierung tintenfischfressender Wale zu verstärktem Druck auf die Fischbestände führen würde, da mehr Tintenfische übrig blieben, die kommerziell gefangene Fischarten fressen. Tatsächlich aber ist das Ökosystem so komplex, dass niemand die Auswirkung einer Maßnahme wie der Reduzierung der Wale vorhersagen kann. Es gibt keinen Beleg, dass eine Reduzierung von Meeressäugern je zu Vorteilen für die Fischereiwirtschaft geführt hätte.

Widerlegung des Märchens

Wissenschaftlich haben Daniel Pauly und Kristin Kaschner an der Universität von Britisch Kolumbien in Kanada überprüft, wie groß tatsächlich die direkte Konkurrenz zwischen Meeressäugern und menschlicher Fischerei ist. Sie differenzierten zwischen Robben, Bartenwalen, großen Zahnwalen und Delfinen. Das Ergebnis stellten sie 2004 vor: Die meiste Nahrung von Meeressäugern besteht aus Arten, die der Mensch üblicherweise nicht fängt. Und zumeist fressen Meeressäuger in Gegenden, in denen menschliche Fischerei nicht stattfindet.

Das Gesamt-Ökosystem

Das ICR macht es sich mit der These zu leicht, dass eine Bejagung der Wale zu einer Verbesserung der Bestandssituation der Nutzfische führen würde. Die ICR-Studie scheint die Wechselwirkungen innerhalb eines Ökosystems, also das Zusammenspiel der Lebewesen in einem Lebensraum, nur als Ausschnitt, als abgeschlossene Black Box zu sehen. Tatsächlich sind die Wechselwirkungen innerhalb von Ökosystemen - vor allem im Meer - weitaus komplexer. Ihre Dynamik ist nicht nur von den Wechselbeziehungen einzelner Arten abhängig, sondern steht auch unter dem Einfluss anderer Umweltfaktoren, wie zum Beispiel Wassertemperatur und Strömung.

Wichtige Jäger

Sicher ist, dass Wale eine wichtige Rolle spielen: Sie sind Jäger und stehen am Ende der Nahrungskette. Der Walfang hat ihre Rolle aber beträchtlich verringert. Es bleibt ungewiss, welche Auswirkungen dieser Wandel auf die Ökosysteme hat.

Solange die Wechselwirkungen der Arten in ökologischen Systemen nicht ganzheitlich betrachtet werden, besteht kein Anlass zu glauben, dass eine Beseitigung der Wale eine vorhersagbare Reaktion auslösen würde.

Im Hinblick auf die Unbeständigkeit des untersuchten Ökosystems weist selbst das ICR darauf hin, dass die Forschung sich intensiv bemühen muss, das Rätsel sämtlicher (ökologischer) Verkettungen zu lösen, um völlige Kenntnis über die Auswirkungen zu erhalten.

  • Minkewal  (Balaenoptera acutorostrata) am Great Barrier Reef/Australien

    Minkewal

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Marine Mammals And Comercial Fisheries

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SOS aus der Arktis: Stoppt den Tiefseebergbau!

Die norwegische Regierung will in der Arktis als erstes Land der Welt mit dem Tiefseebergbau starten. Damit gefährdet sie das Wohlergehen der Meere und der Lebewesen, die dort leben. Wir müssen die Zerstörung der Tiefsee zur Ausbeutung des Meeresbodens verhindern, bevor es zu spät ist.

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Walroß auf Eisscholle in der Arktis

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