"Biodiversität ist unsere Existenzgrundlage“
- Ein Artikel von Nina Klöckner
- Im Gespräch
Interview mit Katrin Böhning-Gaese vom Helmholtz-Zentrum über Artenschutz, Müßiggang bei der Gartenarbeit und Auswirkungen von Natur auf unsere Psyche.
Greenpeace: Sie werden oft mit der Aussage zitiert: Die Klimakrise entscheidet darüber, wie wir leben. Und die Biodiversitätskrise darüber, ob wir leben. Wie meinen Sie das?
Katrin Böhning-Gaese: Die Biodiversität ist für uns Menschen unsere Existenzgrundlage. Fast alles, was wir brauchen, sauberes Wasser, Essen, Medikamente, Kleidung, Bauholz, kommt aus der Natur. Die Biodiversität ist so etwas wie der Maschinenraum der Ökosysteme, der diese Leistungen zur Verfügung stellt.
Greenpeace: Das ist aber noch nicht alles, oder?
Böhning-Gaese: Nein, ganz wichtig ist auch, dass uns die Natur viele nicht materielle Leistungen zur Verfügung stellt: zum Beispiel Entspannung, Erholung, Gesundheit, vor allem psychische Gesundheit. Der Mensch fühlt sich in der Natur zu Hause, hat das Gefühl von Heimat, für viele ist die Natur Teil der eigenen Identität.
Greenpeace: Das hört sich alles toll an, aber ist es auch belegbar?
Böhning-Gaese: Ja, es gibt Untersuchung über die Biodiversität in Parks, also zum Beispiel wie viele Vögel es dort gibt. Und in der Nähe der Parks, die eine hohe Biodiversität haben, gibt es nachweisbar weniger psychische Erkrankungen, weniger Depressionen, weniger Angststörungen. Bis zu der Tatsache, dass die Apotheken in der Nähe dieser Parks weniger Medikamenten gegen diese Krankheiten verkaufen. Es ist also richtig messbar.
Greenpeace: Wie ernst ist denn die Lage?
Böhning-Gaese: Es gibt sehr gute Zahlen vom Weltbiodiversitätsrat. Der hat schon in seinem globalen Bericht von 2019 festgehalten, dass von den geschätzt acht Millionen Arten auf der Erde eine Million vom Aussterben bedroht sind. Die derzeitigen Aussterberaten sind mindestens 10- bis 100-mal so hoch wie in den letzten 10 Millionen Jahren. Das heißt, wir stehen ganz klar am Beginn des sechsten Massenaussterbens der Erdgeschichte. Das letzte war das, bei dem die Dinosaurier ausgestorben sind.
Greenpeace: Für viele Menschen wirkt das dennoch abstrakt. Können Sie es vielleicht mit einem konkreten Beispiel etwas anschaulicher machen?
Böhning-Gaese: In Indien haben Geier eine ganz wichtige Funktion, indem sie Aas entsorgen. Irgendwann wurde in der Tiermedizin das Mittel Diclofenac eingesetzt, um Entzündungen zu bekämpfen, etwa bei Rindern. Die damit behandelten Tiere haben das auch gut vertragen. Aber für die Geier ist es ganz massiv nierentoxisch. Die Populationen mehrerer lokaler Geierarten sind ganz dramatisch bis auf einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Bestände zurückgegangen. Das führte dazu, dass die toten Rinder nicht mehr von den Geiern gefressen wurden, sondern von anderen Tieren, darunter wilde Hunde. Die konnten sich dadurch stark vermehren. Und die übertragen Tollwut. Und das führte zu einem dramatischen Anstieg der Todesfälle bei den Menschen. Da merkt man, dass diese ganzen komplexen Verkettungen durchaus einen messbaren Effekt haben.
Greenpeace: In den Nachrichten wurde berichtet, dass die Igel nicht genug zu essen finden dieses Jahr, weil es nicht mehr genug Insekten und Würmer gibt. Was würde passieren, wenn wir keine Igel mehr haben?
