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Greenpeace-Aktivisten auf der Demonstration in Rio anlässlich der Rio+20-Konferenz. Zwei Aktivisten mit Atemschutzmasken halten ein Banner mit der Aufschrift "Rio+20: blá, blá, blá ou ação? (Rio +20: bla, bla, bla oder Aktion?)
Rodrigo Paiva / Greenpeace

Rio-Konferenz 1992

Agenda 21: Leitlinien für das 21. Jahrhundert für Umwelt und nachhaltiger Entwicklung.

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Mehr als zwei Jahrzehnte ist es her, dass sich 1992 in Rio Staaten aus der ganzen Welt auf Ziele für eine nachhaltigere Entwicklung und mehr Klimaschutz geeinigten. Im Juni 2012 trafen sich die Mächtigen erneut in Rio, um über die Zukunft unseres Planeten zu entscheiden. Doch was hat sich seit 1992 eigentlich getan und was müsste getan werden? Wir haben Jürgen Knirsch, Greenpeace-Experte für nachhaltigen Konsum gefragt – er hat die Entwicklung verfolgt.

Greenpeace: Welche großen Beschlüsse wurden in Rio 1992 gefasst?

Jürgen Knirsch: Rio 1992, also die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED), gilt als die Geburtsstunde von Konventionen und Erklärungen. Die Klimarahmenkonvention sowie die Konvention über die biologische Vielfalt wurden dort verabschiedet und die Konventionen zur Wüstenbekämpfung in die Wege geleitet.

Weniger bekannt ist die Rio-Erklärung zu Umwelt und Entwicklung, die von den anwesenden Staatschefs unterzeichnet wurde. In ihr stehen wichtige Grundsätze, zum Beispiel, dass die Staaten gemeinsame, jedoch unterschiedliche Verantwortlichkeiten tragen. Das heißt, dass die Industrieländer für die Umweltverschmutzung und den Klimaschutz stets stärker verantwortlich sind als die Entwicklungsländer. Außerdem ist das Vorsorgeprinzip in der Erklärung verankert, werden in ihr Umweltverträglichkeitsprüfungen und Regelungen zu Haftung der Konzerne und Entschädigungen der Opfer gefordert. Also eine Reihe von Prinzipien, die es zum Teil vorher schon gab, die aber durch diese Erklärung aufgewertet wurden. In der Erklärung steht auch, dass Umwelt, Entwicklung und Frieden sozusagen drei Seiten einer Medaille sind - dass man sie also zusammen betrachten sollte.

Rio hat auch die Agenda 21 hervorgebracht, ein 40 Kapitel umfassendes Kompendium zu allem, was wichtig ist im Umwelt-, Entwicklungs- und friedenspolitischen Bereich. Die Agenda 21 ist zum Teil eine gute Quelle - viele Gruppen haben sich ihrer bedient und ihre Forderungen übernommen. Einzelne Kapitel, wie etwa das zur Biotechnologie, waren aber unbrauchbar.

Greenpeace: Warum wurde der Erdgipfel damals als Durchbruch gefeiert?

Jürgen Knirsch: Das hatte mehrere Gründe. Die Rio-Konferenz von 1992 war einerseits bedeutsam, weil Umwelt und Entwicklung vor einem großen Publikum erstmals zusammengebracht und -gedacht worden waren. Denn durch die verbesserten Möglichkeiten bei Mobilität und Informationsaustausch war es auch möglich, dass zigtausende Vertreter von Nichtregierungsorganisationen nach Rio geflogen sind. Immens viele - damals hat man sich über die Klimaauswirkungen des Reisens noch nicht so viele Gedanken gemacht. Andererseits ermöglicht Rio, die Ergebnisse und Erkenntnisse auf konkrete Ebenen anzuwenden. Plötzlich gab es in einigen Städten lokale Agenda 21-Beauftragte. Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass Rio erst einmal als Erfolg gesehen wurde.

Aber nicht von allen. Greenpeace International hat schon 1992 im Vorfeld von Rio mit der Studie „Über UNCED hinaus“ aufgezeigt, dass dabei nicht viel herauskommen kann. Der Prozess war nicht fundiert genug angelegt, es gab Schwachstellen. Wichtige Fragen - Wer zerstört die Umwelt und warum? Wie kann dies gestoppt werden? - wurden nicht gestellt.

Einige sagen, der Begriff Nachhaltigkeit sei in Rio geboren, was gar nicht stimmt, den gab es schon lange vorher. Neu jedoch war: Plötzlich bestand ein großes Interesse an Themen, die an der Schnittstelle zwischen Umwelt und Entwicklung stehen.

Bezogen auf Deutschland gibt es zwei weitere wichtige Aspekte. Der damalige Kanzler Helmut Kohl hat den Rio-Prozess relativ ernst genommen. Er schuf kurz vor Rio den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Der macht bis heute hervorragende Studien - leider ist deren Adressat, die Bundesregierung, beratungsresistent. Und man startete in Rio das Pilotprogramm zur Erhaltung der brasilianischen Regenwälder (PPG7), für das Deutschland mit deutlichem Abstand der größte Geldgeber war.

