Bienensterben - Was wäre, wenn?
- mitwirkende Expert:innen Christiane Huxdorff
- Hintergrund
Bienen sind nicht nur für die biologische Vielfalt und ein funktionierendes Ökosystem bedeutend, sie leisten auch einen wichtigen Beitrag zu abwechslungsreicher und ausgewogener Ernährung. Etwa jeder dritte Bissen, den wir zu uns nehmen, ist von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Durch die industrielle Landwirtschaft und den Einsatz von Pestiziden werden jedoch ihre natürlichen und naturnahen Lebensräume immer mehr vernichtet.
In den vergangenen Jahren starben mehr und mehr Bienen – vor allem Wildbienen, aber auch Honigbienen. Nicht nur viele europäische Länder leiden unter einer ungewöhnlich hohen Sterberate der Bienenvölker. Weltweit berichten Imker:innen seit den späten 1990er Jahren von einem plötzlichen und unerklärlichen Rückgang. In den vergangenen Jahren häuften sich jedoch die Meldungen über das Bienensterben massiv. Allein in Deutschland sterben bis zu 30 Prozent der Bienenvölker - im Winter 2002/2003. Im Winter 2019/2020 verzeichneten Imker:innen Verluste zwischen 14,6 und 16,4 Prozent. Etwa die Hälfte der 570 Wildbienenarten hierzulande steht auf der Roten Liste.
Wie wichtig sind Bienen und andere Bestäuber für unsere Ernährung?
Ohne die nützlichen Bestäuber würden wir zwar nicht verhungern, aber was wäre ein Montagmorgen ohne Kaffee, ein Sommer ohne Erdbeeren oder ein Reibekuchen ohne Apfelmus? Einige Nahrungsmittel wie Weizen, Reis und Mais werden zwar vor allem mit Hilfe des Windes befruchtet. Aber mit über 80 Prozent ist der Großteil der Blütenpflanzen weltweit von der Bestäubung durch Tiere abhängig. Ohne Bienen würden die Erträge von bis zu drei Vierteln der Nutzpflanzen stark schrumpfen.
Vor allem verschiedene Obst- und Gemüsesorten wären von einem starken Ertragsrückgang betroffen: darunter Äpfel, Birnen, Tomaten, Zucchini und Mandeln. Allein in Europa gibt es 4.000 Gemüsesorten nur Dank Insekten, deren wirtschaftlicher Nutzen laut des Bienenreports “Bye, bye Biene” global auf 265 Milliarden Euro geschätzt wird.
Tatsächlich ist die natürliche Bestäubung unersetzbar – Bienen und andere Bestäuber sind damit unendlich wertvoll. Sie tragen einen großen Teil zum Erhalt der biologischen Vielfalt und damit zu einem funktionierenden Ökosystem bei: Ohne sie könnten sich Wildgewächse kaum fortpflanzen, was wiederum für verschiedene Tiere den Verlust von Nahrung und Wohnstätte bedeuten würde.
Der Dienst der Biene ist für Natur und Mensch zentral und mittlerweile sogar ein lohnendes Geschäft geworden: Farmer:innen bezahlen in den USA Imker:innen dafür, dass sie ihre Bienenvölker in die Nähe der Felder bringen und dort ausschwärmen lassen. Doch die zum Teil weite Reise im LKW stresst die Tiere und schwächt sie.
Zwar gibt es neben der Biene noch andere Bestäuber wie beispielsweise Falter, Fliegen, Käfer und einige Vogel- und Säugetierarten. Doch in den meisten Regionen – vor allem in Europa und Nordamerika – kommt ihr bei der Bestäubung die überwiegende und wichtigste Rolle zu. Dazu kommt, dass die industrialisierte Landwirtschaft nicht nur Bienenvölker immens schädigt, sondern direkt oder indirekt auch andere Tiere. So ist etwa die Population von Hummeln und anderen befruchtenden Insekten rückläufig, sind sie doch genauso empfindlich gegenüber Pestiziden und haben mit ähnlichen Parasiten und Problemen zu kämpfen.
Warum sterben die Bienen?
Die Ursachen des Bienensterbens sind bis heute nicht umfassend erforscht, doch klar ist: Schwindende Lebensräume mit ausreichendem Futterangebot, Klimawandel, Parasiten wie Varroamilben und Krankheiten tragen zum Bienensterben bei. Bienen finden immer seltener sichere Nahrungsquellen und Wildbienen zudem immer weniger Rückzugsgebiete. So musste Wildnis in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend dem Straßen- und Gebäudebau oder der Landwirtschaft weichen. Auf den Äckern der konventionellen Landwirtschaft wachsen in der Regel Monokulturen wie Raps oder Mais – für Vielfalt ist kaum Platz, die den Insekten auch über die Blütezeit der Wirtschaftspflanze hinaus Nahrung bietet,. Damit fehlt den Tieren ein ausreichendes Nahrungsangebot.
Hinzu kommt, dass in Monokulturen hochgiftige Pestizide - eingesetzt werden. Viele davon – zum Beispiel lnsektizide – sind wahre Bienenkiller. Sie schädigen das zentrale Nervensystem der Tiere. Die zum Großteil verbotenen Neonicotinoide können zu einer chronischen Vergiftung führen und haben oft tödliche Folgen für einzelne Insekten oder gar ganze Bienenvölker. Dies passiert etwa, wenn Arbeiterbienen durch Pestizidwolken fliegen oder wenn sie ihrer Brut verseuchten Nektar und Pollen bringen.
Welche Pestizide sind besonders bienengefährdend?
Als besonders gefährlich für Bienen hat Greenpeace diese sieben Pestizide eingestuft: Imidacloprid, Thiamethoxam, Clothianidin, Fipronil, Chlorpyrifos, Cypermethrin und Deltamethrin.
