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In der Nacht zum 3. Dezember 1984 explodierte in einer Pestizidfabrik des Chemiekonzerns Union Carbide, heute Dow Chemical, ein Tank und setzte eine tödliche Gaswolke frei. Die Wolke trieb über die umliegenden Armenviertel der indischen Stadt Bhopal und tötete 8.000 Menschen innerhalb von Stunden. Insgesamt fielen mindestens 20.000 Menschen dem Gift zum Opfer.
Eine Wunde, die nie verheilt
Meine Mutter rannte verzweifelt mit uns beiden Kindern. Alle um uns herum rannten, sie schrien, fielen um. Ihre Augen schwollen zu, sie keuchten, viele übergaben sich, bekamen Durchfall. Überall um mich herum sah ich, wie das Leben zu Ende ging.
So schildert Tahira Sultan, genannt Ruby, die Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1984. Die heute 22-Jährige sagt, jene Nacht stehe wie eine aufgeschlagene Seite vor ihren Augen, als sei das Unglück erst gestern passiert.
Das Mahnmal - eine Kopie des "Bhopal Memorial" bildet die Situation nach. Die Skulptur stellt eine Frau dar, die mit ihren zwei Kindern vor dem tödlichen Gift zu fliehen versucht. Die holländische Künstlerin Ruth Watermann hat das Memorial zusammen mit den Witwen von Bhopal erschaffen. Es wurde im Dezember 1985 vor der verlassenen Fabrik aufgestellt.
Bhopal stirbt - Dow schweigt!
So steht es auf dem Banner, das die 25 Greenpeace-Aktivisten an einem Verladekran im Industriehafen von Rheinmünster entfaltet haben. In 15 Ländern und sieben indischen Städten einschließlich Bhopals gedenken Greenpeacerinnen und Greenpeacer an diesem Donnerstag der Opfer und fordern Gerechtigkeit.
Für die Überlebenden dauert die Katastrophe seit 20 Jahren an. Sie sind arm, sie wurden allein gelassen. Rund 150.000 sind seitdem chronisch krank. Union Carbide verließ die Stätte fluchtartig und hinterließ hunderte Tonnen Giftmüll und 27.000 Tonnen verseuchtes Erdreich.
Die indischen Behörden ließen sich mit lächerlichen 470 Millionen US-Dollar Schadenersatz abspeisen, die sie nicht einmal vollständig an die Opfer weitergaben. 2001 kaufte Dow Chemical das Unternehmen auf. Von dem Bhopal-Erbe aber will der Multi nichts wissen. Der Konzern zerrte sogar Überlebende vor Gericht, die auf Dow-Gelände für ihr Recht demonstrierten.
Die Unglücksstätte ist nie saniert worden. Die Luft in Bhopal ist beißend, das Wasser vergiftet. Heute müssen die Ärzte neben den Gasopfern immer mehr Menschen behandeln, die sich neu mit Wasser vergiftet haben. Bei den Nachgeborenen häufen sich Missbildungen.
Doppelte Standards?
Dow muss sich als heutiger Eigentümer von Union Carbide endlich zu seiner Verantwortung für die Schäden in Bhopal bekennen und dafür sorgen, dass dort nicht immer weiter Menschen vergiftet werden, fordert Greenpeace-Sprecher Andreas Bernstorff. Dringend notwendig sind auch internationale Haftungsregeln, um multinationale Konzerne zur Verantwortung ziehen zu können.
Eines ist sicher: Wäre das Unglück in Europa oder den USA passiert, so wäre die Stätte längst saniert. Die Menschen wären wenigstens finanziell für ihre Leiden entschädigt worden. (sit)
Lesen sie auch eine Greenpeace-Machbarkeitsstudie zur Sanierung der Unglücksstätte, November 2004