Greenpeace und Umweltministerium im Gespräch
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Online-Redaktion: Iris, ihr habt heute mit dem Bundesumweltministerium über die Steine-Aktion gesprochen. Wie ist es zu dem Austausch gekommen?
Iris Menn: Das Umweltministerium hatte Greenpeace zu einem Gespräch nach Berlin eingeladen. Wir haben uns dann für eine Telefonkonferenz entschieden.
Online-Redaktion: Worum ging es genau?
Iris Menn: Das BMU wollte genauere Informationen über Art und Beschaffenheit der Steine, über Versenkungsorte und mögliche ökologische Auswirkungen unserer Aktivität.
Online-Redaktion: Wie war die Atmosphäre des Gesprächs?
Iris Menn: Die Diskussion war fruchtbar. Wir werden dem BMU die gewünschten Informationen auch liefern. Letztlich geht es aber nicht darum, das Versenken unserer Steine naturschutzfachlich zu beurteilen. Es geht um eine politische Diskussion über die gemeldeten Schutzgebiete und deren Implementierung. Da ist nach wie vor Minister Gabriel gefragt. Das haben wir im Gespräch noch einmal betont.
Wenn wir überhaupt von Auswirkungen und deren naturschutzfachlicher Bewertung sprechen, sollten doch zuallererst die Auswirkungen des Sand- und Kiesabbaus und der Fischerei untersucht werden. Hier muss die Beweislast bei den Nutzern liegen. Sie müssen nachweisen, dass ihre Nutzung die Arten und Lebensräume des Schutzgebietes nicht negativ beeinflussen.
Online-Redaktion: Das BMU hat in der Presseerklärung vom Montag auch auf seine Vorreiterrolle in Sachen Schutzgebiete hingewiesen. Was sagst du dazu?
Iris Menn: Auch hier, finde ich, trifft das Umweltministerium den Punkt nicht. Ihre Vorreiterrolle in Sachen NATURA 2000 Schutzgebiete haben wir nie in Frage gestellt. Die Nachbarländer hinken da noch weiter hinterher. Deswegen ist unsere Aktivität ja auch international ausgerichtet. Unsere Kollegen in Holland, Dänemark, Schweden und England sind involviert.
Trotzdem darf man nicht vergessen, dass auch Deutschland die deadline für das Netzwerk NATURA 2000 um neun Jahre überzogen hat. Wohlgemerkt - wir reden hier nicht von Monaten, sondern von Jahren! Heute, weitere vier Jahre nach der Ausweisung, gibt es noch immer keinen echten Schutz.
Online-Redaktion: Das Umweltministerium spricht auch davon, dass flächendeckende Verbote von Fischerei oder Sand- und Kiesabbau seiner Ansicht nach weder fachgerecht noch erforderlich sind. Wie ist das zu verstehen?
Iris Menn: Da verstehe ich das Umweltministerium auch nicht mehr. Die Wissenschaft hat über die letzten Jahre immer wieder gezeigt, a) wie stark die Weltmeere genutzt werden und b) wie wichtig es ist, Gebiete völlig frei von menschlicher Nutzung zu halten. Nur so können Artenvielfalt und auch Fischbestände sich regenerieren.
Diese Informationen hat auch das Umweltministerium. Genau deshalb hat sich Deutschland ja für Schutzgebiete in internationalen Konventionen und europäischen Richtlinien stark gemacht.
Wir fordern mit unserer Aktivität ja kein flächendeckendes Fischerei- oder Kiesabbauverbot für die gesamte Nordsee. Es geht um ein Verbot in einem Teilgebiet - nämlich einem Schutzgebiet.
Online-Redaktion: Was muss Umweltminister Gabriel jetzt tun?
Iris Menn: Das BMU hat in seiner Presseerklärung erklärt und im Gespräch noch einmal bestätigt, dass es an Maßnahmen für die Schutzgebiete arbeitet. Wichtig ist, dass diese Maßnahmen am Ende echten Schutz für die Gebiete ermöglichen.
Im ersten Schritt sollte sich Minister Gabriel an seinen Amtskollegen Seehofer wenden. Der ist nämlich für Fischerei zuständig. Beide gemeinsam sollten bei der EU-Kommission den Stopp der Fischerei in den Schutzgebieten erwirken.
Online-Redaktion: Vor der Genehmigung des Sand- und Kiesabbaus im Sylter Außenriff sind doch sicherlich die ökologischen Auswirkungen untersucht worden. Wie sehen die aus?
Iris Menn: Der Sand wird bis zu zwei Meter Tiefe abgesaugt. Dabei werden alle Lebewesen getötet, die sich in diesem Bereich befinden. Dazu gehören auch bodenlebende Fische. Somit wird die Nahrungsgrundlage für Fische, Säuger - wie den bedrohten Schweinswal - und Vögel ausgedünnt.
Zusätzlich entsteht beim Abbau von Kies eine sogenannte Trübungsfahne. Das sind Feinmaterialien, die aus dem Kies herausgespült werden und wieder ins Wasser gelangen. Diese legen sich auf Fischlaich oder Lebewesen und nehmen ihnen den Sauerstoff. Durch das trübe Wasser wird außerdem die Nahrungssuche erschwert.
Online-Redaktion: Wie kann es angesichts solcher Folgen sein, dass der Abbau erlaubt wird? Gerade in einem Gebiet, das unter der Vogelschutz- und Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie als besonders wertvoll ausgewiesen ist ...
Iris Menn: Tja, das ist die Frage! Die Sand- und Kiesabbaugenehmigungen unterliegen dem Bergrecht - und das kommt in Deutschland vor Naturschutzrecht. Dabei geht es darum, die Rohstoffversorgung der Bundesrepublik sicherzustellen. Die negativen ökologischen Auswirkungen sollen durch gewisse Bestimmungen und Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden.
Ich denke, die Genehmigung ist ein Skandal. Sie wurde zwar vor der Ausweisung des Sylter Außenriffs Als FFH-Gebiet erteilt. Aber zu dieser Zeit war schon bekannt, dass das Außenriff ein potentielles FFH-Gebiet ist. Bis 2039 dürfen hier nun Sand und Kies abgebaut werden!
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch, Iris.
Hier ein Video zum Thema Schutzgebiete und Grundschleppnetzfischerei.