Wie gesunde Ernährung für alle aufs Klima wirkt
- Ein Artikel von Nina Klöckner
- Hintergrund
Eine Ernährung mit weniger Fleisch und Milch würde den Flächenverbrauch in der Landwirtschaft um 40 Prozent reduzieren, zeigt eine Greenpeace-Studie. Wie sich eine gerechte und ökologische Grundversorgung aller umsetzen ließe, haben 30 Verbände skizziert.
Jede und jeder von uns kennt diese Momente vor dem Kühlregal, dem Gemüsestand, dem Tresen in der Kantine oder dem heimischen Kühlschrank: Was soll ich heute essen? Und wie viel? Dabei treffen wir, das haben Wissenschaftler herausgefunden, täglich etwa 200 Entscheidungen. Das hört sich viel an. Und auch ein bisschen anstrengend. Auf der anderen Seite ist es aber auch eine riesige Chance. Wir können 200 Mal am Tag eine richtige und wichtige Entscheidung treffen – für uns und unseren Planten.
Doch nicht alle Menschen können sich eine vollwertige Ernährung leisten - vielen fehlt das Geld, um nachhaltig, umweltfreundlich und klimaschonend erzeugte Lebensmittel bezahlen zu können. Deshalb hat Greenpeace gemeinsam mit mehr als 30 Verbänden und Initiativen die Bundesregierung aufgefordert, in ihrer Ernährungsstrategie wirkungsvolle Maßnahmen für eine gerechte und ökologische Grundversorgung mit nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln vorzusehen.
Das Recht auf angemessene Nahrung ist ein Menschenrecht. Deshalb fordert das Bündnis staatliche Verantwortung für eine barrierefreie Grundversorgung im Sinne einer ausgewogenen und nachhaltigen Ernährung im Rahmen der planetaren Grenzen (Planetary Health Diet) ein. Für benachteiligte und schutzbedürftige Menschen ist der Zugang besonders zu sichern.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) arbeitet derzeit an einer neuen Ernährungsstrategie. Doch im bislang vorliegenden Entwurf fehlen noch Antworten auf viele soziale Fragen. Zu den fünf Forderungen des Bündnisses gehören zuallererst der Zugang zu einer warmen Mahlzeit pro Tag aus ökologisch erzeugten, gesunden Nahrungsmitteln für alle Menschen sowie eine Grundsicherung mit einem deutlich höheren Regelsatz, die eine gesunde, ökologische Ernährung ermöglicht. Vollwertiges ökologisch erzeugtes Essen muss in allen öffentlich finanzierten Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung zur Regel werden. Und besonders für Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen sollte gesunde Ernährung aus umweltfreundlich erzeugten Nahrungsmitteln erlebbar gemacht werden. Kinder und Jugendliche sollten lernen, leckeres und gesundes Essen zuzubereiten und Ernährungskunde sollte Teil des Unterrichts werden.
Außerdem schlägt das Bündnis vor, klimafreundliche pflanzliche Lebensmittel von der Mehrwertsteuer zu befreien. Das wäre nicht nur eine Entlastung für Menschen, die unter den stark gestiegenen Lebensmittelpreisen leiden, sondern auch ein Anreiz weniger Fleisch und Milchprodukte und mehr Obst und Gemüse zu essen.
Denn wenn sich die Menschen in Deutschland künftig so ernähren, wie es für sie gesund und für den Planeten gut ist, könnten sie drei Viertel der Treibhausgase einsparen, die heute durch die Landwirtschaft entstehen. Und diese Ernährungswende hätte noch mehr positive Seiten. Die Landwirtschaft benötigte nur noch 60 Prozent der Äcker und Weiden für die Ernährung der Bevölkerung. Auf den freiwerdenden Flächen könnten Lebensmittel für den Export erzeugt werden, um zusätzlich bis zu 70 Millionen Menschen zu ernähren. Alternativ könnten Wälder gepflanzt werden, um die Landwirtschaft in Deutschland in Zukunft nahezu treibhausneutral zu machen.
