Giftige Kassenbons
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Ein vom Greenpeace Magazin beim Berliner PiCAInstitut in Auftrag gegebener Test zeigt: Einige Handelsketten benutzen immer noch BPA, andere sind auf Bisphenol S (BPS) umgestiegen, das aber vermutlich genauso ungesund ist.
- In Kassenzetteln von Edeka, Galeria Kaufhof und der Deutschen Post fand sich die umstrittene Chemikalie BPA.
- Bons von Aldi Nord, Kaisers, Rewe sowie Automaten-Fahrkarten der Deutschen Bahn enthielten BPS.
- Lediglich in Kassenzetteln von Lidl war weder BPA noch BPS enthalten.
BPA stand bislang vor allem in Zusammenhang mit Kunststoffen in der Kritik, in denen es verarbeitet wird. Viele Studien haben gezeigt, dass es die menschliche Gesundheit gefährdet, vor allem die von Kindern. Die EU-Kommission hat die Chemikalie deshalb in Babyflaschen verboten. Bisphenol A wirkt ähnlich wie das weibliche Sexualhormon Östrogen und beeinflusst Fortpflanzung und Gehirnentwicklung. Forscher fanden Indizien, dass es Männer unfruchtbar macht und die Reifung des Gehirns von Ungeborenen und Kleinkindern irreversibel schädigt. Neuere Studien bringen BPA auch mit Herzerkrankungen, Brust- und Prostatakrebs, verfrühter Pubertät, Insulin-Resistenz, Diabetes, Fettleibigkeit und Ejakulations- und Erektionsproblemen in Verbindung.
Trotzdem taucht die Substanz noch immer in Kassenbons auf. Im Papier ist die Chemikalie nicht nur viel höher konzentriert, sondern auch deutlich weniger fest gebunden als in Plastik. Das macht es auch gefährlicher für den Menschen, da die Chemikalie leichter und in höheren Mengen freigesetzt wird als von Kunststoffen, erklärt der Chemiker Manfred Krautter von der ökologischen Firmenberatung EcoAid. In den Bons sitzt BPA an der Oberfläche. Im Druckprozess reagiert es unter Hitze mit anderen Substanzen zu Farbstoff – wo der Bon weiß bleibt, haftet die Chemikalie unverändert an. Beim Berühren gelangt sie auf die Haut und durch sie ins Blut.
Die EU-Lebensmittelbehörde Efsa hält eine tägliche Aufnahme von 0,05 Milligramm BPA pro Kilogramm Körpergewicht für unbedenklich. Zur Verdeutlichung: Ein 80 Kilo schwerer Erwachsener dürfte somit vier Milligramm BPA täglich aufnehmen. Für ein zehn Kilo schweres Kleinkind zieht der Gesetzgeber bei 0,5 Milligramm BPA täglich die Grenze. Zwar geht bei Kontakt nur ein Teil der Chemikalie vom Bon in den Organismus über. Experten sehen in der Berührung jedoch eine größere Gefahr als in der oralen Aufnahme von BPA. Der Grund: Im Verdauungstrakt wird die Chemikalie teilweise unschädlich gemacht.
Alle positiv auf BPA oder BPS getesteten Kassenbons enthielten die Substanzen im Milligramm-Bereich. Ein Kleinkind, das mit Kassenbons spielt und mit den Händen eine größere Fläche davon berührt, nimmt vermutlich bereits kritische Mengen BPA auf. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt deshalb davor, Kindern Thermopapiere wie Kassenbons oder auch Faxpapier zum Spielen zu geben.
Experten halten die gesetzlichen Vorgaben ohnehin für viel zu locker: Neuen Studien zufolge entfaltet die Chemikalie nämlich schon in deutlich geringeren Dosen ihre gefährlichen Wirkungen. Das Umweltbundesamt rät Herstellern deshalb, die Chemikalie vorsorglich zu ersetzen. Viele Unternehmen sattelten daher auf den verwandten Stoff Bisphenol S um, der sich von BPA chemisch nur geringfügig unterscheidet. Seine Wirkungsweise ist noch wenig erforscht. Einige neuere, bislang noch unbestätigte Untersuchungen ergaben aber, dass BPS sogar eine stärkere östrogene Wirkung entfalten kann als BPA und vom Körper schlechter abgebaut wird. Das Umweltbundesamt und das Bundesinstitut für Risikobewertung halten BPS daher für keinen guten Ersatz. Manfred Krautter fordert: Beide Substanzen sollten in verbrauchernahen Produkten schnellstmöglich ersetzt werden.
Allerdings gibt es derzeit wenige Alternativen zu BPA und BPS, und sie sind sehr viel teurer. Testsieger Lidl wollte auf Anfrage nicht verraten, wie er seine Kassenzettel herstellen lässt.
So lange die Unternehmen auf die giftigen Stoffe setzen, sollten Verbraucher Kassenbons entweder ganz meiden oder sie sofort entsorgen – nicht im Altpapier, sondern im Restmüll. Denn auch in Recyclingpapier wurden die Stoffe schon nachgewiesen.
Quelle: Greenpeace Magazin, Autorin: Svenja Beller