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Christoph Piecha/Greenpeace

Monsantos Patent auf Weizen, Mehl und Backwaren

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Am 21. Mai 2003 erteilte das Europäische Patentamt in München das Patent EP 445 929 mit dem schlichten Titel plants (Pflanzen). Patentinhaber ist Monsanto, bekannt als der Konzern, der weltweit die größten Geschäfte mit genmanipulierten Pflanzen macht. Das Patent umfasst Weizen mit einer besonderen Backqualität. Die Ursache für die besondere Qualität des Weizens liegt in einer natürlicherweise vorkommenden Kombination von Genen, die dazu führt, dass der Anteil an Eiweiß in den Körnern reduziert ist. Ursprünglich wurde Weizen mit dieser Eigenschaft in Indien gezüchtet. Jetzt hält die Firma Monsanto ein Monopol auf Anbau, Zucht und Verarbeitung dieses Weizens.

Schon 1988 wurden Untersuchungen in einem wissenschaftlichen Magazin veröffentlicht, die besondere Backeigenschaften des indischen Weizens Nap Hal beschrieben. Er zeigte sich als hervorragend geeignet zur Herstellung besonders knuspriger Backwaren wie etwa Keksen. Etwa 20 Prozent der Nap-Hal-Pflanzen zeigen zudem eine besondere Reinerbigkeit für die verantwortlichen Gene. Entscheidend ist, dass in diesen Pflanzen bestimmte Genabschnitte ganz einfach fehlen. Sie gingen durch die Methoden der natürlichen Züchtung im Laufe der Jahrhunderte verloren. Im Jahr 1990 meldete die Firma Unilever ein Patent auf diese Pflanzen an,das Patent wurde inzwischen auf die Firma Monsanto übertragen.

Weizen mit dieser besonderen Backqualität ist das Ergebnis der Arbeit von Züchtern und Landwirten aus Indien, die diese Pflanzen ursprünglich für ihre besonderen regionalen Bedürfnisse gezüchtet haben. Da für diese Landwirte der freie Austausch von Saatgut selbstverständlich ist, erstaunt es nicht, dass entsprechendes Weizen-Saatgut seit etlichen Jahren in verschiedenen internationalen Genbanken außerhalb Indiens eingelagert wurde. So finden sich entsprechende Saatgut-Proben in der Kollektion der US-Landwirtschaftsbehörde sowie in japanischen und europäischen Saatgutsammlungen.

Ein ganz legaler Diebstahl

Zu diesen Saatgutsammlungen haben auch die Konzerne Unilever und Monsanto freien Zugang. Sie überführten den Weizen in ihr Labor, wo nach den verantwortlichen Genen für die besonderen Backeigenschaften gesucht wurde. Tatsächlich gelang es, entsprechende Gen-Abschnitte in der Pflanze zu beschreiben. Dabei konnten die Firmen auf Forschungsergebnisse verschiedener Wissenschaftler zurückgreifen, da die entsprechenden Gen-Regionen schon seit relativ langer Zeit untersucht wurden. Diese Entdeckung der natürlichen Gen-Kombination wurde jetzt als Erfindung der Firma Monsanto patentiert.

Die entscheidenden Patentansprüche betreffen Weizenpflanzen, bei denen die betreffenden Gene nicht vorhanden oder nicht aktiv sind. Faktisch bedeutet das Patent ein Monopol auf die Nap-Hal-Pflanzen selbst und alle Weizenpflanzen, die mit der indischen Sorte gekreuzt werden. Darüber hinaus wird auch das Mehl beansprucht, das aus diesem Weizen gewonnen wird, sowie Teig oder Rührteig, hergestellt aus Mehl... und Biskuits oder ähnliches, hergestellt aus Mehl....

Das Patent wurde für 13 europäische Staaten gleichzeitig erteilt und darüber hinaus auch in Japan, Australien und Kanada angemeldet. In den USA wurde es bereits 1999 erteilt.

Die Folgen des Patentes

Das Patent ist nichts anderes als Biopiraterie - Diebstahl der züchterischen Leistung indischer Landwirte. In den Ländern des Südens sind es oft die kleinen Landwirte, die durch den freien Austausch von Saatgut und die Züchtung von regional angepassten Sorten den entscheidenden Beitrag zur agrarischen Vielfalt und zur Sicherung der Ernährung leisten. Ihre Leistung wird von Monsanto jetzt schamlos ausgebeutet.

