Protest gegen Lützerath-Räumung
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Trotz des Protests zehntausender Menschen, trotz tagelanger mutiger Aktionen tapferer Klima-Aktivist:innen ist Lützerath nun geräumt. Der Abriss schreitet schnell voran. Doch die Wahrheit bleibt bestehen: Will Deutschland seinen Beitrag dazu leisten, dass die Welt die Erderhitzung auf 1,5 Grad begrenzt, darf die Kohle unter Lützerath nicht mehr verbrannt werden.
Lützerath ist abgeriegelt, Zäune und Polizeikräfte verhindern jedes Durchkommen. Obwohl am Wochenende nochmal mehrere zehntausend Menschen in ganz Deutschland dagegen protestiert haben, schreitet der Abriss des Dorfes schnell voran. Die letzten Klima-Aktivist:innen haben den Tunnel verlassen, der Ort ist nun geräumt. Um zügig Tatsachen zu schaffen, werden Baumhäuser, Gehöfte und Scheunen abgerissen, die Bäume gefällt und der Ort dem Erdboden gleichgemacht. Doch das Klima interessiert keine politischen Deals. Soll das Klimachaos verhindert werden, darf die Kohle unter Lützerath nicht mehr verbrannt werden.
2023: Lützi muss bleiben!
Video: Das war die Demo am 14. Januar
Klimaminister Habeck (Grüne) hatte dennoch im Oktober 2022 verkündet, dass Lützerath abgebaggert werden soll. Zum Ausgleich soll der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werden. Zwischen Berlin und Lützerath in Nordrhein-Westfalen liegen rund 600 Kilometer, aber man könnte meinen, die beiden Orte trennten Welten: In der Hauptstadt rückt der Stellenwert von Klimaschutz in der rot-grün-gelben Ampel-Regierung immer weiter nach hinten, während im Rheinischen Braunkohlerevier noch Energiepolitik aus dem vergangenen Jahrhundert betrieben wird – als hätte nie jemand davon gehört, dass Kohlestrom das Klima verheizt. Als hätten nicht auch gerade erst die Zahlen aus 2022 einmal mehr gezeigt, wie wenig Kohleverstromung mit Klimaschutz vereinbar ist - durch die Rückwärtsrolle bei der Kohle hat Deutschland einmal mehr seine Klimaziele verfehlt.
Ausgerechnet die Grünen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur haben in einem Eckpunktepapier zum Kohleausstieg gemeinsam mit RWE-Chef Markus Krebber das Abbaggern eines weiteren Dorfes am Tagebau Garzweiler besiegelt. Zwar verkündeten Grüne und RWE einstimmig ein Vorziehen des Kohleausstiegs im Rheinland auf das Jahr 2030, doch der darin vorgestellte Kohleausstiegpfad hält nicht, was er verspricht: Der Beschluss spart fast kein CO2 ein und lässt nahezu alle Kraftwerke bis 2030 durchlaufen. Damit wird Deutschland weder seine Sektorziele einhalten noch eine mit der 1,5 Grad-Grenze kompatible Politik machen. Klimaexperte Karsten Smid kritisiert den Schulterschluss zwischen den Grünen und RWE in der Braunkohle- Politik:
Live aus Lützerath: Die Rede von Greta Thunberg
Wie die Bundesregierung jetzt den Kohleausstieg beschleunigen muss
Greenpeace fordert von der Bundesregierung ein klimapolitisches Nachsteuern, um zu verhindern, dass eine hohe Auslastung von Kohlekraftwerken bis 2030 die Klimaziele gefährdet. Indem Schwarz-Grün auf Landesebene und die Ampel auf Bundesebene Lützerath durch RWE zum Abbaggern freigeben, verraten sie das Pariser Klimaabkommen. Denn die Kohle unter dem Dorf Lützerath spielt eine zentrale Rolle für den Kohleausstieg 2030 im Rheinland. Deswegen streitet Greenpeace in Lützerath weiter für einen echten Kohleausstieg – im Rheinischen Revier und in den östlichen Bundesländern.