Greenpeace: Heute stehen wir immer noch vor den gleichen Herausforderungen wie 1992. Treten wir bei Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung auf der Stelle?

Jürgen Knirsch: Leider ja. In Rio haben wir ja 1992  diese Studie herausgegeben, die das Scheitern des Prozesses voraussah. Wir haben sie im Jahr 2002 - vor dem Gipfel in Johannesburg, zehn Jahre nach Rio - noch einmal mit einem neuen Vorwort veröffentlicht und haben diese Prozedur 2012 wiederholt: Die  grundlegenden Probleme sind zwar erkannt, werden aber weiterhin nicht richtig an den Wurzeln angegangen. Wir sehen im Klimabereich, dass der Grundsatz „gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung“ gerade von den Industrieländern nicht getragen wird. Die sagen: "Wir tun ja schon viel, aber die bösen Schwellenländer sollen jetzt erst mal Klimaschutz betreiben. Bevor die nichts machen, brauchen wir auch nichts zu tun - Klimaschutz verzerrt nur unsere Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten."

Greenpeace: Wo siehst du den Grund dafür, dass die Ziele von Rio 1992 nicht umgesetzt wurden?   

Jürgen Knirsch: Es liegt sicherlich mit an unserem globalen Wirtschaftssystem, das seit 1989 konkurrenzlos ist und bei dem die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. Alle anderen Aspekte - wird die Umwelt geschont, sind die Arbeitsbedingungen okay, werden Menschenrechte geachtet? - spielen nur unter ferner liefen eine Rolle. Auch verkennen wir die Dringlichkeit der Situation. Wir haben zwar Unmengen an Studien und Erkenntnissen über den Zustand der Welt. Aber wir glauben immer noch, wir hätten genug Zeit, um die Lösung der Probleme kommenden Generationen zu überlassen. Viel Zeit haben wir aber leider nicht mehr.

Wenn nicht bald etwas passiert, haben wir an zu vielen Stellen Grenzen überschritten und Kipppunkte erreicht, die nur noch eine Verschlechterung der Umwelt- und Lebensbedingungen für die Mehrzahl der Erdbewohner bedeuten werden. Leider scheint diese Erkenntnis sich nicht in Handeln umzusetzen.

Greenpeace: Und was ist bei Rio+20 im Sommer 2012 herausgekommen?

Jürgen Knirsch: Die Erwartungen an das Ergebnis waren im Vorfeld schon sehr gering. Viele Nichtregierungsorganisationen fuhren nur mit vergleichsweise kleinen Delegationen nach Rio. Anders dagegen die Wirtschaft. Rio+20 war das UN-Ereignis mit der bisher größten Teilnahme von Industrievertretern. Die Wirtschaft war überall und sichtbarer als die rund 100 Staats- und Regierungschefs. Und die Vertreterinnen und Vertreter der Unternehmen konnten mit dem Ergebnis der Konferenz zufrieden sein.  Der Entwurf der schwachen Abschlusserklärung "Die Zukunft, die wir wollen" hat während der Konferenz keine Verbesserung erfahren. Die Erklärung bleibt vage und liefert keinerlei konkrete Lösungsansätze für die dringlichen Umweltprobleme.

Ein Beispiel von vielen: So wurde nun endlich das bereits in Johannesburg 2002 ins Auge gefasste “Zehnjährige Rahmenprogramm für nachhaltigen Konsum und Produktion“ verabschiedet – allerdings mit dem Zusatz und der Betonung, dass alle Maßnahmen des Programms freiwillig seien.

Auch beim Thema Meeresschutz wurde keine Entscheidung über ein dringend notwendiges Abkommen zum Schutz der Biodiversität der Hohen See getroffen, sondern die Entscheidung auf 2014 vertagt und in die UN-Generalversammlung verlagert.

Greenpeace: Rio+20 war also ein Flop auf ganzer Linie?

Jürgen Knirsch: Glücklicherweise nicht ganz. Obwohl die Entscheidung zum Schutz der Artenvielfalt in den Meeren vertagt wurde, kommt keine Regierung mehr an diesem Thema vorbei, und einige haben die Dringlichkeit zu handeln erkannt. Beeindruckend war die Rede des australischen Premierministers zum Schutz der Meere. Auch konnten wir Rio+20 als Plattform nutzen, um auf die Waldzerstörung im Gastgeberland Brasilien und auf unsere Forderung nach Zero Deforestation, also keine Entwaldung, aufmerksam zu machen. Unser viel besuchtes Schiff, die Rainbow Warrior, beherbergte auch eine Delegation einer indigenen Gruppe, der Xavante, die seit zwanzig Jahren um die Rückgabe ihres ehemaligen Landbesitzes kämpfen. Am Ende der Konferenz bekamen sie das Versprechen der Regierung, dass man sich um ihr Anliegen kümmern würde. Und obwohl unsere Delegation klein war, war sie nach eigenen Angaben die lauteste, bunteste und lebendigste bei der Demonstration am 20. Juni 2012 in Rio.

Greenpeace: Vielen Dank für das Gespräch, Jürgen.

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Beyond Rio+20

Beyond Rio+20

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