Das ist das Ergebnis der Studie "Gesundes Essen fürs Klima", die das Ökoinstitut Deutschland im Auftrag von Greenpeace erstellt hat. „Die Ergebnisse sind deutlich", sagt Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace. "Mit einer Ernährungswende können wir nicht nur das Klima schützen, sondern auch Flächen sparen und ökologischer wirtschaften.“
Für eine sozial gerechte Ernährungswende
Die Wissenschaftler:innen legten für die Berechnungen die „Planetary Health Diet“ der EAT Lancet Kommission zugrunde, in der eine nachhaltige und gesunde Ernährung für eine wachsende Weltbevölkerung beschrieben ist. Der gemeinnützigen Organisation, die von Stordalen Stiftung, Stockholm Resilience Centre und dem Wellcome Trust gegründet wurde, gehören Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus unterschiedlichen Disziplinen an, unter anderem aus der Klimaforschung und den Ernährungswissenschaften.
In Deutschland verringerte die Umstellung der Ernährung nach dem Vorbild der "Planetary Health Diet" den Konsum tierischer Lebensmittel um 75 Prozent. Im Gegenzug erhöhte sich der Verzehr von Gemüse, Obst, Nüssen und Hülsenfrüchten deutlich. Das hätte enorme Auswirkungen auf die Produktion und damit auf den Ausstoß an Treibhausgasen.
Die Landwirtschaft ist in Deutschland für 13 Prozent des bundesweiten Treibhausgasausstoßes verantwortlich, etwa 95 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Für die Ernährung werden 81 Millionen Tonnen ausgestoßen, 80 Prozent davon stammen aus der Tierhaltung. Besonders hohe Emissionen entstehen bei der Bewirtschaftung von entwässerten kohlenstoffreichen Böden (ehemalige Moore). Würden wir uns hierzulande künftig nach dem Vorbild der „Planetary Health Diet“ ernähren und gleichzeitig die Umweltziele umsetzen, die im Klimaschutzgesetz festgelegt sind, würden die Emissionen des Landwirtschaftssektors erheblich sinken: von heute etwa 95 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf 23 Millionen Tonnen. Ein Großteil dieser Minderungen (31 Mio. t CO2) ist auf die Wiedervernässung der Moorstandorte zurückzuführen.
Ernährungswende braucht Maßnahmen der Politik
Wenn die Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln sinkt, müssen in Zukunft auch weniger Tiere gehalten werden. Die Umsetzung der Ernährungsempfehlung würde dazu führen, dass die Tierhaltung in Deutschland um rund 75 Prozent schrumpfen würde. Dadurch werden nicht nur die Emissionen reduziert, sondern zugleich große Agrarflächen frei, auf denen bisher Tierfutter angebaut wurde. Denn die Erzeugung von pflanzlichen Lebensmitteln benötigt für die gleiche Anzahl an Kalorien weniger Fläche als die von Fleisch und Milch. Es ständen 4,6 Millionen Hektar mehr Ackerland und 1,6 Millionen Hektar mehr Grünland zur Verfügung.
Derzeit ist der Fleischkonsum in Deutschland mit rund 55 Kilo pro Person und Jahr noch viel zu hoch. Das verschärft nicht nur Klimakrise, sondern schadet auch der Gesundheit. Der Wert liegt weit über dem, was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. „Die Ernährungswende ist besser für den Planeten und für uns“, so Hofstetter. Sie senkt das Risiko für viele Erkrankungen wie Diabetes, Darmkrebs und Herzinfarkte. „Wir fordern von der Politik jetzt umfassende Maßnahmen, um das Ziel der Ernährungswende in den kommenden Jahren zu erreichen. Die offiziellen Ernährungsempfehlungen sind anzupassen. Vor allem sind die Umweltkosten bei der Produktion von Milch und Fleisch einzuberechnen und die Viehbestände abzubauen“, sagt Hofstetter.“
Bis dahin können die Konsumentinnen und Konsumenten aber schon dafür sorgen, die richtigen Entscheidungen zu treffen – 200 Mal jeden Tag.
Gesundes Essen für das Klima
Anzahl Seiten: 80
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