Wie unser Ressourcenhunger unsere Biodiversität aufzehrt
- Überblick
Biodiversitätsverluste sind eine Folge der Klimakrise. Aber auch unser Hunger nach Ressourcen ist eine der Ursachen für das weltweite Artensterben.
Weltweit steht die Biodiversität unter Druck, allem voran durch die Klimaerhitzung: Sie verändert und verschiebt Lebensbereiche in einem Tempo, indem viele Arten sich nicht anpassen können. Der Klimawandel und das Artensterben hängen also unweigerlich zusammen.
Aber die Artenkrise hat noch andere Ursachen, und eine davon ist unserer Ressourcenverbrauch. Die Weltbevölkerung wächst; und sie produziert und konsumiert mehr als je zuvor. Doch alles, was wir kaufen oder auch nur nutzen, wurde als Ressource der Natur entnommen – meist mit schädlichen Auswirkungen.
Der Ressourcenhunger beginnt bei Lebensmitteln
Denken wir an unser tägliches Essen: Nutzpflanzen benötigen landwirtschaftliche Flächen und wachsen zu oft in Monokulturen mit geringer bis gar keiner Artenvielfalt. Diese Flächen nehmen den Platz ein, den vorher ursprüngliche Gebiete hatten, mit unberührtem und entsprechend großem Artenreichtum.
Etwa 50,6 Prozent der Landfläche in Deutschland dient der Landwirtschaft. Überdies entfallen 14,5 Prozent auf Siedlungen und Verkehr. (Umweltbundesamt) Bereits diese zwei Zahlen machen klar, dass fast zwei Drittel der Flächen allein in Deutschland keine natürliche Artenvielfalt mehr haben.
Etliche Lebensmittel kommen gar nicht von deutschen Äckern, etwa Soja, Kaffee, Tee sowie exotische und außersaisonale Obst- und Gemüsesorten. Dann ist unser Konsumhunger dafür verantwortlich, dass nicht nur bei uns, sondern weltweit artenreiche Natur durch artenarme Monokultur-Landwirtschaft ersetzt wird. Und bei der Fischerei ist es sogar in direkter Weise so, dass unser Konsum verantwortlich für Überfischung ist und Arten an den Rand der Ausrottung bringt.
Minen: Rohstoffe auf Kosten der Biodiversität
Viele Alltagsgegenstände sind ohne Rohstoffe wie Eisen, Kupfer, Aluminium oder Seltene Erden gar nicht denkbar. Ihre Förderung richtet enorme Umweltschäden an: Für Minen werden die oberen Böden und damit die Lebensgrundlage für lokale Tier- und Pflanzenarten abgetragen. Waldrodung für Minen, Unterkünfte und Transportwege zerstören weitere Biodiversität.
Oft werden die Metalle mit Säuren aus dem Boden gelöst. Zurück bleiben Giftstoffe, die oft hemmungslos in der Natur entsorgt werden. Ein Beispiel ist Aluminium, das Deutschland oft aus Brasilien importiert. Um das dafür notwendige Bauxit zu fördern, roden Unternehmen große Gebiete im tropischen Regenwald und bauen für die Aluminiumgewinnung aus Bauxit dafür eigens Staukraftwerke. Hierfür werden Flüsse umgeleitet und für die Stauflächen weitere Wälder gerodet und damit Lebensraum vernichtet. Und der bei der Alu-Gewinnung anfallende rote Giftschlamm ist umweltschädlich und verursacht immer wieder massives Fischsterben.
Anders gesagt: Die Alufolie einer Kaffeekapsel zerstört die Biodiversität im Regenwald. Verkehrsmittel und Gebäude aus Stahl verwenden dafür Eisen, dessen Klimafußabdruck zu den größten überhaupt gehört. Gold in Schmuck oder als „sichere Geldanlage“ zerstört ebenso die Natur. Mehr dazu im Beitrag Goldrausch in Brasilien zerstört Biodiversität. Aber auch unsere Computer, Smartphones, Fernseher und die dafür notwendigen Infrastrukturen (Mobilfunknetze, Internet, Server) sind ohne die Metalle aus den weltweiten Minen nicht denkbar, ebenso wie die Akkus in Handys, Tablets und Elektroautos.
Die Ressourcen in den Minen sind endlich, daher gieren Industrien und Nationen nach immer neuen Rohstoffquellen. Die ersten Projekte für Tiefseebergbau starten, und mit ihnen zerstören wir für Ressourcen dann auch die Biodiversität in den Meeren.
Verpackungen machen Wälder artenarm
Praktisch alles, was wir heute konsumieren, ist in irgendeiner Weise verpackt, ungefähr die Hälfte in Plastik, die andere Hälfte in Papier und Pappe. Sie gelten vielen als „nachhaltig“ – doch für Papierprodukte wird weltweit jeder fünfte Baum gefällt und damit der Artenreichtum der Wälder ruiniert.
