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Die viel beschworene Renaissance der Atomkraft setzt voraus, dass neue AKW zu geringeren Kosten als andere Kraftwerke gebaut werden können. Dass sie rechtzeitig fertiggestellt werden können, um die Klimaschutzziele noch zu erreichen. Dass sie beständig und zuverlässig arbeiten. Dass die Kosten und Verpflichtungen durch Atommüllentsorgung und Rückbau alter Anlagen sich auf einem stabilen Niveau einpendeln.
Eine internationale Greenpeace-Studie vom Mai 2007 belegt das genaue Gegenteil. Nach fünf Jahrzehnten Praxis und technischer Weiterentwicklung kämpft die Atomindustrie noch immer mit enormen Schwierigkeiten. Keiner anderen Branche ist es so wenig gelungen, aus langjähriger Erfahrung wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen.
Klimaretter AKW: 10 bis 20 Jahre Bauzeit
Der entscheidende ökonomische Faktor ist die Bauzeit der Anlagen. In den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts dauerte der Bau eines AKW laut Weltenergierat durchschnittlich 66 Monate, also fünfeinhalb Jahre. Zwischen 1995 und 2000 waren es 116 Monate, also fast zehn Jahre. Und es gibt noch wesentlich längere Bauzeiten. Derzeit sind weltweit 22 Reaktoren im Bau, die meisten in Asien. In fünf dieser 22 Fälle begannen die Arbeiten bereits vor über 20 Jahren.
Verantwortlich für diese Bauzeiten sind immer komplexere Anlagen, deren Probleme während der Bauarbeiten zutage treten. Die Folge sind zeitliche Verzögerungen und eine Kostenspirale, die sich immer höher schraubt. Mit den eigentlichen Baukosten steigen zwangsläufig auch Darlehenshöhe und Zinsbelastung.
In den USA beispielsweise hat eine Untersuchung von 75 AKW ergeben, dass sich die veranschlagten Baukosten mehr als verdreifachten. In Indien, dem Land mit der größten und jüngsten Erfahrung im Kraftwerksbau, lagen die Kosten für die letzten zehn AKW um 300 Prozent über dem geplanten Budget.
Der neue EPR in Finnland - ein Paradebeispiel
Ein hervorragendes Beispiel für alles, was beim AKW-Neubau schiefgehen kann, liefert Europa. Im finnischen Olkiluoto wird derzeit der erste Europäische Druckwasserreaktor (EPR) gebaut. Im Dezember 2006, nach nur 16 Monaten Bauzeit, musste der Erbauer, der Atomkonzern Areva/Siemens eingestehen, dass die Fertigstellung sich um 18 Monate verzögern wird. Unter anderem, weil unerwartete Sicherheitsprobleme aufgetaucht sind.
Letzte Rechnungen besagen, dass der EPR mindestens 700 Millionen Euro teurer wird als angenommen. Vertraglich festgelegt war ein Festpreis von drei Milliarden Euro. Details der Finanzierung wurden nie öffentlich gemacht. Derzeit wird untersucht, ob der Vertrag gegen europäische Richtlinien für die Vergabe staatlicher Fördergelder verstößt. Die französische Regierung subventioniert das Projekt mit 610 Millionen Euro.
Atomkraft: ohne Subventionen aufgeschmissen
Atomkraft war schon immer zu teuer. Doch solange die Staaten sie subventionierten und damit die Bürger das Risiko trugen, ging die Rechnung für die Konzerne trotzdem auf. Fällt jegliche direkte und indirekte Subventionierung weg, so wird klar, dass Atomstrom nicht wettbewerbsfähig ist.
Allein Deutschland bräuchte laut Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags 60 neue Atomkraftwerke, um bis 2020 die nötigen 40 Prozent CO2 einzusparen. Das heißt 60-mal mindestens zehn Jahre Bauzeit, bevor die Rettung des Klimas überhaupt anfangen kann. 60-mal mehr Unfall- und Strahlenrisiko. 60-mal mehr Atommüll, für den es schon heute weltweit keine sichere Endlagerung gibt. 60-mal explodierende Kosten in Milliardenhöhe. 60-mal Importabhängigkeit von einer immer knapper und teurer werdenden Ressource, dem Uran.
Energie sparen und gewinnen
Dass die Atomindustrie angesichts solcher Probleme kein Klimaretter sein kann, liegt auf der Hand. Mit der Studie Klimaschutz: Plan B hat Greenpeace bewiesen, dass das Problem auch vernünftig und nachhaltig gelöst werden kann: durch effizienteren Stromgebrauch und Erneuerbare Energien. Und ganz und gar ohne Atomkraftwerke.