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Zwei Schwestern aus Gomel,Irina und Jelena Pastutschenko, August 2005.
Robert Knoth / Greenpeace

Jelena Pastutschenko aus Gomel

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Jelena Pastutschenko lebt im weißrussischen Gomel, dicht an der Grenze zur Ukraine, nicht weit entfernt von Tschornobyl. Als die Wolken aus Richtung Tschornobyl den sonnigen Frühlingstag verdunkelten, war sie gerade fünf Jahre alt. Jelena erzählt:

Im April 1986 war ich fünf Jahre alt. Ich erinnere mich kaum an jenen Tag. Aber er wurde zur Tragödie nicht nur für unsere Familie, sondern für Tausende von Menschen, für viele Länder.

In unserer Familie wurde nicht oft über diesen Tag gesprochen, aber ich weiß noch, was meine Mutter über ihn erzählte: Es war ein wunderschöner Tag, warm und sonnig. Mein älterer Bruder und ich spielten draußen. Meine kleine Schwester war gerade 13 Tage alt und schlief im Kinderwagen unter einer Birke.

Plötzlich tauchten dunkle Wolken am Himmel auf und starker Wind kam auf. Unsere Mutter kam heraus und rief uns ins Haus. Während wir Kinder unsere Spielsachen zusammensuchten, versuchte sie, den Kinderwagen ins Haus zu bekommen. Dafür brauchte sie eine Weile und die ersten Regentropfen fielen auf meine kleine Schwester. Wer weiß - vielleicht waren es diese Tropfen, die unser Leben veränderten.

Am Anfang wurden wir nicht über den Unfall informiert, um keine Panik aufkommen zu lassen. Aber die Behörden hatten Angst, dass der zweite Reaktor ebenfalls in die Luft fliegen könnte. So standen dann Züge bereit, um die Menschen von Gomel zu evakuieren, denn unsere Stadt liegt nicht weit von Tschornobyl entfernt. Auf diese Weise erfuhren wir relativ schnell, dass der Regen radioaktiv war.

So trat das Wort Strahlung in unser Leben und bestimmte fortan seinen Lauf. Tschornobyl hat mich vieler Freuden meiner Kindheit beraubt: Das Gefühl warmer Sonnenstrahlen auf meiner Haut, das ich so liebte, verwandelte sich in die Bedrohung durch radioaktive Strahlen; wir mussten im Schatten bleiben. Der Fluss, in dem wir herumzuplantschen pflegten, war ebenfalls verseucht. Ich durfte meine Lieblingsleckerbissen nicht mehr essen: Pilze und Beeren aus dem Wald.

Mit der Zeit gewöhnte ich mich an diese Beschränkungen und begann zu begreifen, dass sie zu unserem eigenen Besten waren. Das Leben nahm seinen normalen Lauf. Ich wuchs auf und ging zur Schule. Ich war eine gute Schülerin. 1998 schloss ich das Gymnasium mit Auszeichnung ab und träumte von einem Studium. Und an dieser Stelle trat Tschornobyl wieder in mein Leben. Statt in einer Lehranstalt fand ich mich im Hospital wieder.

An dem Tag, an dem bei mir ein Gehirntumor diagnostiziert wurde, kamen meine Eltern aus Minsk zurück. Dort war meine Schwester gerade wegen derselben Krankheit operiert worden. Ich wusste nicht, wie ich es meiner Mom sagen sollte: dass wir gleich wieder umkehren und nach Minsk zurückfahren mussten, weil der Arzt mich nach der Untersuchung dort zur Operation hinbestellt hatte.

So hat Tschornobyl meine Jugend vergiftet. Es beraubte mich meiner schönen Haare, denn vor der Operation wurde mein Schädel kahlgeschoren. Während des Eingriffs durchtrennten sie den Nerv, der für die Motorik zuständig ist. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Meine Mutter erinnert sich noch, dass ich nach der Operation auf der Intensivstation ein schweres Gehirnödem hatte. Es war keine Frage der Gesundheit mehr, es ging um Leben oder Tod.

Dank der Ärzte und der Fürsorge meiner Eltern habe ich überlebt. Die wichtigsten Dinge im Leben eines Menschen hatte ich noch: mein Leben und meine Familie. Das lernte ich zu schätzen. Meiner Familie habe ich es zu verdanken, dass ich diese Prüfung bestehen und wieder auf meinen Füßen stehen konnte. Und durch die Prüfung an der Schwelle zum Tod lernte ich mein Leben schätzen und lieben.

Ich weiß jetzt, dass man die Hoffnung niemals aufgeben darf und jeden Augenblick auskosten muss. Denn diese Augenblicke machen unser Glück aus. Um das mit 25 zu verstehen, musste ich als Siebzehnjährige sehr schwere Zeiten durchmachen. In den vergangenen acht Jahren habe ich hart gearbeitet, um nicht an den Rollstuhl gefesselt zu bleiben und wieder gehen zu lernen. Und um meinen Traum wahrzumachen und zu studieren.

Auch wenn ich bis heute nicht ganz gesund geworden bin, lebe ich doch wieder ein volles Leben und genieße jede Minute. So wie ich es sehe, kann in unserem Leben alles passieren: Freude und Schmerz, Verletzung und Enttäuschung, Gutes und Böses. Aber das Wichtigste ist der Wille zum Leben.

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