Phyllis Cormack - Schiff der ersten Stunde
Gründungsreise von Greenpeace
- Hintergrund
Am 15. September 1971 sticht ein alter klappriger Fischkutter „Phyllis Cormack“ im Hafen von Vancouver in See. Ziel ist die Aleuten-Insel Amchitka, wo die US-Regierung einen unterirdischen Atombombenversuch plant. Die Besatzung will direkt ins Sperrgebiet fahren und die Tests so verhindern.
Don´t Make A Wave Committee
Der Plan ist mutig, aber das Don't Make a Wave Committee hat weder Boot noch Geld. Abhilfe schafft in letzter Minute ein Benefizkonzert mit Joni Mitchell und James Taylor und viele kleine Spenden von Privatpersonen und befreundeten Umweltschutzorganisationen. Am Ende kommen rund 17.000 Dollar zusammen.
13 Monate sucht das Komitee – schließlich findet es die Phyllis Cormack, ein 30 Jahre altes, 24-Meter-Holzschiff, das sein Eigner, John Cormack, nach seiner Frau genannt hatte. Der betagte Kutter soll für sechs Wochen für 15.000 Dollar gechartert werden. Das Ziel ist die Insel Amchitka, sie liegt am nördlichen Ende des Inselbogens der Aleuten (Nordpazifik).
Die technische Ausstattung der Cormack ist desaströs. Das Echolot muss mit einem Faustschlag in Gang gebracht werden, die Ankerwinde ist abgewirtschaftet, die Dieseltanks von Rost zerfressen. Aber noch ist das Holzschiff seetüchtig und erreicht eine Reisegeschwindigkeit von 9 Knoten.
Mit dem „schwimmenden Bauernhaus“ wollen die Umweltschützer:innen in das Sperrgebiet um Amchitka segeln und so Atombombentests stoppen. Mit Feuereifer bringt das Committee und eine Handvoll Helfer das Schiff auf Vordermann. Auf der Brücke bringen sie den neuen Zweitnamen „Greenpeace“ an...
Während der Vorbereitung kommen ihnen jedoch mehrmals Zweifel, ob es wirklich vertretbar ist, mit dem alten Kutter Tausende von Meilen auf rauer See zu wagen. Zu dieser Zeit des Jahres kommt es über dem Golf von Alaska und der Beringsee häufig zu starken Stürmen mit plötzlichen Orkanböen. Eine andere Befürchtung der Besatzung ist, dass die Crew durch die radioaktive Strahlung der unterirdischen Explosion kontaminiert werden könnte, oder dass die Amerikaner sie direkt in die Luft sprengen…
Am 15. September 1971, einem wunderschönen Spätsommertag, nach fast zweijähriger Planung ist es so weit: Die Besatzung hisst ein grünes Dreieckssegel mit Friedenssymbolen und legt mit dem polternden Schiff ab - 14 Tage bevor der Amchitka-Test anberaumt ist.
An Bord befindet sich eine zwölfköpfige Crew, darunter der Kapitän John Cormack, der Journalist Bob Hunter, Ben Metcalfe, Jim Bohlen, Patrick Moore und Terry A. Simmons. Nicht viele haben Seeerfahrung.
Öffentlicher Druck
Immerhin stehen die Umweltaktivist:innen unter dem Schutz des Gesetzes. Die US-Regierung hat es mit kanadischen Bürgern zu tun. Die Journalisten und ein Kameramann an Bord wollen alles in Wort und Bild dokumentieren. Ein ständiger Funkverkehr mit der Küste soll den Kontakt zu den Medien in der Heimat gewährleisten.
Der Journalist Bob Hunter hat ein kleines Bändchen indianischer Mythen und Träume mit auf die Reise genommen: „Warriors oft the Rainbow“ (William Willoya, Vinson Brown). Der Name wird zur Mission von Greenpeace.
Die Phyllis Cormack ist 42 Tage unterwegs und kämpft sich durch stürmische See und meterhohe Wellen. Bis auf den Kapitän wird jedes Crewmitglied erbärmlich seekrank. Trotz tapfersten Einsatz erreichte die Cormack die Insel nicht. Sie wird beschlagnahmt.
Dennoch lohnen sich die Strapazen. Von sieben geplanten Atomtests finden tatsächlich nur drei statt. Die US-Regierung gibt zu, dass die Tests aufgrund des öffentlichen Drucks eingestellt wurden. Die Atomwaffentests der westlichen Industriemächte werden nach und nach eingestellt, aber Staaten, die später zu Atommächten werden, testen bis 2017 z.B. Nord Korea. Weltweit wurden 2.058 Atomtests durchgeführt. Die Belastung durch die frei gesetzten Strahlung wird noch lange Auswirkungen auf uns und den Planeten haben.
In den Jahren 1975 und 1976 ist die Phyllis Cormack an den ersten Aktionen gegen den Walfang beteiligt, wo sie russischen und isländische Walfangflotten auf hoher See kreuzt, um sie bei der Arbeit zu stören. Die New York Times berichtet, dass "zum ersten Mal in der Geschichte des Walfangs Menschen ihr Leben für Wale aufs Spiel gesetzt haben".
"Bearing Witness" - Zeugnis ablegen und die direkte Aktion bleiben das Herz von Greenpeace.
Nach ihrer Greenpeace-Zeit ist die Phyllis Cormack noch viele Jahre als Fischkutter im Einsatz. Im Jahr 2000 sinkt sie.
TECHNISCHE DATEN:
Heimathafen: Kanada
Im Einsatz: 1970-77
Baujahr: 1941
Erbauer: Marine View Boat Works, Tacoma, Washington
Schiffstyp: Fischkutter, Holz
Geschwindigkeit: 9 Knoten
Länge: 24 Meter
Höhe: über 9,1 m
Verdrängung: 99 Tonnen
Antrieb: Dieselmotor
Segelplan: ein Segel
Besatzung: max. 12 Personen