Geplantes EU-Mercosur-Handelsabkommen verstärkt Gefahren für die Artenvielfalt
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Eine Messerspitze Fipronil: So eine geringe Menge von dem Pestizid würde rein rechnerisch ausreichen, um 84.000.000 Bienen zu töten. Richtig gelesen: 84 Millionen. Schon diese theoretische Überlegung zeigt, wie hochgefährlich der Stoff ist. Doch die wahrhaft dramatische Zahl kommt erst noch: Im Jahr 2018 setzten Firmen wie BASF in Brasilien 1.689.708 Kilogramm von dem Wirkstoff ab.
Dass Fipronil gefährlich für Bienen ist, erkennt die Europäische Union an. Deshalb widerrief sie die Zulassung mit Wirkung zum Jahr 2017. Doch wer denkt, dass das Gift damit insgesamt vom Markt verschwindet, hat sich getäuscht. Was für EU-Länder zu gefährlich ist, kommt anderswo durchaus noch zum Einsatz: Denn EU-Länder wie Deutschland erlauben hier ansässigen Unternehmen wie Bayer und BASF, solche Gifte weiterhin zu exportieren und zum Beispiel in Ländern Südamerikas wie Brasilien zu vertreiben.
Wie eine Greenpeace-Untersuchung anlässlich des Tages der Artenvielfalt zeigt, sind beispielsweise mehr als die Hälfte der Wirkstoffe, die die deutschen Unternehmen Bayer und BASF in Brasilien vertreiben, als hochgefährliche Pestizide (HHP) eingestuft beziehungsweise in der EU teils nicht mehr zugelassen. Beispiele sind die stark bienengefährlichen Wirkstoffe Imidacloprid, Chlorpyrifos und eben Fipronil. Letzteres kennen manche vielleicht als Mittel gegen Flöhe, was sie bei ihren Hunden oder Katzen im Nacken aufbringen. Industrielle Landwirtschaftunternehmen versprühen in Brasilien Pestizidprodukte mit solchen Wirkstoffen großflächig aus dem Flugzeug, zum Beispiel auf ihren Sojafeldern. Damit landet das Gift dann über die Futtertröge der Kühe und des Geflügels auch in der menschlichen Nahrungskette.
Das Herbizid Glufosinat ist hierfür ein Beispiel. Rückstände dieses als hoch gefährlich eingestuften Unkrautvernichtungsmittels sind in der EU etwa in Soja und Fleisch zulässig. Dabei ist seit Jahren bekannt, dass dieser Wirkstoff die Fruchtbarkeit oder Föten schädigen kann. Der Hersteller nahm es vom Markt, als klar wurde, dass es die EU-Zulassungskriterien nicht mehr erfüllt.
EU-Mercosur-Abkommen verstärkt den Kreislauf
Die EU hat mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, ein Handelsabkommen verhandelt, das die Probleme verschärfen würde. So sollen die Mercosurländer laut dem derzeit im Ratifizierungsprozess befindlichen Abkommen beispielsweise größere Mengen Rindfleisch zu vorteilhaften Zollbedingungen in die EU exportieren dürfen. Mehr Fleisch von Kühen, die sich von mit giftigen Pestiziden behandeltem Soja ernährt haben, würde dann hierzulande auf den Tellern landen. Gleichzeitig würde sich vor Ort der Bedarf nach Futtersoja erhöhen.Hinzu kommt, dass durch das Abkommen die bisher bestehenden Zölle auf die Pestizide wegfallen sollen, wodurch der Absatz wohl weiter steigen wird. Dabei ist die Artenvielfalt schon jetzt massiv unter Druck; beispielsweise verendeten allein im Januar 2019 50 Millionen Bienen im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina an den im Soja-Anbau eingesetzten Pestiziden und im ganzen Lande 400 Millionen Bienen.
Immerhin: Der Widerstand gegen das Abkommen wächst. Länder wie Österreich und Frankreich fordern Nachbesserungen. Frankreich betont dabei explizit, dass Umweltfragen mehr Gewicht bekommen müssen. Auch hat das Land ein Gesetz verabschiedet, das ab 2021 den Export dort nicht zugelasser Pestizide verbietet.
Deutschland könnte hier nachziehen. Stattdessen ist es bisher sogar Treiber des EU-Mercosur-Abkommens. “Das muss sich ändern”, sagt Jürgen Knirsch, Greenpeace-Experte für Handelsthemen. “Deutschland muss das Abkommen stoppen, denn es wäre Belohnung und Bestätigung für Bolsonaro, der jedweden Umweltschutz mit den Füßen tritt. Wenn Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, hat es die Möglichkeiten dazu.”
20200521-greenpeace-flyer-eu-mercosur-kurzanalyse.pdf
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