Bundesminister Seehofer auf Grüner Woche kontaminiert
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Zwei Millionen Gen-Maisfratzen rieseln an diesem Donnerstagmorgen auf Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer hinunter, als er die Grüne Woche besucht. Auf den Papierschnipseln, die sich schnell unkontrolliert verbreiten, steht: Genhofer. Zeitgleich veröffentlicht Greenpeace ein Rechtsgutachten, aus dem hervorgeht, dass der Minister nach dem Vorsorgeprinzip verpflichtet ist, den Anbau des Gen-Maises MON810 zu verbieten.
Mit den bedruckten Schnipseln protestieren Greenpeace-Aktivisten gegen die Entscheidung, den Gen-Mais MON810 in Deutschland 2008 erneut für den kommerziellen Anbau zuzulassen. Noch im April 2007 war der Mais vom BVL als Gefahr für die Umwelt bewertet worden. Er enthält ein Insektengift, das den Maiszünsler, eine Schmetterlingsart, abtötet.
"Der Gen-Mais kann sich ungewollt, unberechenbar und unkontrolliert in die Umwelt ausbreiten", sagt Ulrike Brendel, Gentechnikexpertin von Greenpeace. "Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Gen-Mais Gefahren birgt. Anstatt die Verunreinigung unserer Landwirtschaft und Umwelt mit Gen-Mais durch ein Anbauverbot zu verhindern, will Seehofer ein Gentechnikgesetz erlassen, bei dem die unkontrollierte Ausbreitung Programm ist. Das neue Gesetz soll Ende Januar vom Bundestag beschlossen werden."
MON810 des US-Agrarkonzerns Monsanto ist bisher die einzige Gen-Pflanze, die in der EU kommerziell angebaut werden darf. Erst vergangene Woche hatte die französische Regierung ein Moratorium auf den Anbau verlängert. Ein Expertengremium war zu dem Schluss gekommen, dass an der Sicherheit des Gen-Maises ernste Zweifel bestehen. So sei es in Regionen mit einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft unmöglich, eine Ausbreitung der Gen-Pflanzen auf herkömmlich bewirtschaftete Felder zu vermeiden. Zudem sei bewiesen, dass der Gen-Mais Regenwürmer und Mikroorganismen im Boden schädige.
Frankreich hat nach Spanien die zweitgrößte Anbaufläche des Gen-Maises MON810 in Europa. Neben Spanien wird 2008 in Europa voraussichtlich nur in Deutschland eine nennenswerte Fläche mit Gen-Pflanzen bewirtschaftet. "Nach dem Anbauverbot in Frankreich isoliert sich Seehofer immer weiter innerhalb der EU und festigt mit seinem Pro-Gentechnikkurs seinen Ruf als Genhofer", sagt Ulrike Brendel.
Dabei könnte Seehofer dem Beispiel Frankreichs sofort folgen. Nach dem von Greenpeace vorgelegten Rechtsgutachten bieten sowohl die europäische Freisetzungsrichtlinie für Gen-Pflanzen (2001/18/EG) als auch das deutsche Gentechnikgesetz Seehofer die Möglichkeit, eine Schutzklausel zu aktivieren. Unter Anwendung des Vorsorgeprinzips kann er den Anbau stoppen, wenn von der Gen-Pflanze eine Gefahr für die Umwelt ausgeht.
Auch im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) ist festgehalten, dass Beschränkungen des Handels aus nicht wirtschaftlichen Gründen möglich sind. Zahlreiche Länder wie Polen, Ungarn, Österreich, Schweiz und Griechenland haben diese Möglichkeiten bereits genutzt und den Anbau von Gen-Mais verboten. Nur Seehofer hält unbeirrt an seiner gentechnikfreundlichen Politik fest. Offensichtlich erachtet er die Interessen der Industrie wichtiger als den Schutz von Mensch und Umwelt.
(Text: Gerd Kulik, Sigrid Totz)