EU: Fataler militärischer Schutz für Öl und Gas statt Klimaschutz
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Der Großteil der EU-Missionen dient der Sicherung fossiler Energieimporte – mit fatalen Folgen. Dieser Beitrag der Greenpeace-Expertin für Frieden und Rüstungsexporte Anna von Gall erschien zuerst am 9.12.2021 als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.
„Kein Blut für Öl“ – mit diesem Slogan ging die Friedensbewegung 1990/91 und 2003 auf die Straße. Stand doch hinter den US-Militärinterventionen in Kuwait Anfang der 90er Jahre und zu Beginn der Nullerjahre aus Sicht der Demonstrant:innen draußen (und Millionen zu Hause) das kalte Interesse am Zugang zum Erdöl. Noch heute würde kaum jemand anzweifeln, dass die USA ihre Ölinteressen weltweit auch mit militärischen Mitteln verfolgen. Anders ist das jedoch bei der Europäischen Union und Mitgliedstaaten wie Italien, Deutschland und Spanien. Viele gehen nicht davon aus, dass diese mit militärischer Macht ihre Öl- und Gasinteressen verfolgen.
Eine Greenpeace-Recherche in drei der größten EU-Mitgliedstaaten, Deutschland, Italien und Spanien, zeigt nun anhand von öffentlich zugänglichen Dokumenten und politischen Aussagen, dass auch Europa nicht davor zurückschreckt, seine Soldat:innen für solche Missionen nach Nordafrika, in den Golf von Guinea oder – eben auch – in den Mittleren Osten zu schicken. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind in hohem Maß von der Einfuhr fossiler Energieträger abhängig. Fast 90 Prozent ihres Erdöl- und 70 Prozent ihres Bedarfs an Erdgas werden derzeit importiert. Die EU-Staaten nehmen ihre Energieinteressen auf vielfältige Weise wahr. Geschickt verstehen es die Länder jedoch, die Milliarden Euro zu verschleiern, die sie zusätzlich für den militärischen Schutz von Öl und Gas ausgeben.
Italien wendete im Jahr 2021 rund 64 Prozent seines Budgets für militärische Einsätze zur Wahrung der „Energiesicherheit“ des Landes auf, insgesamt mehr als 797 Millionen Euro. Spanien investierte mehr als 26 Prozent oder fast 274 Millionen Euro. Deutschland wendete 20 Prozent auf, das sind 161 Millionen Euro. Seit 2018 genehmigten alle drei Länder mehr als vier Milliarden Euro für „fossile“ Militärmissionen. Nur in einigen – vornehmlich reinen italienischen – Missionsmandaten sind „fossile“ Ziele zu finden. Häufiger ergeben sich diese Ziele aus offiziellen Erklärungen von Politiker:innen oder Militärs oder aus nationalen Strategien.
Das Ergebnis der Recherche legt einen Finger in die Wunde: Fast zwei Drittel aller EU-Militärmissionen dienen der Sicherung fossiler Energieimporte in die Europäische Union. Trotz Klimavereinbarungen und Verpflichtungen zum klimaverträglichen Umbau der Wirtschaft setzen die EU und die Nato ihre Streitkräfte weiterhin ein, um Europa mit fossilem Öl und Gas zu versorgen.
Die Militärmissionen finden an Orten statt, die ein größeres Vorkommen an fossilen Brennstoffen aufweisen: Das Horn von Afrika (wo die EU-Anti-Piraterie-Mission „Atalanta“ hervorsticht), die Gewässer vor der libyschen Küste (mit der EU-Mission „Irini“ und der italienischen Mission „Mare Sicuro“), das östliche Mittelmeer (mit der Nato-Operation „Sea Guardian“), der Golf von Guinea (mit italienischen und spanischen Missionen) und der Nahe Osten (insbesondere der Irak, wo sowohl die Nato als auch die Globale Koalition gegen Daesh operieren). In der Straße von Hormus startete die EU erst im Jahr 2020 die europäische Mission „Emasoh“.
Fast zwei Drittel aller EU-Militärmissionen dienen der Sicherung fossiler Energieimporte in die EU
Die EU und die Nato haben an unterschiedlichen Stellen den Zusammenhang zwischen ihren Militärmissionen und dem Thema „Energiesicherheit“ betont. Die „unsichere Energieversorgung stelle eine Gefahr für unsere Bevölkerung und unser Territorium dar“, stellte die EU bereits in ihrer globalen „Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU“ fest, und die Nato betonte, dass „durch den Schutz wichtiger Seewege“ Operationen zur Bekämpfung von Piraterie „zur Energiesicherheit beitragen“.
Eine Energiesicherheit, die in überwiegendem Maß auf dem Einsatz fossiler Brennstoffe beruht, muss sich im Zeitalter der Klimakrise verändern. Greenpeace fordert daher einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und ein sofortiges Ende der militärischen Sicherung von Öl- und Gaslieferungen in die EU. Eine solche Politik riskiert bereits heute nicht nur das Leben von Zivilist:innen und Soldat:innen und kostet – wie jede militärische Operation – in hohem Maße öffentliche Mittel.
Diese Militärmissionen gefährden mittelfristig das Leben und die Gesundheit der Menschen, denn sie schützen jene fossilen Brennstoffe, die für das weitere Anheizen der Atmosphäre verantwortlich sind. Deutschland hat zunächst gezögert, aber ist letztendlich der COP26-Erklärung zu Öl und Gas beigetreten. Es wäre ein unübersehbarer Widerspruch, dann aber Soldat:innen ins Ausland zu entsenden, um mit militärischen Mitteln den Import ebendieser Rohstoffe zu sichern.
Hier finden Sie den Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.
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