Autorin: Corinna Hölzel
- Hintergrund
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Perfluorierte Tenside weisen eine hohe Toxizität für Menschen und Tiere auf, die der Toxizität von DDT vergleichbar ist. Im Körper lagern sich PFT im Blut und im Organgewebe ab. Auch in der Muttermilch werden diese Stoffe gefunden. PFT werden in der Natur nicht abgebaut. Sie stehen im Verdacht, reproduktionstoxisch und krebserregend zu sein.
Die Untersuchung
Greenpeace-Aktivisten haben im November 2006 in Berlin, Hamburg, München, Dresden und Dortmund jeweils an zwei Orten eine große Portion Pommes Frites gekauft. Die frisch frittierten Pommes wurden 15 Minuten in der Verpackung gelassen, anschließend in PP-Flaschen gefüllt und tiefgefroren in ein Labor des Fraunhofer Instituts geschickt. Dort wurden die Pommes auf Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonat (PFOS) untersucht. Auch eine Packung tiefgefrorener Pommes Frites von McCain aus dem Supermarkt wurde untersucht.
Folgende Ergebnisse wurden analysiert:
PFOA und PFOS in Mikrogramm pro Kilogramm Pommes FritesOrtUnternehmenWert PFOS in µg/kgWert PFOA in µg/kgBerlinMcDonald's0,692,81BerlinKentucky Fried Chicken0,532,41HamburgMcDonald's0,802,74HamburgNordsee0,952,11MünchenKentucky Fried Chicken0,321,78MünchenBurger King0,341,57DresdenBurger King0,341,88DresdenNordsee0,442,32DortmundMcDonald's0,802,12DordmundBurger King0,521,62HamburgMcCain, 1-2-3 Golden Longs0,402,06
Die Bewertung
Pommes Frites gelten wegen ihres hohen Fett- und Salzgehalts nicht als besonders gesund. Die Greenpeace-Untersuchungen belegen nun, dass sie zudem Chemikalien enthalten können.
Es gibt zurzeit keine gesetzlichen Grenzwerte für PFT in Nahrungsmitteln. Lediglich für Trinkwasser wurde vom Umweltbundesamt ein Vorsorgewert von 0,1 und ein Leitwert von 0,3 Mikrogramm pro Liter für die Summe von PFOS und PFOA empfohlen.
Die von Greenpeace veröffentlichten Pommes-Ergebnisse sind aus mehreren Gründen als kritisch zu bewerten:
Pommes werden oft und gern von Kindern gegessen. Kinder sind noch in der Entwicklung und daher besonders sensibel gegenüber Chemikalien und anderen Umwelteinflüssen.
Pommes sind nicht die einzige Quelle der menschlichen Belastung mit PFT. Im September 2006 hat Greenpeace eine Studie über die Belastung von Aalen in Europa mit PFT veröffentlicht. In 16 von 21 untersuchten Aalproben wurden PFT nachgewiesen. Im November 2006 ließ Greenpeace zwei Trinkwasserproben aus Oberbayern untersuchen. Auch dort fanden sich Rückstände dieser Chemikalien. Weiterhin kann nicht ausgeschlossen werden, dass PFT auch über die Haut aufgenommen werden.
Das wissenschaftliche Interesse gilt gegenwärtig fast ausschließlich den beiden bekanntesten Vertretern der Gruppe der perfluorierten Substanzen: PFOA und PFOS. Wissenschaftler mahnen zunehmend an, den Erkenntnisstand über die weiteren 20 bis 30 Substanzen zu verbessern, über die man heute sehr wenig weiß. Allerdings wird vermutet, dass sie ähnlich bedenkliche Eigenschaften haben.
Stoffe, die langlebig und krebserregend sind und sich im Körper anreichern, haben in unserer Umwelt und unserer Nahrung nichts zu suchen.
