Petersberger Klimadialog 2024 - Das Klima-Dilemma des Olaf Scholz
- Ein Artikel von Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland
- mitwirkende Expert:innen Martin Kaiser
- Meinung
Anlässlich des Petersberger Klimadialogs (der die jährliche Klimaschutzkonferenz vorbereitet), fordert Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, mehr Geld für Klimaschutz.
Bundeskanzler Scholz steht diese Woche vor einem doppelten Dilemma. Frühlingshafte Temperaturen schon im Winter, bereits im März und April jagte ein Temperaturrekord den nächsten, die globale Temperatur war erstmals über 1,5 Grad Celsius angestiegen.
Ein Alarmsignal aus der Klimaphysik folgt dem nächsten, Wetterextreme werden für Menschen ein reales Problem. Statt mehr für den Schutz des Klimas zu tun, antwortet die Regierung Scholz damit, die Rechtsverbindlichkeit des Klimaschutzgesetzes aufzuweichen. Seit den Bauernprotesten lässt sich verfolgen, wie Parteien und die EU Kommission vor immer neuen Interessengruppen einknicken. In der Folge werden ökologische Sicherungssysteme abgeschafft, die unser Überleben sichern.
Mit Putins Angriffskrieg in der Ukraine, die damit einhergehenden geopolitischen Neuordnung und der militärische Konflikt im Nahen Osten beschreiben Scholz` zweites Dilemma. Weltweit wird in einem Maße militärisch aufgerüstet, wie wir es seit über 30 Jahren nicht mehr erlebt haben. Sicherheitspolitik wird vor allem militärisch definiert. Und das kostet sehr viel öffentliches Geld. Geld in einer Zeit, in der der Bundesfinanzminister seine Politik auf die Einhaltung einer politisch definierten, dann gesetzlich verankerten Schuldenbremse reduziert. Dabei ist nach Ansicht führender Wirtschaftsinstitute gerade jetzt die Zeit, zu investieren. Denn Investitionen in die ökologische Transformation und den sozialen Zusammenhalt sind Garanten für unsere funktionierende Demokratie. Aber dafür braucht es Geld und finanziellen Spielraum.
Die Frage ist also: Lässt Scholz seinen Finanzminister mit seiner ideologischen Fiskalpolitik gewähren? Denn der von Christian Lindner eng gesteckte finanzielle Rahmen stellt ein Sicherheitsrisiko dar. Oder organisiert der Bundeskanzler den finanziellen Spielraum, damit Deutschlands Sicherheit auch an der existenziellen Klimafront, der global eskalierenden Klimakrise und Naturkrise herstellen kann?
Scholz-Rede beim Petersberger Klimadialog
Diese Woche wird Bundeskanzler Olaf Scholz beim Petersberger Klimadialog sprechen. Vor über 40 Länder-Minister:innen wird der Bundeskanzler der noch immer stärksten Volkswirtschaft Europas eine Antwort geben müssen, wie die Weltgemeinschaft die globalen CO2-Emissionen absenken kann. Und sie erwarten Antworten, wie dabei diejenigen Länder finanziell unterstützt werden können, die am wenigsten zum Klimachaos beitragen haben, aber am meisten darunter leiden. Denn waren die humanitäre Katastrophe und die volkswirtschaftlichen Kosten im Ahrtal immens, so sind und werden die globalen Folgen des fossilen “Weiter so” verheerend sein.
Olaf Scholz muss also im internationalen Klimaschutz eine Führungsrolle einnehmen und seiner Verantwortung nachkommen, indem er die Sicherheitspolitik neu und breiter definiert. Dazu sollte er in seine eigenen Beschlüssen zur nationalen Sicherheitsstrategie nachlesen:
Deshalb reicht es nicht aus, eine Sicherheit nur durch militärische Aufrüstung herstellen zu wollen, sondern es braucht eine starke Entwicklungszusammenarbeit sowie eine starke Klimaaußenpolitik. Und für all dies ist das Austeritätsdogma von Christian Lindner Gift.
Sicherheit braucht Klimaschutz
Eine mit der nötigen Breite angelegte Sicherheitsarchitektur braucht eine solide Finanzierung. Diese sollte Scholz durch ein Sondervermögen Klimaschutz für nationale, aber eben auch internationale Transformation und Krisenabsicherung bereitstellen. Zur Finanzierung könnte national eine kluge, ökologisch ausgestaltete Vermögenssteuer die notwendigen Summen generieren. International braucht es europäische und internationale Steuern, durch die Konzerne - allen voran die Öl- und Gasindustrien und Fluggesellschaften - sowie das reichste ein Prozent der Weltbüger:innen, die eine überproportionale Schuld an der Klimakrise haben. Als damaliger Finanzminister hatte sich Olaf Scholz für eine Öffnung der EU für gemeinsame Steuerinstrumente beim Green Deal stark gemacht. Jetzt sollten diese Instrumente durch sein diplomatisches Geschick auch durchgesetzt werden. Konsequenterweise sollte Olaf Scholz diese Woche beim Petersberger Klimadialog die Entschuldung von hochverschuldeten Ländern des globalen Südens einfordern.
Eine starke Entwicklungspolitik für Nachhaltigkeit und Klimaschutz, das Einhalten von internationalen Vereinbarungen und Zusagen waren bis dato sozialdemokratische Selbstverständlichkeiten. Eine Außenpolitik, die auf Kooperation und wirtschaftliche Zusammenarbeit setzt, wurde durch sozialdemokratische Visionäre wie Willy Brandt geprägt. Olaf Scholz hätte also in wenigen Tagen die Chance, sich mit seiner Rede vor Klimaschutzminister:innen aus aller Welt dort einzureihen. Dazu wäre es notwendig, die bereits zugesagten 6 Mrd. Euro internationaler Klimagelder, die in der Haushaltsdebatte drohen zu wackeln, erneut zu bestätigen und einen Weg aufzuzeigen, wie die an der Klimakrise verantwortlichen Länder deutlich mehr für die Unterstützung derjenigen Menschen aufbringen, die schutzlos dem Klimachaos ausgeliefert sind. Denn ohne Klimagelder und Entschuldungsinitiative werden Länder des globalen Südens unseren fossilen, in die Klimakrise führenden Lebensstil nachzeichnen - und sich ebenso in einer Abhängigkeit von meist autokratischen Ölstaaten wiederfinden. Wohin das führt, zeigt unsere Abhängigkeit von Putins fossilen Gas und die Ölabhängigkeit vom Nahen Osten. Sicherheitspolitik muss in der Klimakrise neu geprägt werden. Dafür braucht es Führungsverantwortung vom Bundeskanzler! Und zwar jetzt!