Böhning-Gaese: Das ist eine der herausfordernden Fragen in der Biodiversität, die sich nicht so leicht beantworten lässt. Alle Arten sind Teil eines komplexen Netzwerkes von Interaktionen. Es gibt Arten, die sind Schlüsselarten, da verändert sich praktisch die ganze Artengemeinschaft, wenn man die rausnimmt, wie beim Biber oder den wieder einwandernden Wölfen. Das ist gut untersucht. Der Igel frisst Würmer und auch mal einen Engerling, er hat also auch eine Rolle in der Schädlingsbekämpfung. Ob man spüren würde, wenn der Igel weg wäre, weiß man nicht. Aber man nimmt dann halt eine Masche aus dem Netz des Lebens heraus und wenn man da so munter weitermacht, dann wird dieses Netz immer löchriger und wird irgendwann reißen. Für unsere Sicherheit brauchen wir viele Arten.
Landwirtschaft ist der wichtigste Treiber des Artensterbens in Europa
Greenpeace: Wie groß ist denn der Anteil der Landwirtschaft an diesem Artenrückgang?
Böhning-Gaese: Sowohl im Weltbiodiversitätsbericht von 2019 als auch im gerade veröffentlichten Faktencheck Artenvielfalt ist die Landwirtschaft als der wichtigste Treiber des Artensterbens identifiziert worden. In den Tropen reden wir da eher vom Verlust der Regenwälder, Savannen oder Feuchtgebiete, in Deutschland und Europa von der immer intensiver werdenden Landwirtschaft und allen Folgen, die damit verbunden sind.
Greenpeace: Ein Ehrenamtlicher von Greenpeace hat kürzlich ein Wochenende auf einem Bauernhof mitgearbeitet. Das Eindrücklichste für ihn war, als er auf einem Feldweg stand, links ein Biofeld, rechts ein konventionelles, links hat es gesummt und gebrummt, rechts war alles tot. Was muss die Landwirtschaft tun, damit sich das wieder ändert?
Böhning-Gaese: Es ist richtig, dass Bio hilft, im Mittel ist da die Artenvielfalt etwa 30 Prozent höher als im konventionellen Anbau. Die Landwirtschaft müsste wieder biodiversitätsfreundlicher werden, das geht auch im konventionellen Anbau. Zum Beispiel durch mehr Strukturen, Hecken, Randstreifen, kleine Feuchtgebiete, Blühstreifen, Brachen. Dazu kommt ein geringerer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger. Und der Anbau verschiedener Kulturen, also Fruchtwechsel statt Monokulturen bis zum Horizont.
Greenpeace: Was wäre für einen Landwirt der Anreiz? Müsste bei so einem Systemwechsel nicht die Politik nachhelfen?
Böhning-Gaese: Es gibt im Rahmen der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik die Möglichkeit, besondere Zuschläge für Ökolandbau zu bekommen. Man kann sogar Vertragsnaturschutz machen, wo man dafür entlohnt wird, dass man ganz spezifische Schutzmaßnahmen für einzelne Arten durchführt. Doch dieses Geld macht nur einen ganz kleinen Teil des EU-Haushalts und damit auch des deutschen Landwirtschafts-Haushalts aus. Die meisten Mittel werden immer noch nach der Fläche verteilt, große Betriebe bekommen viel, kleine Betriebe bekommen wenig Geld. Viele verschiedene Kommissionen fordern, dass die Entlohnung Richtung Gemeinwohl umgewidmet wird. Die Betriebe, die sich für Artenschutz, Klimaschutz, Wasserschutz einsetzen, sollten mehr bekommen und die anderen weniger. Und die pauschale Flächenprämie sollte gänzlich abgeschafft werden.
Greenpeace: Reicht das?
Böhning-Gaese: Die zweite wichtige Achse sind Schutzgebiete, die spielen eine ganz massive Rolle. Bei der Weltnaturkonferenz 2022 in Montreal hat sich die Weltgemeinschaft dazu entschieden, 30 Prozent der Flächen an Land und in den Meeren unter Schutz zu stellen. Und dann gibt es noch die europäische Biodiversitätsstrategie, die sagt, dass von diesen 30 Prozent noch mal 30 Prozent, also insgesamt zehn Prozent unter strengen Schutz gestellt werden sollen. Deutschland ist da auf einem guten Weg, in den Meeren, zumindest auf dem Papier, besser als die 30 Prozent, an Land noch drunter. Das Problem in Deutschland ist, dass auf vielem, wo Schutzgebiet draufsteht, kein Schutzgebiet drin ist. Es sind Papierparks. So darf man zum Beispiel in vielen der Nationalparks in der Nordsee in der Kernzone ganz reguläre Fischerei betreiben. Und wenn man sich anschaut, wie manch andere Gebiete in Afrika, in Südamerika geschützt sind, ist das eigentlich peinlich, was Deutschland da zulässt.
