Gutachten von Greenpeace: Ölbohrungen im Watt nicht rechtens
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Darf der Konzern Dea im Wattenmeer nach Öl bohren? Der gesunde Menschenverstand sagt Nein: Der Nationalpark beherbergt eine beispiellose Artenvielfalt, ein Unfall hätte verheerende Folgen für Tiere und Landschaft. Doch rechtlich ist das eben nicht ganz so eindeutig – oder so schien es zumindest.
Bereits 2007 hatte der Ölkonzern (damals noch RWE Dea) Anträge auf Erkundungsbohrungen im Wattenmeer gestellt, über die der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck nun zu entscheiden hat. Weil zu dem Zweck erst eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, könnte dieser Vorgang noch Jahre dauern. Ein neues, von Greenpeace in Auftrag gegebenes Gutachten kommt nun zu dem Schluss: Habeck muss das Ergebnis der Prüfung überhaupt nicht abwarten. Die Faktenlage ist so eindeutig, dass er die Pläne schon jetzt ablehnen kann.
Keine Ausnahme für Dea
Im schleswig-holsteinischen Nationalparkgesetz gibt es nämlich bestimmte Schutzvorgaben, die unbedingt einzuhalten sind. Entscheidend ist hier der Paragraph 5 (1), nach dem alle Handlungen unzulässig sind, die „zu einer Zerstörung oder Beschädigung führen können“. Weiter heißt es, dass Ausnahmen von dieser Schutzbestimmung nur dann zugelassen werden können, wenn mit den Bohrungen „keine erheblichen Beeinträchtigungen“ verbunden sind.
Damit müsste das Thema Ölbohrungen im Nationalpark bereits vom Tisch sein, befindet die heute veröffentlichte Rechtsexpertise. Beeinträchtigungen, wie sie unter Einhaltung der Schutzvorgaben zu vermeiden sind, wurden bereits bei einer Vorprüfung zur Umweltverträglichkeit festgestellt. Alleine, dass die Möglichkeit eines Ölunfalls besteht, schließt eine Ausnahmeregelung rechtlich bereits aus, so die Ansicht von Dr. Roda Verheyen, die das Gutachten erstellt hat.
Der Minister ist am Zug
Jörg Feddern, Greenpeace-Experte für Öl, sieht den schleswig-holsteinischen Umweltminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) nun am Zug: „Das Gutachten ist eine Gelegenheit für den Minister, dieses einzigartige Ökosystem vor dem Zugriff der Ölindustrie zu schützen.“ Im November überreichte Greenpeace ihm in Kiel rund 24.000 Unterschriften von Touristen und Küstenbewohnern gegen die geplanten Ölbohrungen im Wattenmeer. Den Sommer über hatten Greenpeace-Aktivisten mehrfach auf die Problematik von Ölbohrungen hingewiesen, unter anderem mit einer Informationstour des Schiffs Beluga II entlang der Nordseeküste sowie einem Protest direkt an einer der geplanten Bohrstellen im Nationalpark.
Das Risiko, das Dea mit den Bohrungen in Kauf nimmt, steht in keinem Verhältnis zur möglichen Ausbeute: In den Ölfeldern, die der Konzern unter dem Watt vermutet, lagern rund 20 Millionen Tonnen Erdöl – eine Menge, die den aktuellen Bedarf in Deutschland gerade einmal zwei Monate decken würde. Ein Beitrag zur Versorgungssicherheit ist das nicht.
Damit stehen die wirtschaftlichen Interessen eines einzelnen Konzerns schwerwiegenden Umweltschutzbedenken entgegen. Vor diesem Hintergrund scheint eine Genehmigung der Bohrungen nahezu aussichtslos. Habeck täte Dea mit der vorzeitigen Ablehnung vermutlich sogar einen Gefallen: Ein frühes Aus ersparte dem Konzern die weiteren Planungsschritte für ein Projekt, das ohnehin nicht verwirklicht würde.