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Etwa 200-300 Tonnen Erdöl sind bereits ausgeflossen und bilden einen Ölteppich auf der Nordsee. Shell schätzt die Größe zunächst auf etwa 26 Quadratkilometer ein - eine Fläche, die etwa sechsmal so groß ist wie der Englische Garten in München. Rund zwei Wochen nach dem Unfall soll dieser auf 6,7 Quadratkilometer geschrumpft sein.
Jörg Feddern, Ölexperte bei Greenpeace, hat sich bei einem Überflug einige Tage nach dem Unfall ein Bild von der Lage machen können und berichtet: Wir konnten aus der Luft tatsächlich eine Ölfahne feststellen, die relativ frisch war. Einige Tage sah es so aus, als ob Shell den Ölaustritt keineswegs unter Kontrolle hat. Tatsächlich musste der Konzern am 16. August eine zweite undichte Stelle bekanntgeben. Das Öl suche sich nun über ein kleineres Loch einen Weg, heißt es ominös aus der Zentrale. Nun sei das entsprechende Ventil geschlossen.
Jeder Liter Öl zu viel
Wie bei der Ölkatastrophe der Deepwater Horizon weiß nur die Ölfirma selbst, wie viel Öl tatsächlich ausgeflossen ist. Bei Shell geht man von etwa 300 Tonnen aus - eine vergleichsweise geringe Menge. Maximal sollten 860 Tonnen ausfließen können, schätzt Shell. Wenn diese Angaben stimmen, wäre das Ausmaß nicht zu vergleichen mit dem Desaster der Deepwater Horizon. Dort sind 660.000 Tonnen Öl ausgeflossen, erklärt Feddern. Trotzdem ist jeder Liter Öl im Meer ein Liter zu viel. Öl ist ein Giftstoff, der die Meeresumwelt erheblich schädigen kann.
Im Gegensatz zu BP im Golf von Mexiko verzichtet Shell derzeit darauf, Chemikalien einzusetzen, um den Ölteppich aufzulösen. Wartet man einfach ab? Als ich die Unfallstelle überflogen habe, lagen dort zwei große Schiffe in der Nähe der Ölfahne. Diese Schiffe sind dafür ausgerüstet, Material herunterzulassen, um auf dem Meeresboden technische Geräte zu reparieren, erzählt Feddern. Ölsperren oder Ölbekämpfungsschiffe habe er allerdings nicht ausmachen können. Der Grund: Shell erwartet, dass die mechanischen Wellenbewegungen das Öl auf natürliche Weise zersetzen und der Ölfilm nicht die Küste erreiche. Das sei zwar richtig, bestätigt der Greenpeace-Experte, aber es ist genau der falsche Weg. Wenn jemand einen Schaden verursacht, muss er auch dafür aufkommen und ihn beseitigen.
Mangelnde Informationspolitik
Dieser Vorfall in der Nordsee zeigt deutlich, dass schwere Ölunfälle auch bei uns möglich sind, stellt Feddern klar. Er kritisiert die mangelnde Informationspolitik: Die Betreiber müssen endlich verpflichtet werden, ihre Notfallpläne für derartige Unfälle öffentlich darzulegen, fordert Feddern. Nur so sei überprüfbar, ob wirklich alles Erdenkliche unternommen werde, um Katastrophen größeren Ausmaßes zu verhindern. Die betroffene Plattform Gannet Alpha bohrt in etwa 100 Meter Tiefe. Sie liegt rund 180 Kilometer vor der schottischen Küste. Das Ölfeld beutet Shell gemeinsam mit dem Ölkonzern Esso, der zum US-Riesen Exxon gehört, aus.
Ein öffentlicher Notfallplan fehlt allerdings auch bei den geplanten Testbohrungen in der Arktis. Shell hat im August erst den Zuschlag bekommen und darf 2012 rund 30 Kilometer vor der Küste der North Slope von Alaska bohren. Ein gefährliches Unterfangen, denn eine Ölkatastrophe im besonders sensiblen Ökosystem der Arktis wäre kaum händelbar.
Schleichende Verschmutzung ist Alltag
Der Shell-Unfall ist keine Ausnahme: Immer wieder kommt es auf den rund 400 Förderanlagen in der Nordsee zu Zwischenfällen, weil die teils veraltete Technik versagt, erklärt Feddern. Im Schnitt ereignen sich in Nordsee und Nordatlantik jährlich etwa 450 Unfälle - Tendenz steigend. Genau überprüfen kann das niemand, denn die Plattformbetreiber müssen nicht jeden Unfall melden. Aber auch ohne Zwischenfall sorgt die Ölindustrie für eine schleichende Verschmutzung der Meere. Greenpeace dokumentiert bei Überflügen regelmäßig kleinere Ölteppiche um die Bohrplattformen. Der Grund: Schon durch den ganz alltäglichen Förderbetrieb gelangen jährlich etwa 10.000 Tonnen Öl in die Nordsee.
#16 Ölleck in der Nordsee - GreenBites, der Podcast von Greenpeace