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Protest am Atomkraftwerk Fessenheim
© Daniel Müller / Greenpeace

Störfall AKW Fessenheim 2014 war viel gravierender als gemeldet

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Medienrecherchen haben aufgedeckt, dass der Störfall im Atomkraftwerk Fessenheim vor zwei Jahren bedeutend schwerwiegender war als ursprünglich gemeldet. Damals flossen bei einer Überschwemmung rund 3000 Liter Wasser in wichtige Anlagenbereiche, weil ein Abfluss verstopft war. Das Wasser drang auch in die Ummantelung von Kabeln ein und setzte elektronische Schalteinrichtungen außer Kraft.

Es war ein Schreckensszenario mit unsicherem Ausgang. Der Schaden breitete sich auf mehrere Systeme aus, doppelt vorhandene Sicherheitseinrichtungen verloren ihre Schutzwirkung. Für mehrere Minuten war der Reaktor nicht mehr steuerbar. Auch die für einen solchen Notfall vorgesehene Maßnahme, den Reaktor mit Hilfe der graphithaltigen Steuerstäbe zu bremsen, versagte - die Steuerstäbe waren nicht mehr manövrierfähig. 

Säure als Notbremse

Der eilig einberufene Krisenstab nahm als letzte Möglichkeit eine „Notborierung“ vor. Borsäure neutralisiert Neutronen und wird in den Reaktorkern geleitet, um die Kettenreaktion zu ersticken, wenn nichts anderes mehr geht. Man spricht auch von einer Vergiftung des Reaktors. Die Säure ist sehr aggressiv und wird möglichst vermieden, um Korrosionsschäden gering zu halten. Es war das erste Mal, dass in Westeuropa ein Atomkraftwerk mit einer Borvergiftung notabgeschaltet werden musste.

Die mehrfach abgesicherten Systeme in Atomkraftwerken sollen genau solche Situationen verhindern. Doch das ist Theorie. Der Wasserschaden in den Steuerungs- und Notsicherheitssystemen von Fessenheim zeigt, wie verwundbar ein Atomkraftwerk tatsächlich ist. Besonders anfällig für schwere Störfälle sind die Uralt-Meiler, die häufig auch an der Grenze zu Deutschland liegen wie Tihange und Doel in Belgien oder der zweite Pannenreaktor Cattenom in Frankreich. Aus Sicherheitsgründen müssen diese tickenden Zeitbomben sofort abgeschaltet werden.   

Wasserdicht war nur die Öffentlichkeitsarbeit

Fast noch erschreckender als der Vorfall selber ist das Maß der Vertuschung, sowohl vonseiten des Betreibers EDF als auch vonseiten der französischen Atomaufsicht ASN. Nicht einmal die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), der jegliche Störfälle gemeldet werden müssen, wurde korrekt informiert. Diese Intransparenz, das gemeinsame Wegsehen und Verschweigen steigern die Risiken der Atomenergie noch einmal um ein Vielfaches. Wir müssen davon ausgehen, dass der Zwischenfall in Fessenheim nicht das einzige hoch gefährliche Vorkommnis in einem AKW ist, das zunächst nicht bekannt wurde.

Wie in Fessenheim, so in Fukushima

Ausbreitung von radioaktivem Cäsium bei einem Atomunfall im AKW Fessenheim

Auch in Fukushima spielte sich Ähnliches ab. Vielleicht hätte die Atomkatastrophe verhindert werden können, hätten nicht auch dort der Betreiber und die Atomaufsicht die bekannten Gefahren heruntergespielt. Spätestens seit 2008 war bekannt, dass das Kraftwerk nicht ausreichend gegen Tsunamis gesichert war. Doch weder der Betreiber TEPCO noch die Atomaufsicht NISA waren bereit, echte Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Sie sorgten sich in erster Linie um den Ruf der Atomkraft, wollten Diskussionen über die Sicherheit vermeiden.

Heinz Smital, Kernphysiker und Greenpeace-Atomexperte, sieht darin eines der grundsätzlichen Probleme der Atomenergie, das ihr Risiko zusätzlich inakzeptabel macht. „Der menschliche Drang, Irrtümer und Fehler nicht zuzugeben oder sie kleinzureden, wird sich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen. Auch deshalb müssen veraltete und marode Pannenmeiler wie Tihange, Doel und Cattenom abgeschaltet werden. Deutschland ist umstellt davon.“

  • Protest am Atomkraftwerk Fessenheim

    Etwa 60 Greenpeace Aktivist:innen aus 14 Ländern protestieren in Fessenheim (Frankreich) gegen die Risiken, die von alternden Kernkraftwerken in Europa ausgehen.

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