Aktion Rettungsbrot
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Aus Futtergetreide lässt sich kein Brot backen? Mit fünf Tonnen Weizen und der Hilfe eines Müllers und eines Bäckermeisters hat Greenpeace den Gegenbeweis angetreten.
Dampfend kommen die runden Brote aus dem riesigen Ofen. Als sie abgekühlt sind, legt Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Matthias Lambrecht einen der goldgelben Laibe auf ein Holzbrett, schneidet die knusprige Kruste an und beißt schließlich in eine der Brotscheiben.
Einige Monate zuvor: Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine fielen die üblichen Getreidelieferungen zunächst komplett weg, bevor sie irgendwann wieder vereinzelt möglich wurden. Diese Verknappung macht das Essen für Menschen teurer und trägt dazu bei, dass in vielen Ländern immer mehr Menschen hungern. Und in Deutschland? Die landwirtschaftliche Fläche hier ist begrenzt. Umso erstaunlicher, dass knapp zwei Drittel der 16,6 Millionen Hektar dafür genutzt werden, Schweine, Kühe und Hühner zu ernähren und Rohstoffe für Biokraftstoff anzubauen. Das verschärft die Ernährungslage nochmal. Würde die Bundesregierung die Beimischung von Biosprit aus Getreide und Speiseöl zu Benzin und Diesel stoppen, wäre dies ein erster entscheidender Schritt. Doch in der öffentlichen Debatte um Essen, Tank oder Trog wird immer wieder behauptet, dass der Weizen, der an Tiere verfüttert oder zu Biosprit verarbeitet wird, nicht backfähig und daher nicht für die Lebensmittelproduktion geeignet sei Angesichts dieser kritischen Situation fasst Greenpeace einen Plan: Wir wollen zeigen, dass auch ein Großteil des Weizens, der bislang an Tiere verfüttert oder zu Biosprit verarbeitet wird, ein wertvolles Lebensmittel ist, das im Kampf gegen den Hunger zur Verfügung stehen könnte.
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Vom Korn zum fertigen Brot
Fünf Tonnen sogenannten Futterweizens - C-Weizen der Sorte Elixer - erstehen wir bei einem Landhandel. Er hat einen Rohproteingehalt von 11,3 Prozent. Damit gilt dieser Weizen normalerweise als “nicht backfähig. Doch stimmt das wirklich? Der Proteingehalt ist ein wichtiges, aber nicht das einzige Kriterium für die Backfähigkeit. Im Rahmen der geltenden Klassifizierung ist es jedoch das entscheidende Kriterium. In der Stelzenmühle in Bad Wurzach wird der Weizen von Müller Hermann Gütler zu Mehl der Type 550 vermahlen. Nach drei Wochen Ruhezeit kann das Mehl nach Römerstein zu Bäckermeister Heinrich Beck gebracht werden. Hier muss es die Backprobe bestehen.
Beck stellt sich bei der Teigzubereitung jeweils auf das Mehl ein, das je nach Ernte und Sorte zum Beispiel unterschiedliche Mengen an Wasser aufnimmt und unterschiedlich lang und stark geknetet werden muss. Genau so verfährt er auch mit unserem Mehl aus Futterweizen und setzt einen Vorteig an, der über Nacht ruht, bevor der eigentliche Teig hergestellt wird. “Auch Futterweizen ist ein wertvolles Lebensmittel von guter Qualität, das nicht verschwendet werden sollte”, ist Beck überzeugt. Trotzdem steigt die Spannung, als die geformten Brotlaibe in den Ofen geschoben werden. Nach einer Stunde werden sie mit großen Schiebern schließlich herausgeholt. Das Urteil von Lambrecht nach dem Probieren: “Schmeckt gut!”
Verschwendung beenden!
Die Aktion Rettungsbrot belegt die Einschätzung von Wissenschaftlern wie dem Getreideforscher Friedrich Longin von der Universität Hohenheim. Er geht davon aus, dass rund 80 Prozent des Weizens, der in Deutschland geerntet wird, als Lebensmittel genutzt werden könnten - und nicht nur 30 Prozent wie bisher. Damit diese Verschwendung ein Ende findet, ist Cem Özdemir gefragt. Als Mitglied der Bundesregierung und Minister für Ernährung trägt er in dieser Krise besondere Verantwortung! Er hat sich wiederholt dazu bekannt, dass der Teller Vorrang vor Tank und Trog haben sollte. “Jetzt muss Özdemir seinen Worten auch Taten folgen lassen und den Ausstieg aus dem Biosprit durchsetzen”, fordert Lambrecht. “Es ist verantwortungslos, in Deutschland weiter Getreide und Ölsaaten zu Biosprit zu verarbeiten und ohne Tempolimit in Verbrennungsmotoren zu verheizen.” Diese wertvollen Lebensmittel werden jetzt im Kampf gegen den Hunger dringend gebraucht.