Jetzt spenden
zwei Schlauchboote mit Aktivist:innen auf der Ostsee, im Hintergrund das Schiff

Marode Öltanker gefährden Ostseeküste

Label
Einmalig
Label
Monatlich
Standardintervall
Monatlich

Gefahr durch Schattenflotte: Russische Ölexporte mit veralteten Tankern bedrohen die Ostseeküste. Greenpeace warnt vor möglicher Ölpest. 

Die Gefahr passiert täglich die beliebtesten Strände. Nur wenige Kilometer sind es von spielenden Kindern, tobenden Hunden und Tourist:innen in Strandkörben zu den Tankern der russischen Schattenflotte auf der Ostsee. Rund 1000 Mal pro Jahr fahren Schiffe mit Rohöl beladen an der deutschen Küste vorbei. Mitunter lassen sich die schrottreifen Kolosse von Warnemünde oder Kühlungsborn aus sogar mit dem Fernglas beobachten. 192 Tanker der Flotte sind besonders marode und gefährlich. Mit den Schiffen hält Russland seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine und dem Beginn der EU-Sanktionen seine Ölexporte aufrecht und finanziert so auch den Krieg gegen die Ukraine.

Was sind Schattenflotten

Kurz erklärt

Text

Der Begriff „Schattenflotten” bezeichnet Schiffe oder ganze Flotten, die im Verborgenen – im Schatten – operieren und so ihre Aktivitäten verbergen oder verschleiern. Damit umgehen diese Schiffe Vorschriften. Eine Schattenflotte ist in der Regel an illegalen Aktivitäten wie Überfischung, Schmuggel oder dem Umgehen von Sanktionen beteiligt.

Die Tanker der russischen Schattenflotte sind oft alt und in schlechtem Zustand. Viele Tanker sind unzureichend versichert, sodass unklar bleibt, wer im Ernstfall für Schäden aufkommt. Teilweise sind nicht einmal aktuelle Seekarten an Bord.

Die gefährlichsten Schiffe der russischen Schattenflotte hat Greenpeace gelistet. Mit dieser Liste könnte die Bundesregierung sofort tätig werden und die Sicherheit für die Ostsee verbessern. Es geht um 192 marode Tanker, die weltweit Öl aus Russland transportieren und die Umwelt bedrohen. 171 davon sind in den vergangenen zwei Jahren einmal oder öfter durch die deutsche Ostsee und das Seegebiet der Kadetrinne in der Mecklenburger Bucht gefahren. Im Greenpeace Datenportal gibt es weitere Informationen zur Liste und den zugrundeliegenden Kriterien.

Zwar hat die Europäische Union am 16. Dezember 2024 eine Sanktionsliste für Tanker der Schattenflotte erweitert – so weit so gut, diese reicht jedoch bei weitem noch nicht aus. Von der Greenpeace-Liste wurden nur acht Schiffe übernommen, die restlichen Tanker werden auch weiterhin durch die Ostsee fahren können. 

Die Schattenflotte beschäftigte auch die Umweltminister:innen der Bundesländer Ende November 2024. Käme es auf der Ostsee zu einer Ölkatastrophe, müssten Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern die Aufräum- und Reinigungsarbeiten organisieren. Auch mit den negativen Folgen für den Tourismus wären die Länder direkt konfrontiert. Deshalb war der künftige Umgang mit der Schattenflotte auch Thema auf der Umweltministerkonferenz (UMK) im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler. Greenpeace- Aktive forderten dort ein starkes Signal von der UMK an die Bundestregierung. Diese müsse muss mindestens die gefährlichsten 192 Schiffe auf die europäische Sanktionsliste setzen. Vor dem Konferenzgebäude schichteten die Protestierenden 14 Ölfässer auf und wiesen mit einem Banner “Öl tötet!” auf die Gefahren der Schattenflotte hin.