Die ersten drei Pestizide gehören zu der Gruppe der Neonicotinoide und wirken systemisch. Sie bleiben also nicht an der Oberfläche der Pflanze, sondern dringen in ihr Gefäßsystem ein. Beizmittel umhüllen den Pflanzensamen, damit dieser bei der Aussaat geschützt ist. Wenn der Samen dann anfängt zu wachsen, verteilen sich die Pestizide in der Pflanze und gelangen so auch auf die Pollen und in den Nektar. Pollen sind die Haupteiweißquelle der Honigbienen und damit entscheidend für die Ernährung und die Gesundheit der Bienen. Die Pestizidrückstände auf Pollen und Nektar werden also von den Bienen aufgenommen.
Die Pestizide Fipronil, Chlorpyrifos, Cypermethrin und Deltamethrin wirken nicht bzw. nur mäßig systemisch.
Alle genannten Chemikalien erhöhen die Sterblichkeit, führen zu Entwicklungsstörungen, beeinträchtigen die Sammel- sowie die Lernfähigkeit der Bienen. Das heißt: Bienen erkennen nur noch eingeschränkt Blüten und Nistplätze wieder. Durch das gestörte Geruchsgedächtnis und die behinderte Navigation finden sie nach dem Sammelflug nicht zu ihrem Bienenstock zurück.
Pestizide verbieten
Greenpeace fordert daher, dass die als besonders gefährlich eingestuften Pestizide verboten und aus der Umwelt verbannt werden.
Auch die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten ist für ein vorübergehendes Verbot von drei der sieben Wirkstoffe: Im April 2013 trat in der EU ein Gesetz in Kraft, das den Einsatz von Imidiacloprid und Clothianidin von Bayer und Thiamethoxam von Syngenta beim Freilandanbau verbot. Im Dezember 2013 verbot die EU auch Fipronil von BASF und Bayer.
Allerdings enthält die Verordnung auch eine Reihe von nicht ganz unwichtigen Ausnahmen. So ist der Pestizideinsatz in geschlossenen Systemen wie Gewächshäusern weiterhin nicht verboten. Auch Pflanzen, die als nicht attraktiv für Bienen gelten, und Getreide, welches im Winter ausgesät wird, dürfen weiterhin mit den Insektiziden behandelt werden. Auf Pflanzen, die nicht mehr blühen, dürfen die Gifte ebenfalls angewendet werden. Außerdem sind die in Europa verbotenen Pestizide für den Export freigegeben. Einzig die Anwendung im privaten Bereich ist komplett untersagt.
„Diese Verbote sind ein erster dringend notwendiger Schritt in Richtung Bienenschutz”, sagt Christiane Huxdorff, Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace. Fast alle Entscheidungsträger:innen in der EU haben dies offensichtlich verstanden. Nun muss das Verbot konsequent umgesetzt werden, die Ausnahmen dürfen nicht zu Schlupflöchern werden.” So wiesen Stichproben von Greenpeace im Jahr 2021 auf Zuckerrüben-Feldern in Deutschland Thiamethoxam nach. Zudem gibt es eine Reihe weiterer Pestizide, die nicht verboten wurden, aber für Bienen eine tödliche Gefahr darstellen. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Wirtschaft Verantwortung für den Bienenschutz übernimmt. Greenpeace hat bei den Baumarktketten Obi, Praktiker und Toom gegen den Verkauf von Pestiziden protestiert. Die Unternehmen haben reagiert und die entsprechenden Produkte teils ausgelistet.
Die Lösung: eine ökologische Landwirtschaft
Mittel- und langfristig braucht es jedoch weitergehende Maßnahmen. Die auf chemisch-synthetischen Pestiziden basierende Landwirtschaft muss sich neu und ökologischer ausrichten. Dafür muss die Politik Leitplanken mit entsprechenden Förderprogrammen aufstellen: So sollten Landwirt:innen vernünftige Fruchtfolgen einhalten. Schädlinge auf dem Acker werden damit nachhaltiger bekämpft als durch Chemiekeulen. Natürliche und naturnahe Lebensräume in der Agrarlandschaft müssen gefördert werden. Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen und der Schutz noch intakter Ökosysteme tragen dazu bei, für Bienen eine Umgebung zu schaffen und zu erhalten, die sie zum Leben benötigen. Dazu gehört etwa, Hecken und Wildblumenflächen zu pflanzen und Lebensräume miteinander zu verbinden. Für eine ökologisch nachhaltige, landwirtschaftliche Produktion können auch Verbraucher:innen aktiv werden - mit jedem Einkauf. Mit der richtigen Wahl im Supermarkt und auf dem Wochenmarkt können Verbraucher:innen mithelfen, Umwelt, Tiere und die eigene Gesundheit vor gefährlichen Pestiziden zu schützen, etwa indem Bioprodukte im Einkaufskorb landen - am besten regionale und saisonale Produkte.
Bienen retten – das können Sie tun
- Möglichst Produkte aus ökologischem Anbau kaufen. Die Bio-Landwirtschaft verzichtet auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, setzt auf robustere Pflanzensorten sowie vielfältige Fruchtfolgen.
- Bienen- und insektenfreundliche Pflanzen im Garten oder auf dem Balkon pflanzen bzw. säen.
- Beim Gärtnern keine für Bienen gefährliche Spritzmittel einsetzen
- Insektenhotel bauen
- Und für die Fortgeschrittenen: Imker:in werden
Weiterführende Informationen zur bienenfreundlichen Gestaltung von Garten und Balkon sowie zum Imkern und zum Bau eines Wildbienenhauses erhalten Sie im Greenpeace-Bienenratgeber.