Die Firma kann in den Ländern, in denen das Patent erteilt wird, jeglichen Handel, Anbau und Verarbeitung der Ernte kontrollieren.Zudem kann sie den freien Austausch des Saatguts blockieren - andere Züchter und Landwirte dürfen mit dem patentierten Saatgut nicht mehr arbeiten.

Institutionen wie die Rockefeller Foundation sehen in derartigen Patenten eine ernsthafte Gefährdung der Welternährung. Große Konzerne können den Zugang zu Saatgut systematisch blockieren. In einer Publikation in der Zeitschrift Nature vom Februar 2003 wird die Situation als dramatisch eingeschätzt: Parallel zur Ausweitung der privaten Urheberrrechte wurden die Gelder für die öffentliche Forschung drastisch gekürzt.

Zugleich wird durch die Patentierung der Zugang zu genetischen Ressourcen erschwert, Saatgut wird zu teuer, insbesondere für die Entwicklungsländer. Gary Toenniessen, der Direktor für food security der Rockefeller Foundation in New York wird in Nature mit einer äußerst pessimistischen Einschätzung zitiert: We are headed down the same path that public-sector vaccine and drug research went down a couple decades ago. (Wir werden heute auf die gleiche Weise eingeschränkt wie vor etlichen Jahrzehnten die öffentliche Impfstoff- und Arzneimittelforschung.)

Auch die UNO schlägt sich vor diesem Hintergrund auf die Seite der Kritiker: Neue Patentgesetze kümmern sich kaum um die Kenntnisse der indigenen Bevölkerung, die damit den Ansprüchen von außen schutzlos ausgesetzt ist. Diese Gesetze ignorieren die kulturelle Vielfalt bei der Schaffung von Innovationen und die Teilhabe daran. Ebenso wenig berücksichtigen sie die vielfältigen Ansichten darüber, was Gegenstand von Eigentumsansprüchen sein kann und darf: von Pflanzensorten bis zum menschlichen Leben. Das Ergebnis ist ein stillschweigender Diebstahl von über Jahrhunderte erworbenem Wissen, der von den entwickelten Ländern an den Entwicklungsländern begangen wird.

Das Patent bedeutet aber auch für Züchter, Landwirte, Lebensmittelhersteller und Verbraucher neue Abhängigkeiten von Monsanto. Schon jetzt kontrolliert der Konzern weite Teile des Saatgut-Marktes in den USA. Dass der Konzern dabei auch erhebliche finanzielle Forderungen gegenüber Landwirten durchsetzt, zeigt eine Meldung der Nachrichtenagentur AP vom 26. November 2002: Demnach hat ein Berufungsgericht im Bundesstaat Washington entschieden, dass ein Soja-Landwirt aus der Region Pontotoc County gegen ein Patent verstoßen hat, das der Biotechnologie-Konzern Monsanto auf ein bestimmtes Saatgut besitzt. Das Gericht verurteilte den betreffenden Landwirt, Homan McFarling, zur Zahlung von 780.000 US-Dollar Schadensersatz an Monsanto, weil der Landwirt angeblich Roundup-Ready-Sojabohnen von seiner Ernte für die nächste Aussaat zurückbehalten hatte.

Zwar wird in Europa kaum Gen-Saatgut angebaut, das Patent zeigt aber, dass auch normale Landwirte in Zukunft von Patentforderungen betroffen sein können.

Insgesamt wurden am Europäischen Patentamt in München bereits über 300 Patente auf Saatgut vergeben, über 100 davon auf Pflanzen ohne Gentechnik. Das Europäische Patentamt stützt sich bei der Vergabe dieser Patente auf eine Patentrichtlinie der EU aus dem Jahre 1998, die ausdrücklich Patente auf Pflanzen und Tiere sowie auf Teile des menschlichen Körpers erlaubt. Die Richtlinie ist heftig umstritten und bisher nur in sechs Mitgliedsstaaten der EU umgesetzt. Greenpeace fordert die Neuverhandlung der Richtlinie und ein Verbot der Patentierung von Lebewesen und ihren Genen.

Greenpeace fordert:

  • Keine Patente auf Pflanzen, Saatgut, Tiere, Menschen und Gene.
  • Der Bundestag darf die Gen-Patentrichtlinie der EU in der jetzigen Form nicht umsetzen, sondern muss sich für eine Neuverhandlung in Brüssel einsetzen.

Monsantos Patent auf Weizen, Mehl und Kekse

Monsantos Patent auf Weizen, Mehl und Kekse

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