Diese Meinung vertritt auch der Toxikologe Dr. Hermann Kruse von der Universität Kiel: Grundsätzlich sollten Stoffe wie PFT gar nicht in Nahrungsmitteln enthalten sein. Er übt zudem Kritik an den empfohlenen Grenzwerten. Die Ergebnisse der Pommes Untersuchungen von Greenpeace zeigen, dass die Beschichtungen der Schalen nicht der einzige Weg sind, wie diese Stoffe in die Nahrung gelangen. Es gibt offenbar mehrere mögliche Quellen der Belastung, auch während der Fertigung von Lebensmitteln. Viele Messungen zeigen, dass PFT im Menschen angekommen sind. Das Blut der Bevölkerung in Deutschland ist bereits belastet. Erste Wirkungen der Gruppe der perfluorierten Tenside sind bekannt. Die Datenlage ist jedoch unzulänglich, daher können diese Substanzen noch nicht toxikologisch abschließend bewertet werden. Deswegen ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt falsch, für solche Stoffe Toleranzwerte abzuleiten. Grenzwerte würden eine Sicherheit nur vorgaukeln. Statt dessen muss das Minimierungsgebot gelten. Die Akzeptanz von Grenzwerten würde dazu führen, dass wir die Belastung mit langlebigen, sich anreichernden Substanzen in vielen Nahrungsmitteln einfach dulden.
Vergleich mit anderen Messungen
Mehrere Studien weltweit untersuchten, ob und in welchen Mengen sich PFT in Lebewesen, Wasser oder Böden wiederfindet. Nur wenige Untersuchungen beschäftigten sich bisher mit Lebensmitteln. Eine frühere Untersuchung des Fraunhofer Institutes vom Oktober 2006 von PFT in Pommes ergab Werte zwischen 2,2 und 3,5 Mikrogramm pro Kilogramm für PFOS und Werte zwischen 3,7 und 5,0 Mikrogramm pro Kilogramm für PFOA.
In einer Studie des Worldwide Fund for Nature (WWF) vom Juli 2006 wurden verschiedene Lebensmittel auf Industriechemikalien untersucht. Nur in einem von fünf auf PFT untersuchten Produkten wurde man fündig. In einem marinierten Hering fand man 1,3 Mikrogramm pro Kilogramm PFOS. In einer Untersuchung der britischen Food Standards Agency (FSA) fand man PFOS auch in Kartoffeln, Dosengemüse, Eiern und Zucker und PFOA in Kartoffelprodukten. Eine Studie des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom November 2006 fand hingegen keine Belastung von Kartoffeln mit PFT.
Zusammenfassend kann man sagen, dass zu wenig Untersuchungen vorliegen, um einschätzen zu können, welche Nahrungsmittel wie stark mit PFT belastet sind.
Wie kommt die Chemie in die Pommes?
Diese Frage kann leider noch nicht abschließend beantwortet werden. Hier sind die Hersteller und Anwender in der Pflicht, die Eintragswege zu erforschen und abzustellen.
Folgende Wege sind möglich:
PFT gelangen über die Beschichtung der Verpackungen von Pommes ins Lebensmittel. Perfluorierte Tenside werden eingesetzt, um Papiere fett- und wasserabweisend zu machen und finden daher bei der Herstellung der Verpackungen von Pommes, Popcorn oder Pizzen Verwendung.
PFT gelangen über die Ausbringung von Klärschlämmen in den Boden und so wieder in Nahrungsmittel.
PFT werden eventuell auch zur Herstellung von Reinigungsmitteln eingesetzt, die dann in der Lebensmittelproduktion Anwendung finden. So könnten Rückstände der Chemikalien in die Produkte gelangen.
Ein anderer Umgang mit Chemikalien ist nötig
Alarmiert durch die weltweite Belastung und die großen Wissenslücken über die Risiken von Chemikalien, hat sich die Europäische Union entschlossen, das Chemikalienrecht grundlegend zu reformieren. Im Oktober 2003 präsentierte die EU-Kommission ihren Gesetzesvorschlag: Die so genannte REACH-Verordnung. REACH steht für die Anmeldung (Registrierung), Bewertung (Evaluation) und Zulassung (Autorisierung) von Chemikalien.