Der Energiekonzern RWE will das Dorf Lützerath zerstören, um den Braunkohletagebau Garzweiler zu erweitern und die Kohle unter dem Ort zu fördern. Die Abrissbagger können seit Oktober jederzeit anrücken. Fünf weitere Dörfer am Tagebau sind gerettet. Doch wäre Lützerath weg, könnten sich die Bagger des Kohlekonzerns kilometerweit in die Landschaft graben – für 280 Millionen Tonnen zusätzliche Braunkohle aus dem Tagebau Garzweiler. Für die voranschreitende Erderhitzung ist dieses Vorhaben ein Debakel: Wird die Kohle unter den Garzweiler-Dörfern verbrannt, sind die Pariser Klimaziele für Deutschland nicht einzuhalten. Die 1,5-Grad-Grenze verläuft vor Lützerath – das hat eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung belegt.
Deshalb fordert Greenpeace:
⦁ Damit Deutschland seinen Beitrag zum 1,5 Grad-Ziel einhält, muss die Kohle unter Lützerath im Boden bleiben! Die Landesregierung muss mit RWE ein Räumungsmoratorium für Lützerath vereinbaren. Statt auf eine unnötige Eskalation der Situation unter Gefährdung von Menschenleben zu setzen, sollten Gespräche für eine friedliche Lösung vereinbart werden.
⦁ Wo Kohleausstieg 2030 drauf steht, muss auch CO2-Einsparung drin sein! Die Bundesregierung muss für einen stetigen Ausstieg aus der Braunkohlenverstromung sorgen. Und auch für die Kohlekraftwerke in Ostdeutschland braucht es einen verbindlichen Kohleausstiegspfad bis 2030.
⦁ Die Braunkohle unter Lützerath wird auch in der aktuellen Krisensituation nicht benötigt. Versorgungssicherheit braucht Investitionen in erneuerbare Energien. Für 100 Prozent Sonne und Wind! Die Zukunft ist Erneuerbar.
RWE versucht am Tagebau Garzweiler Fakten zu schaffen. Doch Deutschland und die Welt können sich die Klimaschäden durch die rheinische Braunkohle nicht länger leisten.
Chronologie der Ereignisse:
21.Oktober 2021
Greenpeace-Aktivist:innen beziehen Position, im Wortsinne: Ein Mediencontainer ist ab sofort vor Ort, als Treffpunkt für Journalist:innen und logistische Unterstützung der vielen Klimaschützer:innen, die RWE in Lützerath die Stirn bieten. Hunderte Menschen verteidigen hier die 1,5-Grad-Grenze. Durch ihre Kraft wächst der Ort Tag für Tag zu einem Widerstandsdorf mit Baumhäusern in einem Protestcamp, jeden Sonntag kommen immer mehr Menschen zu den Dorfspaziergängen des Naturführers Michael Zobel, der den Menschen bereits im Hambacher Wald das Schützenswerte der Region aufgezeigt hat. “Dieser Ort hat eine besondere inspirierende Kraft”, sagt Bastian Neuwirth, Greenpeace-Experte für Klima und Energie. “Wer nach Lützerath kommt, merkt sofort: Hier entsteht etwas ganz Großes.”
Der Kampf um Lützerath wird zur selben Zeit auch juristisch ausgetragen. Der Bauer Eckardt Heukamp klagt gegen seine Enteignung. Bisher sieht es so aus, als säße RWE am längeren Hebel: Mit einer „vorzeitigen Besitzeinweisung“ will der Konzern seinen Hof ab November räumen und abreißen, obwohl seine eigene Klage noch gar nicht entschieden ist. Auch dagegen setzt Heukamp Rechtsmittel ein.
