Porträt Stephanie Töwe-Rimkeit
- Hintergrund
Stephanie Töwe-Rimkeit arbeitet seit 1999 als Kampaignerin für nachhaltige Landwirtschaft bei Greenpeace. "Wir Deutschen müssen unseren Fleischkonsum mindestens halbieren", sagt sie.
• 1972 in Hamburg geboren
• studierte Angewandte Kulturwissenschaften – Schwerpunkt Sozial- und Kulturgeschichte und Kommunikation
• arbeitete für verschiedene Medien, u. a. in der „Tagesschau“-Redaktion und bei der „Zeit“
• seit 1999 Greenpeace-Kampaignerin für nachhaltige Landwirtschaft
Oben auf der To-Do-Liste von Stephanie Töwe-Rimkeit steht ab 2017 ein Thema, das ihr schon lange Bauchweh bereitet: Fleisch. „Die konventionelle Produktion von Fleisch hat viele Folgen für Umwelt, Mensch und Tier“, sagt sie und zählt einige auf: „Es beginnt beim Futter: Für die Fleischerzeugung wird extrem viel Kraftfutter wie Soja aus Südamerika benötigt. Und sowohl der Futtermittelanbau, als auch die Weidehaltung verschlingen weltweit übermäßig viel Raum: etwa 80 Prozent der verfügbaren Ackerflächen. Ein Irrsinn, der das Hungerproblem global verschärft. Dann verursacht die Tierhaltung eine regelrechte Gülle-Flut – die Felder sind überdüngt, das Grundwasser infolge mit hohen Nitratwerten belastet. Und der starke Antibiotika-Einsatz in den Ställen fördert die Bildung gefährlicher multiresistenter Keime.“ Besonders betrübt die Kampaignerin das Tierleid: „Es werden zu viele Tiere auf zu engem Raum gehalten. Spaltenböden, Schwänze kupieren, Schnäbel kürzen und überzüchtete Rassen sind Alltag. Kein Wunder, wenn diese Tiere krank werden.“
Kursbuch Agrarwende 2050
Stephanie und ihr Team wollen transparent machen, was hinter der Fleischindustrie steckt, und eine Ernährungswende anstoßen. Die Basis hierfür bildet das im Januar veröffentlichte „Kursbuch Agrarwende 2050“: Es zeigt auf, wie Deutschland seine Bevölkerung bis 2050 vollständig mittels ökologischer und „ökologisierter“ Landwirtschaft ernähren kann. Zielsetzungen sind eine artgerechte Tierhaltung, die Reduktion klimaschädlicher Treibhausgase (etwa Methan aus der Rinderhaltung und Lachgas aus der Stickstoffdüngung), ein schrittweise komplettes Pestizidverbot, geschlossene Nährstoffkreisläufe und der Schutz der Artenvielfalt. „Die Berechnungen und nötigen Maßnahmen sind natürlich komplex, aber ein Kernsatz lautet: Wir Deutschen müssen unseren Fleischkonsum von jetzt 60 Kilo pro Kopf und Jahr mindestens halbieren, anders lassen sich unsere Umweltziele nicht erreichen“, sagt Stephanie.
Erfolge in der Gentechnik-Arbeit
Nach ihrem Kulturwissenschaftsstudium wollte die Hamburgerin eigentlich Journalistin werden, doch ihr Interesse für Umweltpolitik und Umweltschutz brachte sie zu Greenpeace. Seit 1999 ist sie im Bereich Nachhaltige Landwirtschaft aktiv, überwiegend zum Thema Gentechnik. „Als erstes etablierten wir eine Kennzeichnung für Lebensmittel, die Gen-Pflanzen enthalten. Mit dem ,genetiXproject‘ schafften wir es, dass Nestlé seinen gentechnisch veränderten Schokoriegel ,Butterfinger‘ wieder vom Markt nahm“, erzählt sie. „Später wandten wir uns dem Anbau von Gen-Pflanzen zu. Zig Proteste und hartnäckige politische Arbeit waren nötig, bis 2009 endlich der Gen-Mais Mon810 vom Acker verschwand. Auch dank unserer Arbeit haben wir heute ein breites Bewusstsein zum Thema, und die meisten Deutschen lehnen Gentechnik im Essen ab.“
Viele Firmen konnte Greenpeace bereits zur Umstellung auf gentechnikfreie Fütterung bewegen, darunter Landliebe und Wiesenhof. Der Ratgeber „Essen ohne Gentechnik“ trägt weiterhin dazu bei. Bei einer Kampagne 2015 gegen Billigfleisch von McDonald’s protestierte Greenpeace nicht mehr nur gegen Gen-Futter, sondern auch gegen Tierleid und übermäßige Antibiotika-Gaben in der Massentierhaltung. Über 200 Gruppenaktionen vor Filialen der Burgerkette und der Firmenzentrale bewirkten immerhin, dass McDonald’s Deutschland jetzt auf Gen-Futter bei Hähnchenprodukten verzichtet.
Handel und Politik in die Pflicht nehmen
Auch Politik und Handel will Greenpeace in die Pflicht nehmen. „Bisher drücken die großen Supermarktketten die Preise und machen es den Bauern schwer, nachhaltig und tierfreundlich zu wirtschaften“, berichtet Stephanie. „Erst neulich habe ich wieder so ein Schnäppchen gesehen: 500 Gramm Hack für 1,59 Euro. Das ist unverantwortlich!“
Viele Verbraucher sind heute schon sensiblisiert und machen sich Gedanken, welche Auswirkungen ihr Fleischkonsum hat. Ihnen ist es nicht Wurst, wo ihre Wurst herkommt, wie das Schnitzel produziert wurde, und was das für die Umwelt bedeutet. „Sie wollen auch wissen, wie das Tier gehalten wurde“, so Stephanie. „Dies kann der Verbraucher bei konventioneller Ware allerdings nicht erkennen. Daher fordern wir eine verpflichtende Kennzeichnung, wie sie bereits bei Eiern besteht – und hoffen, dass der mieseste Standard dann nicht mehr nachgefragt wird.“ Nach einer Forsa-Umfrage, die Greenpeace beauftragte, wollen 89 Prozent der Verbraucher über Haltungsbedingungen informiert werden, und 59 Prozent glauben, dass dies das Kaufverhalten verändern würde. Und wie hält es Stephanie persönlich mit dem Fleischkonsum? „Bei uns zuhause gibt es nur sehr wenig Fleisch – und wenn: nur Bio-Fleisch. Ich selber esse keines.“
(Autorin: Nicoline Haas / Stand: März 2017)