Für die Vernichtung der nordischen Urwälder in beispielsweise Schweden, Finnland oder Kanada ist vor allem der weiterhin wachsende Bedarf nach Papier, Pappe und Zellstoff verantwortlich. Auch aus Brasilien und damit aus dem noch artenreichen Regenwald kommt immer mehr Zellstoff für Papiere und Verpackungen.
Industrielle Aufforstung kann die Artenvielfalt nicht erhalten: Baumplantagen entwickeln sich zwangsläufig anders als ein natürlicher Wald, in dem Bäume auch nach ihrem Leben zum Beispiel als Totholz für Insekten und Pilze zur Verfügung stehen. Durch die Waldwirtschaft, so wie sie heute meist betrieben wird, geht die enthaltene Artenvielfalt zwangsläufig zurück: Tausende von Säugetieren, Reptilien, Vögeln, Insekten, Pflanzen, Kräutern, Pilzen und andere Arten sind dadurch bedroht.
Was die Bekleidungsindustrie mit Artenverlust zu tun hat
Etwa die Hälfte aller Textilien besteht aus Baumwolle. Baumwollfasern sind daher einer der wichtigsten Rohstoffe für Textilien und zugleich biologisch abbaubar, anders als Kunstfasern. Unproblematisch ist Baumwolle aber trotzdem nicht: Der Anbau verbraucht viel Wasser – und ungeheure Mengen an Pestiziden: Mehrmals pro Saison werden die Pflanzen mit Giften eingesprüht.
Das ist notwendig, denn die Baumwolle wird in gigantischen Monokulturen angebaut und ist daher besonders anfällig für Krankheiten und Befall von Schädlingen. Ausgenommen sind hier kleine Baumwollplantagen, die nach biologischen Standards weniger Schaden anrichten. Speziell gentechnisch veränderte Baumwolle jedoch kann mit Pflanzenvernichtungsmitteln wie Glyphosat behandelt werden, die außer der Gen-Pflanze praktisch alles pflanzliche Leben im Boden vernichten – und genau das passiert weltweit im großen Maße!
Das bedeutet: Nicht nur werden auch für unsere Textilien artenreiche Wälder und Grünflächen abgeholzt und zu biodiversitätsarmen Monokulturplantagen gemacht, auch werden die letzten dort lebenden Organismen noch mit Ackergiften bekämpft. Anders gesagt: Wo Baumwolle wächst, lebt sonst kaum noch etwas.
Hinzu kommt das Problem der industriellen Herstellung von Kleidung. Seit Jahrzehnten nutzen Unternehmen die Natur und insbesondere unsere Flüsse und Ozeane als Abladeplatz für gefährliche Chemikalien, die sowohl Menschen als auch ganze Ökosysteme krank machen.
Mit der Kampagne “Detox my Fashion” will Greenpeace erreichen, Unternehmen die Möglichkeit zu geben, eine positive Rolle beim Schutz des Planeten zu spielen. Die Modeindustrie muss sich verpflichten, die Freisetzung von Chemikalien zu beenden.
Autos, Möbel, Lederware und der Artenschwund
Leder ist allgegenwärtig: Als Innenausstattung von Autos, als Möbelbezug, als Geldbeutel und Taschen, als Schuhe. Leder gilt als „natürliches Material“ und man sieht ihm nicht an, dass es die globale Biodiversität schädigt. So ist Brasilien beispielsweise einer der größten Exporteure von Rindsleder. Und auch für die Rinderzucht wird Regenwald abgeholzt und dabei Artenvielfalt vernichtet. Daher können nur wenige Lederanbieter gesichert ausschließen, dass ihr Leder im Zusammenhang mit der Abholzung artenreicher Regenwälder steht.
Aber auch die Lederverarbeitung hinterlässt global Spuren. Der größte Teil des Leders wird in Asien gegerbt – unter sehr schlechten Arbeits- und Umweltbedingungen. Die eingesetzten Chemikalien verändern das Erbgut und sind oft krebserregend. Bangladesch gilt als eine der Hochburgen für die Ledergerbung, die giftigen Gerbbrühen fließen dort teils direkt durch die Straßen und gelangen ungefiltert in Flüsse, wo sie die Tier- und Pflanzenwelt schädigen.
Energiegewinnung vernichtet biologische Vielfalt
Theoretisch hätten wir mit den Erneuerbaren ausreichend Energie, noch dazu regenerativ statt begrenzt. Stattdessen ziehen es die meisten Nationen noch immer vor, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen. Mit enormen Kosten, wie man nicht nur an der aktuellen Energiekrise erkennen kann, die es nicht gäbe, hätten mehr Länder früher auf eine erneuerbare Energiewirtschaft umgestellt.