31.Oktober 2021
Im schottischen Glasgow beginnt heute die Weltklimakonferenz. 35 Greenpeace-Aktivist:innen nahmen den Beginn der Gespräche zum Anlass, mit einer symbolischen roten Linie zwischen der Ortschaft Lützerath und dem Braunkohletagebau Garzweiler gegen die drohende Zerstörung des Dorfes durch RWE zu protestieren. Auf der Landstraße 277 haben sie eine 150 Meter lange von Feuer gesäumte rote Stoffbahn ausgelegt. In der Mitte des Stoffs steht „1,5°C LIMIT“, auf Transparenten ist „1,5°C heißt: Lützerath bleibt!“ zu lesen. „In Glasgow wird verhandelt, in Lützerath entschieden“, sagt Bastian Neuwirth, Greenpeace-Experte für Klima. „Will Deutschland international Glaubwürdigkeit beweisen, muss die neue Bundesregierung beim Klimaschutz sofort liefern.“
28. März 2022:
Das Oberverwaltungsgericht Münster entscheidet gegen einen vorläufigen Räumungsstopp. Damit haben die Richter:innen dem Eilbeschwerdeverfahren des letzten Landwirts von Lützerath, Eckardt Heukamp, und der Mieter:innen des Dorfes gegen die vorzeitige Besitzeinweisung ihrer Grundstücke durch den Kohlekonzern RWE nicht entsprochen. Somit liegt die Entscheidung, ob das Dorf für die Braunkohle abgebaggert wird oder nicht, nun wieder bei der Politik. Karsten Smid, Klimaexperte von Greenpeace, fordert: „Damit Deutschland seine Klimaziele noch erreichen kann, müssen die NRW-Landesregierung und die Bundesregierung mit einem sofortigen Abriss–Stopp für Lützerath dafür sorgen, dass die Kohlevorkommen unter dem Ort nicht ausgebeutet werden und 900 Millionen Tonnen CO2 der Atmosphäre erspart bleiben. Der Braunkohleabbau ist entsprechend der 1,5-Grad-Grenze neu zu ordnen: Die Grenze für Kohlebagger muss vor Lützerath gezogen werden und nicht dahinter.“
25. April 2022:
Der Kohleprotest lebt. 4000 Menschen haben ein deutliches Zeichen für den Erhalt des Dorfes Lützerath gesetzt. Sie protestieren am 23. April friedlich für die Zukunft des Dorfes und gegen die Bagger von RWE, die sich täglich Meter für Meter an das Dorf heranfressen. Die Greenpeace-Jugend war auf der Großdemo mit vor Ort, um Solidarität zu zeigen und für den Erhalt von Lützerath und das 1,5 Grad-Limit zu kämpfen. Denn vor Lützerath verläuft die deutsche 1,5 Grad-Grenze. Lisa Göldner, Klima-Expertin bei Greenpeace, fordert: „Die Bundesregierung muss die Zerstörungswut von RWE jetzt stoppen! Die Kohle muss im Boden bleiben - für den Erhalt der 1,5 Grad-Grenze und für Klimagerechtigkeit.“
Und es geht weiter: Ein breites Bündnis von Klimaaktivist:innen, kritischen Aktionären und Umweltverbänden nimmtdie Hauptversammlung von RWE am 28.4. zum Anlass, den Protest gegen RWE vor die Konzernzentrale in Essen zu tragen und dort den internationalen ethecon Dead Planet Award an Vertreter:innen der RWE AG zu überreichen. Denn die vom neuen Konzernchef Markus Krebber verkündete RWE-Konzernstrategie „Growing Green“ ist nichts anderes als Greenwashing. Der von RWE viel beschworene Neuanfang mit erneuerbaren Energien verblasst im Schatten der dunklen Braunkohlevergangenheit.
Lützeraths letzter Landwirt: So kämpfte Eckardt Heukamp gegen Garzweiler für seine Existenz - Januar 2022
28. September 2022
Der Protest geht weiter. Greenpeace-Aktivist:innen fordern die zuständige Wirtschafts- und Klimaministerin Mona Neubaur (Grüne) auf, sich jetzt für den Erhalt des Dorfes Lützerath einzusetzen. Lützerath spielt eine zentrale Rolle für den Kohleausstieg 2030 in NRW.In der Debatte um den fossilen Ausstieg in NRW fehlte bis dato eine unabhängige Analyse, wie viel Braunkohle noch verstromt werden muss und wieviel Erdmassen für die Rekultivierung benötigt werden.
4. Oktober 2022
Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Die Grünen) und NRWs Wirtschafts- und Klimaministerin Mona Neubaur verkünden, dass NRW bis 2030 aus der Braunkohle aussteigen wird. Allerdings soll das Dorf Lützerath, um das Klimaaktivist:innen seit Jahren kämpfen, abgebaggert werden, „weil wir in der aktuellen Notlage die darunter liegende Kohle brauchen“, so Habeck.
