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Brennender Wald im Amazonas
Markus Mauthe / Greenpeace

Artensterben

Das Artensterben ist eine der größten Krisen unserer Zeit: Millionen von Arten könnten dadurch in wenigen Jahrzehnten für immer verschwinden und so weltweit Ökosysteme zu Fall bringen. 

Das Ausmaß des Artensterbens ist heute mindestens zehn- bis hundertmal höher als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre. Die Folge: Beinahe eine Million Arten sind in den kommenden Jahrzehnten vom Aussterben bedroht – von insgesamt acht Millionen bisher bekannten Arten. Zu diesen Ergebnissen kommt die letzte Zustandsbewertung des Weltbiodiversitätsrats der Vereinten Nationen (IPBES,  Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) und verdeutlicht damit die Dringlichkeit des Themas. 

Es geht hier nicht um das Aussterben einer stupsnasigen Bärenart, selbst wenn dies schon schlimm genug wäre. Es geht um den immer weiter fortschreitenden Verlust der planetaren biologischen Vielfalt, auf die wir auch für unser Überleben zwingend angewiesen sind. Wir verlieren die so genannten Ökosystemleistungen – Nahrung, sauberes Wasser und die Luft zum Atmen, schlicht alles, was uns die Natur bedingungslos bereitstellt. Dies alles steht auf dem Spiel, wenn wir die Leistungsfähigkeit der globalen Ökosysteme weiterhin schädigen oder sogar völlig zerstören.

Grad.jetzt – wo Klima und Ökosysteme kippen

Für ihre Reportage-Reise grad.jetzt besuchten Naturfotograf Markus Mauthe und Journalistin Louisa Schneider auch den Amazonas. Sie dokumentierten die Waldbrände in Brasilien, sprachen mit einem Meteorologen über den Regenwald als Kipppunkt und mit Vertretern der Yanomami über die Perspektive der Indigenen. Besuche den Instagram-Kanal grad.jetzt, um mehr über den Zusammenhang von Biodiversität, Klimakrise und Kipppunkten zu erfahren.

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Artensterben: eine Definition

Aber was versteht man eigentlich unter Artensterben?

  • Artensterben bedeutet das unwiederbringliche Verschwinden ganzer Arten.
  • Eine Art gilt als ausgestorben, wenn das letzte Individuum der Art gestorben ist. 
  • Das Artensterben beginnt, wenn der Bestand mit jeder Generation kleiner wird, es also immer weniger Nachkommen gibt. Hält der Populationsrückgang nicht nur vorübergehend an, führt er langfristig zum Aussterben. Nur selten passiert dies in kurzer Zeit. Eine Ausnahme war das Aussterben der Dinosaurier - hervorgerufen durch einen rasant verlaufenden Klimaschock.
  • Bekannte ausgestorbene Arten sind das Mammut, die Säbelzahnkatze, der Dodo oder die Riesenseekuh.
  • Wahr ist allerdings auch: Schon immer sind Arten ausgestorben. An ihre Stelle traten andere Arten, die die entstandene ökologische Nische für sich besetzten. Der Unterschied heute, im Vergleich zu früher, ist die rasante Geschwindigkeit des Aussterbens, die um mehrere Hundertmal größer ist als die natürliche Aussterberate.

Die Gründe für das Artensterben sind vielschichtig. Einige Arten rottet der Mensch direkt aus, etwa die Wandertaube, die einst zu Millionen in Nordamerika vorkam. Andere sterben aus, weil menschengemachte Umweltzerstörung die Lebensräume zerstört, etwa durch die Klimaerhitzung. Wieder andere Arten verschwinden, weil sie von anderen ausgestorbenen Arten und deren Ökosystemfunktionen abhängig sind Das kann der Fall sein, wenn eine Art eine entscheidende Nahrungsquelle für eine andere darstellt. Das gilt ebenso für Arten, die in symbiotischen Beziehungen zueinanderstehen – beide Arten profitieren im Zusammenleben voneinander. Ein Beispiel sind der Paranussbaum und die Agouti, das sind am Boden lebende Nagetiere im Amazonas-Regenwald. Diese Nagetiere fressen die Samen des Baums und verteilen sie als Nahrungsvorrat im Wald. So sprießen auch neue Paranussbäume. 

 Das Artensterben in Zahlen

Um den Ernst der Lage zu begreifen, hilft ein Blick auf Zahlen, Daten und Statistiken rund um das Artensterben. 

  • Wie viele Arten sterben eigentlich pro Tag oder Jahr aus?