Biodiversität: Wirtschaft ist Teil des Problems, aber damit auch Teil der Lösung
Greenpeace: Es gibt ja noch andere Bereiche, die etwas Druck ausüben könnten. Wie sieht es beispielsweise mit der Wirtschaft aus?
Böhning-Gaese: Die Wirtschaft ist Teil des Problems, aber damit auch Teil der Lösung. Nach meiner Beobachtung ist die Wirtschaft gerade am Aufwachen. Der Welt-Risikobericht des Davoser Weltwirtschaftsforums listet unter den zehn größten Risiken für die nächsten zehn Jahre fünf Umweltrisiken auf. Und unter den Umweltrisiken sind der Biodiversitätsverlust und der Kollaps der Ökosysteme auf Platz drei. Die Wirtschaft hat also das unternehmerische Risiko identifiziert. Außerdem gibt es jetzt auf europäischer Ebene Berichtspflichten, das heißt, große Unternehmen müssen nun unter anderem über ihren Biodiversitäts-Fußabdruck berichten und auch über ihr Risiko, durch Biodiversitätsverlust betroffen zu sein.
Greenpeace: Die Unternehmen kommen also um ein Umdenken langfristig nicht herum?
Böhning-Gaese: Je mehr darüber gesprochen wird, desto eher wird sich natürlich auch das Kaufverhalten von Kund:innen verändern. Durch ein anderes Geschäftsmodell, andere Produkte, andere Produktherstellung können Unternehmen positiv zur Biodiversität beitragen. Und vielleicht auch Marktführer werden, wenn sie ihre Produkte besonders biodiversitätsfreundlich herstellen können. Wenn das solide und kein Greenwashing ist, dann könnten die Milliarden, die im Bereich Wirtschaft vorhanden sind, ein großer Hebel für eine Entwicklung zum Positiven sein.
Greenpeace: Als Verbraucher:in denke ich als erstes, bitte nicht noch ein Siegel. Irgendwann kann ich das Produkt vor lauter Siegeln nicht mehr erkennen. Bringt das denn was?
Böhning-Gaese: Wenn ich Bioprodukte von den etablierten Siegeln wie Demeter, Naturland oder Bioland kaufe, kann ich relativ sicher sein, dass im Mittel auf diesen Flächen die Biodiversität 30 Prozent höher ist. Das heißt, da schlägt man mehrere Fliegen mit einer Klappe. Man kriegt nachhaltiger angebaute Produkte, die auch nachweislich die Bodengesundheit fördern, die das Wasser weniger belasten, die höhere Biodiversität beherbergen und die gut für die Gesundheit sind.
Greenpeace: Trotzdem ändern viele Menschen ihr Verhalten nicht. Brauchen wir erst Umweltkatastrophen wie die Fluten in Europa, damit die Menschen denken, ah, das hat doch was mit mir und meinem Verhalten zu tun?
Böhning-Gaese: Wir können natürlich mit den großen abschreckenden Beispielen kommen – und die haben wir auch in Deutschland. Dazu gehört zum Beispiel der Wald. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden hier im großen Maßstab Fichtenmonokulturen angebaut, in guten Jahren war das ein hochproduktives Forstprodukt. Doch dann kamen eben diese Dürren, und in der Zwischenzeit sind Wälder mindestens von der Größe des Saarlands verloren gegangen. Im Harz und im Thüringer Wald sind ja quadratkilometerweise nur noch tote Bäume, und das ist natürlich erstmal Verlust von Lebensraum. Das ist erschütternd und ökonomisch und psychologisch belastend. Hätten wir in Deutschland damals auf Mischwald gesetzt, dann wären die Bäume zwar langsamer gewachsen und hätten nicht die Produktivität gehabt. Dafür wären sie viel besser durch die Dürren gekommen. Es ist schon eine Mahnung, diese toten Bäume anzugucken.