Greenpeace Klimaexperte Karsten Smid kritisiert die Vereinbarungen der Grünen-Spitze mit RWE: “Kohleausstieg 2030 klingt ja erstmal toll. Das wäre ein Erfolg für die Klimabewegung, längst überfällig und begrüßenswert. Aber das symbolische Vorziehen des Kohleausstiegs auf das Jahr 2030 bringt nichts, solange sich nicht die Kohlemengen verringern. Es geht um die absolute Menge an Kohle, die noch in den Kraftwerken von RWE verfeuert wird. Um das 1,5 Grad-Limit nicht zu überschreiten, muss das Kohlegesetz diese stetige Verringerung der CO2-Abgase garantieren. Dann kann auch die Kohle unter Lützerath im Boden bleiben.”
Dass die Rechnung für den Klimaschutz nicht aufgeht, wird von Wissenschaftler:innen des DIW belegt. Laut Angaben des Düsseldorfer Wirtschafts- und Klimaministeriums könnte RWE bis 2030 noch 280 Millionen Tonnen Braunkohle im Tagebau Garzweiler abbaggern, dies entspräche durchschnittlich über 30 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2030. Laut DIW sind diese Mengen nicht mit dem Pariser 1,5 Grad-Klimaziel vereinbar.
14. Oktober 2022
Zum Start des Bundesparteitags der Grünen demonstrieren Greenpeace Aktivist:innen mit einem fünf Meter hohen “X”, dem Symbol des gewaltfreien Widerstands der Umwelt- und Klimabewegung, vor dem World Conference Center in Bonn. Sie fordern, dass RWE die klimaschädliche Braunkohle unter dem Dorf Lützerath am Tagebau Garzweiler nicht abbaggern darf. Alleine die in Aussicht gestellten Fördermengen von 280 Millionen Tonnen Braunkohle drohen das Emissionsbudget für Deutschland gemäß dem Pariser Klimavertrag zu sprengen. Auf dem Grünen Parteitag kommt es zu einer Kampfabstimmung. Die grünen Realos setzen sich mit einem denkbar knappen Ergebnis durch und beschließen das sinnlose Opfern des Widerstandsdorfes Lützerath für die Gewinnung der Braunkohle.
Wenige Tage später beginnt RWE damit, ein Windrad abzureißen, um das Vorfeld zu räumen und dort die klimaschädliche Braunkohle zu fördern. So zeigt sich in Lützerath die ganze Absurdität der aktuellen Energiepolitik.
12. November 2022
Während die Vereinten Nationen in Ägypten über mehr Klimaschutz debattieren, droht im Rheinland die Zerstörung vom Dorf Lützerath der 1,5 Grad-Grenze: Die Regierung hat mit dem Kohlekonzern RWE in einem Hinterzimmer-Deal vereinbart, allein im Tagebau Garzweiler noch weitere 280 Millionen Tonnen des Klimakillers Braunkohle fördern zu wollen. Sechs Mal mehr, als zulässig wäre, um die kritische 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Deshalb demonstriert ein breites Bündnis der Klimagerechtigkeitsbewegung in Lützerath.
8. Januar 2023
Nachdem kurz vorher RWE bekannt gibt, nun tatsächlich mit der Räumung und Abbaggerung zu beginnen, kommen am Sonntag, den 8. Januar noch einmal 8.000 Demonstranten nach Lützerath. Es wird der letzte Dorfspaziergang sein.
10./11. Januar 2023
Am 10. Januar riegelt RWE Lützerath mit einem Zaun von der Außenwelt ab. Am Morgen des 11. Januar beginnt die Polizei mit der Räumung der Klima-Aktivist:innen.
14. Januar 2023
Trotz Regen, Sturm und Kälte kommen mehr als 35.000 Menschen ins benachbarte Keyenberg, um gegen den Abriss von Lützerath und das weitere Verbrennen von Kohle zu demonstrieren. Was weder Poltiker noch RWE beindruckt. Die machen weiter, wie geplant.