Schätzungen gehen davon aus, dass täglich 130 bis 150 Arten sterben. Genau beziffern kann es niemand, auch weil wir parallel viele neue Arten entdecken. Gebiete mit hoher Biodiversität, wie etwa der Amazonas-Regenwald, sind vergleichsweise schlecht erforscht – zugleich gehören sie zu den Hotspots des Artensterbens.

  • Wie viele Säugetierarten sind bedroht? 

Laut International Union for the Conservation of Nature (ICUN) ist etwa jede vierte Säugetierart auf dem Land und jede dritte im Meer vom Aussterben bedroht. Vor allem große und schwere Säugetierarten sind ausgestorben, seitdem der Mensch sich auf der Erde ausbreitet.

  • Betrifft das Artensterben nur Tiere? 

Nein, wir verlieren auch wertvolle Pflanzenarten. So ist zum Beispiel die Größe der weltweiten Waldfläche laut IPBES auf 68 Prozent der Größe geschrumpft, die die Wälder der Erde noch im vorindustriellen Zeitalter hatten. In Europa haben wir unsere Wälder schon im Mittelalter stark abgeholzt, vor zweitausend Jahren war die Waldfläche deswegen ebenfalls deutlich größer. Mit der abnehmenden Waldfläche schrumpfen auch die Lebensräume und mit ihnen die Artenvielfalt der jeweiligen Waldökosysteme. Mehr dazu in der Petition Waldzerstörung stoppen.

  • Wo ist das Artensterben ein besonderes Problem? 

Zum Beispiel im Meer und in sogenannten Feuchtgebieten. Seit 1870 haben wir die Hälfte der lebenden Korallen verloren und in den vergangenen 300 Jahren sind auch 85 Prozent der Feuchtgebiete der Welt verschwunden. Korallen und Feuchtgebiete bilden jeweils komplexe Ökosysteme mit einem hohen Artenreichtum, ihr Verschwinden zieht also stets weiteres Artensterben nach sich. Beide bilden auch einen natürlichen Schutz gegen Extremwetter, der Verlust dieser Ökosysteme bedroht die Menschen also direkt.

Diese Zahlen geben zu denken. Noch wichtiger ist aber, dass alle Ökosysteme der Welt miteinander in Wechselwirkung stehen. Die Prozesse sind so komplex, dass kaum jemand abschätzen kann, was diese Umweltzerstörung für uns langfristig bedeutet.

Markus Mauthe und Louisa Schneider in Brasilien

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Artensterben und die Folgen

Stirbt eine Art aus, kann das prinzipiell Folgen für das gesamte Ökosystem haben. Das muss nicht der Fall sein, etwa wenn innerhalb eines großen und stabilen Ökosystems eine hohe Biodiversität herrscht. Aber kleine oder in ihrer Biodiversität bereits geschwächte Ökosysteme können sehr anfällig auf das Aussterben sogenannter Schlüsselarten reagieren. Ein Beispiel für eine solche Schlüsselart sind Ameisen, die in ihren jeweiligen Lebensräumen als eine der Brücken zwischen Bäumen und Boden fungieren. 

Die Folgen des Artensterbens sind unkalkulierbar. Alle Ökosysteme haben sogenannte Kipppunkte, an denen plötzliche, unumkehrbare Prozesse auftreten können. Sind diese Kipppunkte überschritten, kann der Ursprungszustand des Ökosystems nicht mehr (oder nur mit hohem Aufwand) wiederhergestellt werden. Zugleich kennt die Wissenschaft weder alle weltweiten Arten noch alle Wechselwirkungen zwischen Arten und Ökosystemen. Wir wissen also nicht in Gänze, was wir gerade kaputt machen.

Doch obwohl das Artensterben ein seit den letzten fünf Massensterben ungesehenes Ausmaß erreicht hat,  gibt es Hoffnung, den Prozess aufzuhalten: Die Menschheit selbst bestimmt durch ihr Verhalten das Ausmaß des Problems. Wirksame Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität und zum Erhalt der Artenvielfalt sind daher immer noch möglich.

Erhalt der Biodiversität durch Waldschutz

  • Brandrodungen im Amazons Regenwald

    Brandrodungen wie hier im Amazons zerstören Ökosysteme und befeuern so auch das Artensterben.

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  • Brasiliens größter Wasserfall auf Hochebene der Serra do Aracá

    Das Gebiet Serra do Aracá in Amazonas Regenwald in Brasilien, ist auch aufgrund seiner Geographie einer der Hotspots lebendiger Artenvielfalt und muss geschützt werden.

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  • Eine Luftaufnahme des Amazonas Regenwaldes

    Wald und Wasser sind meist Gebiete hoher Biodiversität: Um das Artensterben zu stoppen, müssen wir sie schützen.