Für Braunkohle werden Wälder rücksichtslos gerodet, die Erdoberfläche abgetragen und dabei die Vernichtung des jeweiligen Lebensraums in Kauf genommen.Nach diesem Prozess hat es die Artenvielfalt dort sehr schwer, wieder Fuß zu fassen. Auch bei Erdöl sind Verarbeitung und Transport gefährlich: Undichte Bohrlöcher, berstende Pipelines und havarierende Tanker zerstören seit Jahren das Leben in ihrer Umgebung. Fossile Energien heizen außerdem das Klima auf und sind daher eine Hauptursache für die weltweite Artenkrise. Details dazu im Beitrag über Biodiversität.
Immer wieder wird Atomkraft als „saubere“ Alternative ins Spiel gebracht. Auf dem Papier mag das beim Einzelaspekt CO2 sogar stimmen. Doch selbst wenn man Faktoren wie Strahlung mal beiseite lässt: Auch Uran ist eine Ressource, die mühsam abgebaut werden muss: Uran wird, wie andere Metalle auch, mit Säuren und Laugen aus Gestein gelöst – unter Inkaufnahme von Umweltschäden auf die lokale Umgebung. Die größten Uran-Exporteure sind weltweit Niger, Kasachstan und Russland – nicht gerade die ersten Adressen in Sachen Umweltfragen und Erhalt der Artenvielfalt.
Grad.jetzt – wo Klima und Ökosysteme kippen
Für ihre Reportage-Reise grad.jetzt besuchen Naturfotograf Markus Mauthe und Journalistin Louisa Schneider verschiedene Teile der Erde. Sie dokumentierten die Waldbrände in Brasilien, sprachen mit einem Meteorologen über den Regenwald als Kipppunkt und werden bald noch weitere Kipppunkte dokumentieren. Besuche den Instagram-Kanal grad.jetzt, um mehr über den Zusammenhang von Biodiversität, Klimakrise und Kipppunkten zu erfahren.
Mehr erfahrenWarum wir Effizienz, Suffizienz und Konsistenz anstreben sollten
Oben Genanntes waren nur einige Beispiele,wie unser Ressourcenhunger die Artenkrise verursacht und den globalen Artenreichtum gefährdet. Die Nutzung natürlicher Ressourcen übersteigt dabei schon heute meist die Regenerationsfähigkeit der Erde. Und bei nicht-regenerativen Rohstoffen ist ohnehin klar, dass diese begrenzt sind.
Doch noch haben wir die Möglichkeit, unsere Wirtschaft umzustellen – auf einen Dreiklang aus Suffizient, Effizienz und Konsistenz:
- Effizienz: Hier geht es um alle Möglichkeiten, Ressourcen besser zu nutzen. Ökoeffizienz kann rein technisch verstanden werden, etwa durch effizientere Verkehrsmittel, die weniger Energie verbrauchen, um den gleichen Weg zurückzulegen, oder Häuser, die besser gedämmt sind. Dieses Konzept ist sehr bekannt und wir wenden es mit „Sparsamkeit“ im Alltag wohl alle schon an.
- Suffizienz: Darunter versteht man die Fähigkeit, mit möglichst wenig auszukommen, um weniger Energie und Rohstoffe zu verbrauchen. Dazu muss man Konsum und Ansprüche zurückschrauben, und doch geht es nicht einfach um Verzicht – sondern um einen „Verbrauch mit Augenmaß“. Brauchen wir mehrere Tablets und Notebooks? Muss jeder ein Auto besitzen, manche zwei? Minimalismus oder Sharing-Economy sind Wege, um solche Fragen zu beantworten.
- Konsistenz oder Ökoeffektivität: Dabei verfolgt man Methoden, um Ressourcen so zu nutzen, dass die dabei belasteten Ökosysteme möglichst nicht geschädigt werden. Vorbild sind natürliche Ökosysteme, in denen einzelne Arten zwar verschwenderisch handeln (es gibt mehr Früchte an einem Baum, als für die Fortpflanzung notwendig), aber dennoch nicht die Umwelt schädigen (Fallobst gelangt zurück in biologische Kreisläufe und ist dabei auch noch nützlich für die Artenvielfalt).
Wichtig ist, dass keine dieser Maßnahmen allein gedacht werden sollte. Zum Beispiel erlaubt es Suffizienz alleine nicht, unterhalb eines gewissen Verbrauchs- und damit Schadensniveaus zu gelangen – und ist immer auch eine heikle Frage dessen, was Menschen für ihren Alltag im Sinne eines glücklichen Lebens für sich beanspruchen dürfen oder wollen. Und an der Effizienzsteigerung arbeiten industrialisierte Länder seit Jahren: Sie erreichen damit wenig – weil parallel weiterhin der Verbrauch steigt, also nicht konkret an der Suffizienz gearbeitet wird.
Nur zusammen gedacht führen diese Ideen zu Lösungen, die uns einen geringeren Ressourcenverbrauch und damit dem Schutz der Biodiversität näherbringen.