Der Kernpunkt des neuen Gesetzes: Die chemische Industrie muss die Unbedenklichkeit ihrer Chemikalien nachweisen. Im Klartext: Nicht mehr die Behörden sind für die Risikobewertung eines Stoffes verantwortlich, sondern die Unternehmen. Nach dem Prinzip Keine Informationen – keine Vermarktung, dürfen nur Chemikalien weiter verwendet werden, für die die Stoffhersteller Daten bei der zukünftigen Chemikalienbehörde in Helsinki einreichen.
Noch dieses Jahr könnte das Gesetz verabschiedet werden. Die EU-Minister im Wettbewerbsrat der EU haben dem Druck der Chemie-Lobby jedoch bereits nachgegeben. Sie gefährden jetzt den Erfolg der Verordnung.
Der Ministerrat hat folgendes beschlossen:
Chemikalien, die Krebs erzeugen, das Erbgut verändern, die Fortpflanzung gefährden oder das Hormonsystem beeinflussen können, dürfen weiter verwendet werden – selbst wenn es sichere Alternativen gibt. Für diese Chemikalien sollen Wirkungsschwellen eingeführt werden, unterhalb derer eine Belastung vertretbar ist.
Vorsorge statt Kontrolle
Statt alle Mittel für die Suche nach Alternativen für gefährliche Chemikalien zu verwenden, versucht die chemische Industrie, die Verwendung dieser gefährlichen Stoffe adäquat zu kontrollieren. Das heißt, die Menge der in die Umwelt gelangenden Stoffe soll unter festgelegten Grenzwerten gehalten werden. Am Beispiel PFT sieht man jedoch deutlich, dass eine adäquate Kontrolle von Chemikalien nicht möglich ist. Chemikalien gelangen in unsere Umwelt und in Körper von Menschen und Tieren, selbst wenn diese weit weg von Industriestandorten leben. Die Verursacher selbst haben keine Antwort auf die Frage nach den genauen Wegen, die diese Chemikalien unkontrolliert zurücklegen und wo sie letztlich landen.
Umwelt- und Verbraucherverbände fordern daher genauso wie Ärzte und Gewerkschaften, nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln. Wenn eine Chemikalie krebserregend ist, das Erbgut schädigt, hormonell wirkt oder sich in Umwelt und Mensch anreichert, dann darf diese Substanz zukünftig nicht mehr eingesetzt werden, sondern muss durch sichere Alternativen ersetzt werden.
Greenpeace fordert:
REACH ist eine einmalige Gelegenheit, die Europa nicht leichtfertig vergeben darf. Viele wichtige Punkte sind im Gesetzesentwurf bereits verwässert wurden. Am 13. Dezember wird in der Zweiten Lesung im Europäischen Parlament über das Gesetz abgestimmt. Um wenigstens einen minimalen Schutz für Mensch und Umwelt zu gewährleisten, müssen sich die Entscheidungsträger auf folgende Mindeststandards einigen:
- Auf Nummer sicher gehen: Gefährliche Chemikalien müssen durch sichere Alternativen ersetzt werden (Substitutionsprinzip).
- Information schafft Vertrauen: Um die Gefährlichkeit von Chemikalien beurteilen zu können, sind ausreichende Sicherheitsinformationen nötig.
- Rechtliche Verbindlichkeit: Die chemische Industrie muss die Verantwortung für die Sicherheit ihrer Produkte übernehmen (Sorgfaltspflicht).
- Transparenz für Verbraucher:
- BürgerInnen haben ein Recht auf Information. Sie müssen wissen, ob in einem Produkt gefährliche Chemikalien enthalten sind und wer sie herstellt.