Natur kann sich ausgezeichnet regenerieren, wenn wir sie in Ruhe lassen
Greenpeace: Gibt es auch eine positive Erzählung?
Böhning-Gaese: Ja, und die ist ganz einfach: Natur tut uns einfach gut. Wenn wir lernen, das wahrzunehmen, uns darauf einzulassen, dann merken wir, wie gut das unserer Gesundheit tut, wie das zu unserer Entspannung beiträgt. Vogelgesang, Bienen summen, Zirpen im Wald, die Geräusche von verschiedenen Tieren. Es ist einfach ein Gewinn, wenn wir diese Vielfalt haben. Außerdem kann sich die Natur ganz ausgezeichnet selber regenerieren, wenn wir sie in Ruhe lassen. Die toten Wälder etwa regenerieren sich in vielen Fällen selber und sind dann diverser und stabiler als die Wälder vorher. Das heißt, die Natur hat auch eine Kraft, aus der wir positive Energie ziehen können. Sich mit Natur zu beschäftigen oder sich einfach darauf einzulassen, finde ich eine ganz starke Triebkraft.
Greenpeace: Bräuchte die Natur mehr Botschafter, die das in die Welt tragen? Und wer könnte das sein?
Böhning-Gaese: Es gibt viele Botschafter für die Natur. Da ist die Wissenschaft, die mit tausenden von Wissenschaftler:innen für einen Faktencheck sorgt. Dann die Naturschutzorganisationen, die eine laute Stimme für die Natur sein können. Ökolandwirtinnen, die im Einklang mit der Natur Landwirtschaft machen. Oder Waldbauern, die das schonend machen. Die Umweltbewusstseinsstudie zeigt, dass 90 Prozent der Deutschen sagen, es ist die Verantwortung des Menschen, sich für die Natur einzusetzen und zwei Drittel sagen, das ist eine vorrangig gesellschaftliche Aufgabe. Diese Werte sind also tief verankert, sie müssen nur mobilisiert werden.
Greenpeace: Was macht Ihnen Hoffnung, dass es sich noch zum Guten wendet?
Böhning-Gaese: Eben die Tatsache, dass sich die Natur ganz wunderbar regeneriert, wenn wir sie Natur sein lassen. In einem Modellprojekt der Heinz Sielmann Stiftung wurden in einem Maisacker ein paar Tümpel angelegt, die sich selber wiedervernässt haben. Und nach einem halben Jahr war der erste Laubfrosch wieder da, das ist eine sehr bedrohte Art, einer unserer seltensten Frösche. Die kommen einfach zurück, wenn man ein kleines bisschen Starthilfe gibt.
Was zu tun ist
Greenpeace: Was kann jeder Einzelne tun?
Böhning-Gaese: Ganz viel. Und je mehr Menschen diese Schritte gehen, desto größer ist der Unterschied. Das fängt auf dem eigenen Balkon an, Lavendel und Salbei statt Geranien zu pflanzen; im Garten, blühende Wiesen zuzulassen, statt Rasen zu kultivieren und sich für einheimische Büsche und Bäume zu entscheiden, statt für eine Thuja-Hecke. Der eigene Garten kann sich in eine biodiverse Wildnis verwandeln, wenn man nicht so viel arbeitet, das heißt an dem Punkt ist sogar ein bisschen Müßiggang sehr förderlich für die Artenvielfalt. Wir können uns sozusagen an die Natur anlehnen, die macht es schon, wenn man sie in Ruhe lässt.
Greenpeace: Was können wir noch tun?
