Politik und Industrie versagen bei der Atomkatastrophe systematisch
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Ein Jahr nach der Atomkatastrophe in Japan legt Greenpeace im Februar 2012 einen Bericht vor, der belegt, dass die Reaktion von Politik und Industrie auf den mehrfachen Super-Gau alles andere als angemessen war. Statt in alternative Wege der Stromgewinnung zu investieren, suchen Behörden und Entscheidungsträger aber jetzt nach Wegen, wie sie das Vertrauen der Menschen in die Atomenergie wieder herstellen können.
Die Katastrophe hat gezeigt, dass nicht einmal ein so hoch entwickeltes Land wie Japan die Folgen eines Atomunfalls beherrschen kann. Trotzdem werden die Gefahren von Atomenergie weiterhin systematisch unterschätzt und so weltweit viele Millionen Menschen gefährdet. An den grundsätzlich fehlerhaften Gesetzen und Vorgaben für die Industrie hat sich wenig geändert.
"Die Tsunami-Gefahr war lange bekannt. Behörden und Institutionen haben es jedoch verpasst, die Gefährdung durch Atomkraftwerke zu erkennen und entsprechende Sicherheitsstandards festzulegen", sagt Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace. "Mit selbstgefälliger Haltung wurden Risiken einfach beiseite geschoben."
Schlechte Notfallplanung und absurde Argumente von TEPCO
Die von Greenpeace vorgelegte Studie Die Lehren aus Fukushima zeigt aber auch, dass nicht nur japanische Institutionen versagt haben. 2007 und 2008 lobte die Internationale Atomenergie Organisation bei ihrer Überprüfung die vorbildliche Organisation der japanischen Atomaufsicht. "Sichere Atomkraft ist ein Mythos. In jedem Atomkraftwerk kann es zu einem Super-Gau kommen", so Smital. "Die Menschen dürfen nicht länger der unterschätzten Gefahr durch Atomkraft ausgesetzt werden."
Der Bericht übt auch Kritik an der Notfallplanung und der fehlenden Haftung der Kraftwerkbetreiber. Japan ist sehr gut für Katastrophen gerüstet. Auf ein Ereignis wie den Super-Gau in Fukushima sind die Hilfskräfte allerdings nicht eingestellt. Ein Beispiel hierfür: Nach der Katastrophe wurden Menschen aus gering kontaminierten Gebieten in die Zugbahn einer radioaktiven Wolke umgesiedelt - weil die kreisförmig angelegten Sperrzonen den tatsächlichen Erfordernissen nicht gerecht wurden. Alte Menschen wurden ohne Versorgung sich selbst überlassen und starben. Die Regierung hatte zudem lange Unterlagen mit einem Worst-Case-Szenario unter Verschluss gehalten. Danach wäre sogar die Evakuierung der Region Tokio erforderlich gewesen.
Die mehr als 150.000 Menschen, die nach dem Unglück evakuiert wurden, bekommen nach wie vor keine ausreichende Unterstützung und Entschädigung. Bis jetzt fehlen konkrete Regelungen und Verfahren. Der verantwortliche Atomkonzern TEPCO wollte sich sogar von seiner Reinigungspflicht des verstrahlten Bodens befreien - mit der absurden Begründung, die Radioaktivität sei in den Besitz der Grundeigentümer übergegangen.
Aktive protestieren auf dem Mount Fuji gegen Atomkraft
"Japan sollte keinen der abgeschalteten Reaktoren wieder hochfahren", sagt Smital. "Weltweit ist ein Atomausstieg bis 2035 möglich. Das sind die Lehren aus Fukushima."
Den Ausstieg aus der Atomenergie forderten auch Greenpeace-Aktivisten bei einer Aktion am Mount Fuji in Japan. Elf Kletterer aus verschiedenen Ländern brachten Botschaften aus der ganzen Welt zum Unglück in Fukushima auf den Gipfel des Bergs. Gleichzeitig platzierte ein zweites Team von Greenpeace-Aktivisten Banner mit den Aufschriften "No Nuclear" ("kein Atom") und "Nuclear Free Tomorrow" ("Atomfreie Zukunft") am See Yamanakako am Fuße des Mount Fuji.
"Greenpeace bringt Nachrichten zu Fukushima von Tausenden Menschen aus Japan und der ganzen Welt auf den Mount Fuji, um die japanische Regierung zu überzeugen, auf die Stimmen der Menschen und nicht auf die Nuklearindustrie zu hören", so Wakao Hanoaka, Kampagnen-Manager bei Greenpeace Japan.