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Bis zum Jahr 2022 soll das letzte AKW vom Netz gehen. Dann müssen 17 Reaktoren an 12 Standorten rückgebaut und entsorgt werden. Die Verantwortung für die AKW-Verschrottung liegt nach Atomgesetz klar bei den Energieversorgern. Es gilt das Verursacherprinzip: Die Unternehmen sind mit Hilfe der Atomkraft in den vergangenen Jahrzehnten zu wirtschaftlichen Energieriesen geworden. Jetzt müssen RWE und Co. die ausgedienten Gelddruckmaschinen sicher abwickeln.
Energiekonzerne schlagen Kuhhandel vor
Genau diese Verantwortung jedoch möchten die Konzerne am liebsten loswerden und schlagen der Bundesregierung eine „Bad Bank“ für den Atomausstieg vor. Der Staat soll das deutsche Atomgeschäft übernehmen, dafür wollen die Konzerne rund 35,8 Milliarden Euro derzeitige Atomrückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzahlen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Bisher konnten die Energieversorger die Rückstellungen lukrativ für sich arbeiten lassen und mit dem Geld zins- und steuerfrei profitträchtige Projekte finanzieren. Die Milliarden steckten sie zum Beispiel in Investitionen bzw. Unternehmenskäufe. Der Gewinn aus diesen Projekten floss in die eigene Tasche. Mit vermutlich rund 68 Milliarden Euro haben sie in den vergangenen Jahrzehnten fast doppelt so viel Geld erwirtschaftet wie sie jetzt für Rückbau und Entsorgung der AKW bereit sind zu zahlen. Der Deal hat sich zumindest also für die Konzerne gelohnt.
Nun steht der Atomausstieg und es geht an den Rückbau und die Entsorgung der Kraftwerke – ein finanziell unabwägbares Projekt mit vielen Risiken. Nachdem klar ist, dass die früheren Gelddruckmaschinen demnächst kaum noch Profite, stattdessen aber mehr und mehr Kosten verursachen werden, sollen der Staat und die Steuerzahler übernehmen. So würden sich die Konzerne auch ihre Milliardengewinne sichern, die möglicherweise zur Finanzierung stark ansteigender Kosten herangezogen werden könnten. „Es ist aberwitzig, dass die Energieriesen jetzt alle Verantwortung für ihre atomaren Hinterlassenschaften abgeben wollen, nachdem sie dicke Gewinne gemacht haben“, sagt Tobias Riedl, Atomexperte von Greenpeace.
Die Entsorgung kann noch deutlich teurer werden
Mindestens 44 Milliarden Euro veranschlagt eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace von 2012 für Rückbau und Entsorgung der Atomkraftwerke. Zehn Milliarden Euro kalkuliert das FÖS als Rücklage für das mögliche Risiko, dass bei einem atomaren Endlager eine Bergung oder Sanierung und eventuell sogar ein neues Endlager erforderlich werden kann. Doch derzeit ist ein geeignetes Endlager für Atommüll lange nicht in Sicht. Und ob diese Summe im Ernstfall ausreichen würde, steht in den Sternen.
Ein vergiftetes Angebot
Der Vorschlag ist vergiftet, denn er könnte der Bundesregierung auch Vorteile bringen. Derzeit sind wegen des Atomausstiegs Schadenersatzklagen gegen die Bundesregierung von rund 15 Milliarden Euro anhängig. Diese könnten RWE und Co. im Gegenzug fallenlassen. Zudem wären die Rückstellungen in einer öffentlich-rechtlichen Stiftung bei einer möglichen Insolvenz des Betreibers gesichert.
Greenpeace fordert, die Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen. Die rechtliche Verantwortung für Restbetrieb, Rückbau und Entsorgung der Atomkraftwerke und des radioaktiven Mülls muss aber bei den Atomkonzernen bleiben. Diese sollen weiterhin für alle Risiken haften: „Umweltministerin Barbara Hendricks muss den Wettbewerbsvorteil der gängigen Rückstellungspraxis beenden, den Konzernen die Rückstellungen entziehen und deren langfristige Haftung für die Atom-Altlasten sicherstellen“, sagt Tobias Riedl.
Rückstellungen für Stilllegung/Rückbau und Entsorgung im Atombereich
Anzahl Seiten: 151
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