Protest gegen russische Schattenflotte mit Ölfässern und einem Banner "Öl tötet"

Greenpeace-Aktive setzen sich bei der Umweltminister:innenkonferenz am 29. November 2024 für Maßnahmen gegen die gefährlichen Tanker ein

Recherche belegt: Risiko einer Ölkatastrophe ist gestiegen

Eine Datenrecherche von Greenpeace zeigt, dass viele der Tanker dabei Naturschutzgebiete wie die Kadetrinne und den Fehmarnbelt kreuzen. Die Analyse belegt zudem: Während der gesamte Schiffsverkehr auf der Route seit Kriegsbeginn rückläufig ist, haben die russischen Rohölexporte erheblich zugenommen: Seit Januar 2021 stiegen die Fahrten von Öltankern um 70 Prozent. Gleichzeitig wurden die eingesetzten Schiffe im Schnitt immer älter. Lag das Durchschnittsalter der Tanker 2021 noch bei 8,9 Jahren, stieg es auf 16,6 Jahre im Jahr 2024. 

Damit die Gefahr auch im politischen Berlin wahrgenommen wird, protestieren am 25. September zehn Greenpeace-Aktivist:innen auf der Ostsee vor Rostock/Warnemünde. Auf Schlauchbooten demonstrieren sie mit dem Banner „Oil kills“ gegen die vorbeifahrende “Seagull”. Der 250 Meter lange Tanker hat russisches Rohöl geladen, fährt unter der Flagge der Cook Islands und ist auf dem Weg nach Indien. Das 2003 gebaute Schiff ist in der Vergangenheit durch technische Mängel am Feuerlöschsystem und an Rettungsmitteln aufgefallen.

Die “Seagull” steht symptomatisch für die russische Schattenflotte. Alle Tanker sind  überaltert, viele weisen technische Mängel auf, haben zeitweise ihr automatisches Identifizierungssystem abgeschaltet oder Ladung auf See an andere Tanker übergeben – ein besonders riskantes Manöver. Bei einer Havarie in der Kadetrinne wäre die gesamte deutsche Ostseeküste in Gefahr.

Portrait Thilo Maack
Die deutschen Küsten sind bedroht, allein heute fahren hier vier weitere dieser potentiellen Ölkatastrophen entlang und bedrohen Seevögel, Schweinswale und das gesamte Ökosystem.

Thilo Maack

Meeresbiologe

Portrait Thilo Maack
Zitat
Die deutschen Küsten sind bedroht, allein heute fahren hier vier weitere dieser potentiellen Ölkatastrophen entlang und bedrohen Seevögel, Schweinswale und das gesamte Ökosystem.
Zitatinhaber, Vorname Nachname
Thilo Maack
Position des Zitatinhabers
Meeresbiologe

Havarie würde Warnemünde, Fehmarn und Damp mit einer Ölpest bedrohen

Um das Ausmaß einer Ölkatastrophe greifbar zu machen, haben Greenpeace-Aktive mit Peilsendern bestückte Bojen auf dem Wasser ausgesetzt - dort, wo viele russische Öltanker fahren. Zwei Bojen trieben binnen kurzer Zeit an Warnemünde vorbei und weiter zur Insel Fehmarn. Eine von ihnen erreichte nach ein paar Tagen die schleswig-holsteinische Küste bei Damp. Das Experiment zeigt: Käme es durch einen Tanker der russischen Schattenflotte zu einer Ölkatastrophe, wären weitreichende Gebiete betroffen, darunter zahlreiche Natur- und Vogelschutzgebiete an beliebten deutschen Ostseestränden.

Alle Tanker sind  unzureichend gegen die Folgen einer Ölpest versichert – für die Beseitigung von Schäden müssten dann alle, die Steuerzahlenden, aufkommen. “Es ist höchste Zeit, dass die von Greenpeace gelisteten Schiffe direkt auf die Sanktionsliste kommen und die Meere sicherer werden”, sagt Maack. “Schiffe, die auf einer Sanktionsliste stehen, können ihre Ladung nicht mehr gegen US-Dollar verkaufen und fallen damit aus dem internationalen Ölhandel aus. Zudem dürfen die sanktionierten Tanker keine europäischen Häfen mehr anfahren.”

