Schade um das Klimaschutzgesetz
- mitwirkende Expert:innen Martin Kaiser
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Das Klimaschutzgesetz war die größte klimapolitische Errungenschaft der SPD. Dann hat Olaf Scholz’ Regierung es brutal zurechtgestutzt. Heute wurde die Novelle im Bundestag beschlossen. Die angebliche Fortschrittskoalition schaltet beim Klimaschutz in den Rückwärtsgang.
Am Morgen der Abstimmung protestierten Greenpeace-Aktive mit einer Projektion am Reichstagesgebäude in Berlin gegen das ausgehöhlte Klimaschutzgesetz. Auf der gesamten Breite des Gebäudes war der Schriftzug "Stoppt das KlimaSCHMUTZgesetz" zu lesen. Mit der Aktion appellierten die Aktivist:innen an die Mitglieder des Bundestags, der verwässerten Überarbeitung des Gesetzes nicht zuzustimmen.
Nach dem Beschluss heute muss die Bundesregierung künftig erst dann mit schärferen Maßnahmen nachsteuern, wenn die Klimaziele in zwei aufeinanderfolgenden Jahren verfehlt worden sind. Damit fehlt die Verpflichtung in Problemsektoren wie dem Verkehr oder bei Gebäuden, vor 2030 zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Untätigkeit heute hätte zur Folge, dass im kommenden Jahrzehnt drastischere Maßnahmen umgesetzt werden müssten, um die mittel- und langfristigen Klimaziele Deutschlands noch zu erreichen. Diese Ungleichverteilung zulasten jüngerer Generationen führte 2021 dazu, dass das Bundesverfassungsgericht nach einer Klage von Greenpeace die erste Fassung des KSG für verfassungswidrig erklärt hatte.
Schon im April 2023 ließ die Physikerin Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats Klimafragen die vermeintlich grandiose Idee der Ampel beim Klimaschutz in einer recht nüchternen Bemerkung einstürzen. “Kein einziger der unterschiedlichen Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft oder Landwirtschaft hätte beim Klimaschutz künftig etwas zu verteilen”, sagte sie damals, als der Expert:innenrat seinen Bericht zu den deutschen Treibhausgas-Emissionen 2022 vorstellte. Die vor allem von der FDP propagierte Idee, manche Sektoren könnten bis 2030 mehr CO2 als geplant einsparen und so weit zurückliegenden Sektoren wie dem Verkehr aushelfen, sie wird nicht aufgehen.
KSG zu schwach
Trotzdem klammern sich die Koalitionäre mit dem nun überarbeiteten Klimaschutzgesetz (KSG) genau an diese Hoffnung und damit an eine Verwässerung des ursprünglichen Klimaschutzgesetzes. Schon zur ersten Lesung des KSG pinselten Greenpeace-Aktive mit (ökologisch unbedenklicher) Kreideleimfarbe in großen weißen Lettern „Klimaschutzgesetz“ an die Kanalmauer unterhalb des Reichstagsgebäudes. Analog zum verbindlichen Klimaschutz scheinen die Buchstaben abzusaufen.
Nun ist es trauriger Fakt: Die bislang verbindlichen Ziele im Klimaschutz für Bereiche wie Verkehr, Industrie oder Gebäude werden gestrichen. Auch die jährliche Überprüfung wird aufgeweicht: Nur noch alle zwei Jahre muss nachgesteuert werden, wenn CO2-Ziele nicht erreicht werden. Faktisch bedeutet das: Die Ampel wird in dieser Legislatur nichts mehr Unternehmen beim Klimaschutz. „Die ökologische Modernisierung des Landes hängt schon jetzt weit zurück, aber mit diesem Gesetz zögert die Ampel den dringend nötigen Klimaschutz noch weiter hinaus“, sagt Greenpeace-Sprecher Thilo Maack.
Schon im Sommer, als das Kabinett über das neue Gesetz abstimmte, protestierten Greenpeace-Aktive vor der Tür des Kanzleramts mit drei zwei Meter großen Affen unter einem großen “Klimakrise”-Banner gegen das schwache Gesetz. Die Kritik ist bis heute die gleiche.