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  • Bild eines intakten Regenwaldes mit vielen verschiedenen Pflanzen und Bäumen

    Vielfalt fördern statt sie mit Monokulturen zu ersetzen – das hilft gegen das Artensterben.

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Ursachen des Artensterbens

Viele Arten sterben aus, weil Menschen sie mehr oder weniger direkt vernichten (Übernutzung, Überjagung). Bekanntes Beispiel: Der Amerikanische Bison, der vor etwas über 100 Jahren um ein Haar ausgerottet worden wäre. Das Artensterben im Meer hingegen hat seine Ursache unter anderem im weltweit wachsenden Hunger der Menschen nach Fisch, in Nährstoffeinträgen und in der Klimakrise. Mehr dazu im Beitrag zur Fischerei.

Weitaus größer aber ist das Artensterben durch Veränderung oder Zerstörung von Lebensräumen. Dabei sind es typischerweise Menschen, die natürliche Biotope verändern. Und zwar so sehr, dass die ursprüngliche Natur immer weiter schwindet: Laut IPBES haben Menschen inzwischen 75 Prozent der Landoberfläche und 66 Prozent der Meeresfläche verändert – “echte, unveränderte Natur“ gibt es also nur noch in einem Viertel bis einem Drittel der Welt.

Ein Beispiel dafür ist die Rodung der Regenwälder im Amazonasbecken: Sie beherbergen mehr Arten als die meisten anderen Wälder der Welt. Zugleich ist die Vernichtung der Amazonas-Waldflächen in ihrem Ausmaß beispiellos. Mehr dazu beim Projekt grad.jetzt und im Instagram-Kanal grad.jetzt.

Die Klimakrise gehört zu den größten Ursachen für das massive Artensterben auf Erden, denn die Erderwärmung verändert die Habitate nahezu aller Ökosysteme gleichzeitig. Dies geschieht in einem Tempo, das vielen Arten eine Anpassung an diese Veränderung unmöglich macht. Auch die Nutzung der Natur als Fläche und Ressource ist immer dann ein Problem, wenn sie nicht nachhaltig, sondern als Übernutzung stattfindet. Mehr zu den Ursachen für Biodiversitätsverluste im Beitrag Biodiversität.

Maßnahmen gegen Artensterben

Nahrung, Wasser, Unterkunft, Energie, Gesundheit und menschliches Wohlergehen sind allesamt davon abhängig, dass der Artenreichtum unserer weltweiten Ökosysteme erhalten bleibt. Die gute Nachricht: Wir können gegen das Artensterben aktiv vorgehen. 

Auf internationaler und politischer Ebene ist das Meiste zu tun. Denn vom aktuellen Status Quo der weltweiten Ressourcenausbeutung profitieren natürlich auch einige Menschen und Unternehmen, die sich deswegen gegen die notwendigen Veränderungen wehren. Entsprechend liegt die erste Aufgabe der Politik darin, weltweit eine stärkere Vernetzung und Zusammenarbeit zu erreichen. Sie muss international vereinbarte Ziele überprüfen und weiterentwickeln, denn nach aktuellem Kenntnisstand reichen bisherige Maßnahmen nicht aus, um das Artensterben aufzuhalten.

Akteur:innen in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei sowie Bergbau und rohstoffverarbeitende Schwerindustrie müssen verpflichtend die Biodiversität schützen und nachhaltig agieren. Es braucht politische Impulse, durch die sich einerseits umweltverantwortliches Wirtschaften auszahlt und andererseits vorhandene, umweltschädliche Anreize verschwinden.

Jeder von uns kann aktiv dazu beitragen, das Artensterben zu stoppen – und es ist oft einfacher, als man denkt! Indem wir uns für den Klimaschutz engagieren, schützen wir gleichzeitig die Artenvielfalt. Ein erster Schritt könnte sein, auf Ökostrom umzusteigen – das ist unkompliziert und hat eine große Wirkung! Auch bei der Wärmeversorgung gibt es viel zu tun: Weg von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien. Ein weiteres kraftvolles Zeichen setzen wir, wenn wir unsere Mobilität überdenken – mehr öffentliche Verkehrsmittel, weniger Auto und Flugzeug. Und dann gibt es noch die Ernährung: Wer tierische Produkte durch pflanzliche ersetzt, unterstützt nicht nur die Umwelt, sondern auch die Tierwelt direkt.  

Dass Natur sich verändert, hat auch natürliche Ursachen, und nicht jede Veränderung der Natur führt gleich zu einem Artensterben. In vielen Fällen können sich Arten anpassen. Doch durch den Einfluss des Menschen erfolgt diese Veränderung schneller und in größerem Ausmaß als jemals zuvor.

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