Das Bild zeigt einen Rohöltanker aus Russland in der Kadetrinne

Wer auf Darß-Zingst oder Fehmarn Urlaub macht und ein gutes Fernglas dabei hat, kann sie zählen: die maroden, schlecht versicherten Tanker, die Russland für seine Ölexporte nutzt.

mehr erfahren

Maßnahmen zum Schutz vor Ölpest notwendig

Die Gefahr durch russische Öltransporte ist durchaus bekannt. In Deutschland machen sich viele Menschen Sorgen um die Sicherheit vor der deutschen Ostseeküste. Laut einer repräsentativen Umfrage von Verian vom 25. bis 27. September, die Greenpeace in Auftrag gegeben hat, befürworten 87 Prozent der 1005 Befragten eine Lotsenpflicht. Viele Tanker fahren derzeit ohne ortskundige Unterstützung durch schwer zu navigierende Gebiete mit hohem Verkehrsaufkommen. 84 Prozent der Befragten befürworten ein Verbot der Durchfahrt für Tanker, die nicht ausreichend versichert sind, um für die Schäden eines Ölunfalls aufzukommen. Den Transport von russischem Öl mit Tankern entlang der deutschen Küste sehen 71 Prozent als großes und sehr großes Problem an.

“Die Bundesregierung hat die Pflicht, die Küsten vor einer Ölpest zu schützen", sagt Thilo Maack, Meeresbiologe von Greenpeace. Wir fordern eine Lotsenpflicht, um eine sichere Passage durch viel befahrene Routen zu gewährleisten, ausreichenden Versicherungsschutz der Tanker und Belege für ihre Seetauglichkeit.”  

>>> Die Arbeit zu alten Öltankern geht weit zurück. So dokumentierte Greenpeace etwa im Jahr 2003 die Gefahr für die Ostseeküste und in den Jahren 2001 und 2002.

Jetzt mitmachen

Du willst Teil der Energiewende sein?

Menschen stellen die Energiewende dar - von der Atomkraft zur Windkraft 15.04.2011

Dann besuche in unserer Mitmach-Community Greenwire die Energiewende-Themengruppe und tausche dich mit Anderen aus, finde weitere Mitmachangebote und erfahre mehr über unsere Kampagnen.

Hier lang zur Themengruppe-Energiewende

Themengruppe auf

Menschen stellen die Energiewende dar - von der Atomkraft zur Windkraft 15.04.2011

Mehr zum Thema

Havarierter Öltanker Eventin vor Rügen
  • 13.01.2025

Donnerstag- bis Freitagabend trieb der Öltanker „Eventin” manövrierunfähig vor der Küste Rügens – beladen mit 99.000 Tonnen russischem Rohöl.

mehr erfahren
Brennender Tanker "Annika" von oben
  • 11.10.2024

Am Freitagmorgen geriet der Öltanker "Annika" vor der Ostseeküste in Brand, es drohte eine Umweltkatastrophe. Dieser Brand verdeutlicht einmal mehr, wie sehr Tanker die sensiblen Ökosysteme bedrohen.

mehr erfahren
Nach der Havarie des Öltankers Prestige vor der galicischen Küste Spaniens

Öltanker transportieren mehr als die Hälfte des geförderten Rohöls über die Weltmeere. Obwohl die Schiffe seit 2010 Doppelhüllen haben müssen, passieren immer wieder Unfälle.

mehr erfahren
Rally against Corporations Trying to Sue Critics into Silence in Oakland

Die Geschichte der SLAPP-Klage von Energy Transfer gegen Greenpeace in den USA - und welche Rolle sie weltweit spielt.

mehr erfahren
In einem letzten Gefecht kletterten die Demonstranten auf den 125 m langen Fackelausleger der Plattform und schwenkten ein Transparent mit der Aufschrift „Bohren stoppen“. Fangen Sie an zu bezahlen.“ Unterdessen segelten fünf weitere Aktivisten unter der Leitung von Yeb Saño, Executive Director von Greenpeace Südostasien, an Bord des 8 Meter langen Tanker Tracker-Bootes von Greenpeace Nordic aus, um das 51.000 Tonnen schwere White Marlin-Schiff abzufangen, das von Shell unter Vertrag genommen wurde, als es
  • 09.11.2023

Vergangenen Februar protestierten Greenpeace-Aktivist:innen friedlich auf einer Shell-Ölplattfrom gegen Umweltzerstörung. Shell legt nun Einschüchterungsklage vor.

mehr erfahren
Canadian Activists Want 'Arctic 30' Home for the Holidays

2013 werden 28 Greenpeace-Aktivist:innen und zwei freie Journalisten für ihren friedlichen Protest gegen Ölbohrungen vor der Küste Russlands wochenlang inhaftiert. "Zu unrecht", urteilt die EU 2023.

mehr erfahren