Kritik am neuen KSG
In Anlehnung an "nichts sehen", "nichts hören"," nichts sagen" ist jeder der drei Affen einer der Koalitionäre zugeordnet. Dem SPD-Affe verdeckt ein “Augen zu und Kanzler sein” die Sicht. Schließlich hat ausgerechnet der selbsterklärte Klimakanzler Olaf Scholz ermöglicht, dass die größte klimapolitische Errungenschaft seiner Partei entkernt wird. Die verbindlichen Jahresziele der einzelnen Sektoren werden abgeschafft. Statt den lange dokumentierten Rückstand etwa des Verkehrs beim Klimaschutz durch schnell umsetzbare Maßnahmen zu verkürzen, soll die Zielverfehlung jetzt erst in zwei aufeinanderfolgenden Jahren dokumentiert werden, bevor weiteres unternommen wird. Das bedeutet womöglich, dass Olaf Scholz’ Regierung in dieser Legislatur keinerlei weitere Schritte beim Klimaschutz unternimmt. Obwohl selbst nach offiziellen Zahlen bis zum Jahr 2030 etwa 200 Millionen Tonnen CO2 zu viel ausgestoßen werden – etwa ein Viertel dessen, was Deutschland derzeit in einem Jahr verursacht.
“Nie gehört!” steckt in den Ohren des FDP-Primaten. Von der Klimakrise und den nötigen Reaktionen darauf, scheinen die Liberalen nichts wissen zu wollen. Vom Ausstieg aus dem klimaschädlichen Verbrenner bis zum Abbau umweltschädlicher Subventionen – bei nahezu jedem klimarelevanten politischen Projekt stellt die FDP sich quer. Eigene Antworten, wie der CO2-Ausstoß schnell genug gesenkt werden kann, bleibt die Partei dabei schuldig. Der traditionelle FDP-Glaube an die regelnde Kraft des Markts ist ihnen selbst abhandengekommen. Als die Spritpreise nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine im vergangenen Jahr durch die Decke gingen, war es die FDP, die auf einen Tankrabatt drang. Auch das zweite FDP-Mantra, die regelmäßig beschworene “Technologieoffenheit”, ist eine gefährliche Nebelkerze. Es suggeriert einfache Lösungen, etwa bei der Diskussion über E-Fuels, die auch auf Dauer nicht in größeren Mengen und wenn, dann nur sehr teuer zu haben sein werden. Das führt zu Fehlinvestitionen und bremst Klimaschutz aus. Damit spielt die FDP die Risiken der Klimakrise herunter, statt aus ihrer langjährigen Klientelpolitik eine moderne Definition von Freiheit zu entwickeln.
Die Grünen wiederum haben viel geredet, aber zu wenig erreicht, wie es ein Schild über einem Affenmund ausdrückt. Die Partei kann ihr Versprechen, die Klimaschutzziele einzuhalten, nicht halten. Sie knickt bei zu vielen Themen ein. Das begann bereits in ersten Verhandlungen zwischen den Ampel-Parteien. Das Verkehrskapitel im Koalitionsvertrag etwa enthielt keinerlei wirksame Klimamaßnahmen und bis heute halten die Grünen sich im Verkehr, dem Sorgenkind beim Klimaschutz, weitgehend zurück. Den früh angekündigten und bislang völlig wirkungslosen Dialogprozess zur Verkehrsinfrastruktur etwa überlassen sie vollständig der FDP. Auch die jetzt in der Ampel beschlossene Schwächung des Klimaschutzgesetzes deutete sich bereits im Koalitionsvertrag an, also mit grüner Zustimmung. Die Liste lässt sich fortsetzen.
“Die Ampel hat Fortschritt versprochen, aber mit diesem Gesetz wirft sie den Klimaschutz zurück”, kommentiert Greenpeace-Klimaexperte Benjamin Stephan das neue Klimaschutzgesetz. “Olaf Scholz' Regierung schafft es nicht, die eigenen Klimaziele einzuhalten und das liegt maßgeblich am Verkehr. Doch ausgerechnet der FDP-Verkehrsminister soll sich jetzt zurücklehnen dürfen. Das ist eine Farce. Wir brauchen jetzt wirksame Maßnahmen, um die Menschen vor der Klimakrise zu schützen.”