Böhning-Gaese: Ein anderer Punkt ist die Ernährung, weil sie massiven Einfluss darauf hat, wie sich das ganze Landwirtschaftssystem entwickelt. Man kann bei der Landwirtschaft ansetzen oder beim Konsum. Und der Konsum ist wahrscheinlich der massivere Hebel. Das bedeutet, wenn möglich, biodivers angebaute Lebensmittel kaufen oder sich selber engagieren, zum Beispiel in der solidarischen Landwirtschaft, dann wird das Ganze auch sehr viel günstiger. Und fleischärmer ernähren, denn Fleisch hat einen viel größeren ökologischen Flächenabdruck. Die ideale Ernährung für unseren Planeten und für unsere Gesundheit ist, nicht mehr als etwa 300 Gramm Fleisch in der Woche zu essen. Das heißt, man geht zurück zum Sonntagsbraten. Und dann isst man idealerweise ein lokales Weiderind oder ein Weidesschaf, damit eben auch diese wunderbaren blühenden Wiesen erhalten bleiben.
Greenpeace: Was erhoffen Sie sich jetzt von so einer Veranstaltung wie der Weltnaturkonferenz, CBD?
Böhning-Gaese: Zum einen müssen die teilnehmenden Nationen ihre Hausaufgaben machen, zum Beispiel die nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne einreichen. Dann müssen wir beim Thema Monitoring weiterkommen – uns also auf Mechanismen und Methoden einigen, über die wir merken, ob die Biodiversität der einzelnen Nationen durch die Maßnahmen wieder besser wird. Und es geht um die Wiederbelebung des globalen internationalen Finanzausgleichs, über den die Länder des globalen Südens, wo wir die wirklichen Hotspots der Artenvielfalt haben, stärker dabei unterstützt werden, diese zu schützen. Es wurde ein Fond eingerichtet, der Global Biodiversity Framework Fund, in den die entwickelten Nationen 30 Milliarden Dollar pro Jahr bis zum Jahr 2030 einzahlen. Und dieser Fond muss jetzt wirklich gefüllt werden, da ist man noch nicht so superweit. Das wäre für die globale Gerechtigkeit und für den globalen Biodiversitätsschutz ganz zentral.
Greenpeace: Keine kleinen Aufgaben.
Böhning-Gaese: Nein, ansonsten erhoffe ich mir, dass die Biodiversität durch die Berichterstattung wieder Thema wird. Ich glaube, die Leute denken, das Problem verschwindet, wenn man nicht darüber redet, aber das Problem wird immer größer.
Greenpeace: Ohne Biodiversität keine Sicherheit, kann man es so einfach zusammenfassen?
Böhning-Gaese: Wenn ihre Lebensräume intakt sind und durch den Klimawandel keine Dürren entstehen, können die Menschen vor Ort bleiben. Wir haben ja in der Zwischenzeit mehr Umweltflüchtlinge als Wirtschaftsflüchtlinge. Und das Problem wird auch größer werden.
Greenpeace: Die Schauspielerin Maria Furtwängler hat sich kürzlich dem Thema Biodiversität angenommen und so eine relativ breite Aufmerksamkeit erzeugt. Wie wichtig ist, dass auch Prominente für die Biodiversität werben?
Böhning-Gaese: Ich finde es sehr gut, denn alles hilft. Und es gibt erstaunlicherweise wenige Promis, die sich dafür einsetzen. Wie anhaltend das ist, wird sich zeigen. Bei der DLDNature Konferenz in München hat auch Ursula von der Leyen eine beachtliche emotionale Rede gehalten. Das ist das Schöne bei dem Thema, man kann es viel emotionaler angehen als das Thema Klima.
Greenpeace: Das Thema sickert also langsam ins Bewusstsein der Menschen?
Böhning-Gaese: Ich bin jetzt seit anderthalb Jahren im Rat für Nachhaltige Entwicklung. Bevor ich dazu kam, hatte der Rat das Thema Biodiversität überhaupt nicht auf dem Schirm, er hat sich fast ausschließlich mit dem Klimaschutz beschäftigt. Und am Anfang war in keinem der Texte Biodiversität drin.
Greenpeace: Und jetzt?
Böhning-Gaese: Ein paar andere Mitstreiter:innen und ich haben das immer wieder in die Texte reingeschrieben, und jetzt nimmt jeder, der darüber spricht, beide Wörter immer gleichzeitig in den Mund, Klima- und Artenschutz. Und bei der letzten Jahreskonferenz des Rats kam Bundeskanzler Olaf Scholz, und selbst er hat beides konstant in einem Atemzug genannt, das ist schon ein spürbarer Fortschritt.