Der Kampf der Milchbauern
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Die Milchbauern streiken. Sie fordern faire Preise. Zurzeit erhalten sie teilweise nur 27 Cent - das deckt nicht einmal die Produktionskosten. Bernd Schmitz ist Milchbauer und im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter aktiv. Er organisiert den Streik vor Ort im Rhein-Sieg Kreis (NRW) mit. Wir haben mit ihm über den Milchstreik gesprochen.
Online-Redaktion: Was ist für Sie ein fairer Preis?
Bernd Schmitz: Die Milchbauern müssen einen Preis erzielen, der die Kosten deckt und die Arbeit entlohnt. Das wären 43 Cent pro Liter Milch.
Online-Redaktion: Wer sind die Preistreiber nach unten? Sind es die Molkereien, die die Preise mit den Handelsketten aushandeln, oder sind es Aldi, Real und Co.?
Bernd Schmitz: Die Milchmenge ist zurzeit höher als vor einem halben Jahr. Das hat die Molkerei Müllermilch ausgenutzt. Sie ist vorangeprescht und hat gegenüber Aldi und anderen Discountern - ohne Not - Preissenkungen angeboten. Die anderen Molkereien sind dann gefolgt, weil sie Angst hatten, die Listung in den Supermarktregalen zu verlieren.
Während die Preise für die Bauern sinken, sind die Gewinnspannen bei den Handelsketten konstant geblieben. Das Problem ist, dass sich die Molkereien Richtung Handelsketten gegenseitig ausbooten, aber den Bauern gegenüber einig sind. Sie nehmen den Preis der Handelsketten, ziehen ihren Anteil ab und das was übrig bleibt, kriegen die Bauern.
Auf der anderen Seite gab es für die Bauern innerhalb von einem Jahr Kostensteigerungen von 7 Cent pro Liter Milch durch zum Beispiel steigene Energiepreise. Das hat die Bauern bewogen, in den Streik zu gehen, weil die jetzt gezahlten Milchpreise ihre Höfe in den Ruin treiben. Weiterhin wollen wir die Möglichkeit bekommen, europaweit die Milchmengen an den Bedarf anzupassen. Ziel ist es, ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage zu haben.
Online-Redaktion: Welchen Preis müssten Verbraucher für einen Liter faire Milch zahlen?
Bernd Schmitz: Der Supermarktpreis vom letzten Herbst war einer, mit dem die Bauern klarkamen. Das waren 79 oder 80 Cent - dazu muss die Möglichkeit bestehen, weitere Kostensteigeungen zukünftig weitergeben zu können.
Online-Redaktion: Es gibt viel Verständnis für den Streik, jedoch auch Kritik. So wird kritisiert, dass hier Milch weggeschüttet wird, während woanders Menschen hungern.
Bernd Schmitz: Kein Bauer vernichtet gerne Lebensmittel - sie tun es aus der Not heraus, denn es geht darum, den Hof zu retten. Es ist nicht okay, die Not der einen gegen die Not der anderen auszuspielen. Vergessen wird dabei, dass hochsubventionierte Milchprodukte aus den reichen Ländern die Märkte in den Entwicklungsländern kaputt gemacht haben. Viele Bauern wurden dadurch in den Ländern des Südens ruiniert und gingen vom Land in die Städte.
Dabei ist die regionale Milchwirtschaft in den Entwicklungsländern eine wichtige Säule für die Ernährungssicherheit. Als sich die Preise für Milchprodukte im letzten Jahr in Europa erhöhten, verdoppelte sich der Preis für Milchpulver aus der EU. Viele Familien in armen Ländern, die vorher in großer Zahl selbst Bauern waren, konnten sich Milch, Joghurt und Dickmilch nicht mehr leisten und es gab auch keine Milch aus heimischer Produktion mehr. Konstante und faire Preise müssen weltweit gezahlt werden.
Online-Redaktion: Wie sieht die Situation bei den Biobauern aus? Erhalten sie faire Preise?
Bernd Schmitz: Die meisten Molkereien haben faire Preise gezahlt, die liegen im Schnitt bei 50 Cent pro Liter.
Online-Redaktion: Unterstützen die Bio-Bauern den Streik?
Bernd Schmitz: Die Bio-Bauern zeigen sich solidarisch. So hat es Spenden für die Streikkasse gegeben.
Wie schon angedeutet war eine Molkerei, die Berchtesgadener Land, als Preisbrecher nach unten unterwegs. Aber sie wurde abgestraft. Allein 50 Prozent der Bio-Bauern haben keine Milch mehr geliefert. Berchtesgadener Land hat als erste reagiert und sowohl im konventionellen als auch Öko-Bereich die Preise wieder angehoben.
Online-Redaktion: Die Bio-Bauern verfüttern keine Gen-Pflanzen an ihre Milchkühe. Umfragen zeigen immer wieder, dass Verbraucher keine Produkte wollen, bei deren Produktion Gen-Pflanzen eingesetzt wurden. Wie ist die Stimmung bei den konventionellen Bauern. Würden sie ihre Tiere gentechnikfrei füttern, wenn sie angemessen bezahlt werden würden?
Bernd Schmitz: Grundsätzlich sind Bauern für gute Sachen offen. Es gibt einige Bauern, die gentechnikfrei füttern wollen. Doch denen erzählt man, dass es kein gentechnikfreies Futter gibt. Das wird von vielen Futteranbietern, allen voran Raiffeisen und DEUKA, boykottiert. Die Bauern können sich gentechnikfreies Futter auch nur leisten, wenn das katastrophal niedrige Preisniveau überwunden ist - wenn sie also überhaupt erstmal 43 Cent bekommen. Nur ein garantierter Milchpreis kann Qualität sichern.
Online-Redaktion: Wie viel teurer wäre eine gentechnikfrei produzierte Milch?
Bernd Schmitz: Man müsste auf die 43 Cent noch mal 2 Cent draufschlagen.
Online-Redaktion: Die Milchbauern haben einige Molkereien blockiert. Molkerei Ehrmann erwägt laut BILD eine Schadensersatzklage. Was denken Sie, wie weit werden die Milchbauern mit ihren Aktionen gehen? Wird es weitere Aktionen geben?
Bernd Schmitz: Wenn es zu keiner Einigung kommt, werden wir natürlich weitermachen - wie auch immer die Aktionen aussehen werden. Und Schadensersatzdrohungen hat es schon viele gegeben ... Für morgen ist in jedem Fall eine Demonstration in Berlin geplant, mit einer Kundgebung am Brandenburger Tor.
Online-Redaktion: Wie können Verbraucher den Kampf der Milchbauern um faire Preise unterstützen?
Bernd Schmitz: Ein bewusster Einkauf unterstützt uns. Wenn Verbraucher nicht zu dem billigsten Produkt greifen, sondern auf Qualität achten - sei es zum Beispiel faire Milch oder ökologisch produzierte. Wir wurden aber auch schon viel unterstützt - mental oder mit Kaffee und Kuchen bei den Aktionen.
Online-Redaktion: Es gibt auch den Aufruf an die Verbraucher, viel Milch zu kaufen, um eine stärkere Knappheit in den Supermärkten zu erzeugen. Was halten Sie davon?
Bernd Schmitz: Das kann natürlich auch was bewirken. Verbraucher können sich aber auch an die Politik oder Supermärkte wenden und ihre Meinung sagen.
Online-Redaktion: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten.