Konjunkturpaket: Zu wenig grün - Greenpeace und DIW präsentieren 9-Punkte-Plan für grüne Konjunkturhilfe
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Zwei Marathonsitzungen hat der Koalitionsausschuss der Bundesregierung gerungen, und dann gestern Nacht ein riesiges Konjunkturförderungspaket beschlossen. Mit rund 130 Milliarden Euro sollen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie gelindert werden.
Größter Einzelposten ist mit 20 Milliarden Euro eine zeitlich befristete Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent bzw. 7 auf 5 Prozent. Das senkt die Preise und regt den allgemeinen Konsum an, bloß: dem Klimaschutz bringt das gar nichts.
Doch – man höre und staune – es gibt auch Lichtblicke in dem Maßnahmenpaket. So verzichtete die Große Koalition auf die von Union und Autoindustrie geforderte Kaufprämie für Autos mit reinem Verbrenner-Antrieb. Die Proteste der Klimabewegung im Vorfeld der Regierungsbeschlüsse (wie die von Greenpeace in der Nacht zu Mittwoch) haben Wirkung gezeigt und der SPD den Rücken gestärkt. In der Nacht auf Mittwoch hatten Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten mit einer Lichtshow gegen rückwärtsgewandte und klimaschädliche Maßnahmen protestiert. Sie. projizierten den Hashtag „#KeinGeldfuerGestern“ an den Berliner Reichstag, begleitet von einem animierten Geldregen.
Greenpeace-Studie für grünen Neustart
"Es ist ein Riesenerfolg der Klimabewegung, dass die Regierung Verbrennungsmotoren nicht mehr fördern will“, sagt Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. „Allerdings war sie leider zu ängstlich, den Startschuss zu geben für einen wirklich grünen Neustart der Wirtschaft.“ Schade, denn klug gewählte Konjunkturförderungen können gleichzeitig den Klimaschutz voranbringen, Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft zukunftssicher wieder aufbauen, wie eine neue Studie zeigt.
Die von Greenpeace beauftragte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), des Beratungsunternehmens DIW Econ und des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) wird heute – passend zu den aktuellen Diskussionen - in Berlin vorgestellt. Sie modelliert erstmals die Auswirkungen eines grünen Konjunkturprogramms auf Arbeitsmarkt und Klimawirkung und kommt zu dem Ergebnis: Innerhalb von nur fünf Jahren können damit 365000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
9-Punkte-Plan für 365.000 Arbeitsplätze
Die Studie berechnet dabei die Beschäftigungs- und Klimaschutzwirkung für ausgewählte grüne Konjunkturhilfen. Ein Neun-Punkte-Plan umfasst staatliche Maßnahmenpakete in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Bereiche Energie, Gebäude, Verkehr, Industrie und Naturschutz.
Zu den Paketen mit dem größten Zuwachs an Arbeitsplätzen gehören der Ausbau des Schienen- und öffentlichen Personennahverkehrs (88.000 neue Arbeitsplätze), die energetische Sanierung von Gebäuden (80.000 Arbeitsplätze) sowie die Förderung der Solarenergie (59.000 Arbeitsplätze). Allein der zusätzliche Ausbau von Photovoltaikanlagen würde den CO2-Ausstoß um 6,5 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren.
„Wir können die aktuelle Krise als Sprungbrett für den Klimaschutz nutzen und gleichzeitig Hunderttausende zukunftsfähiger Arbeitsplätze schaffen. Ein derart großes Potential bieten die zu wenig auf konkreten Klimaschutz ausgerichteten Konjunkturhilfen der Bundesregierung nicht“, sagt Studienautorin Prof. Claudia Kemfert vom DIW. Und Holger Bär, Studienautor vom FÖS ergänzt: „Wir stehen vor einer Weichenstellung: Durch eine klimafreundliche Ausrichtung der Sektoren Energie, Gebäude, Industrie und Verkehr können wir einen großen Beitrag zu den Klimaschutzzielen für 2030 leisten. Verpassen wir diese Chance, gerät die Erreichung der Ziele in weite Ferne“. Die Bevölkerung jedenfalls wäre dazu bereit, wie eine Umfrage von Greenpeace zeigt.
Vielleicht finden ja einige der Vorschläge aus der Studie noch Eingang in die aktuellen Diskussionen. Zu wünschen wäre das, so könnte Deutschland die Krise zu einem längst nötigen Kurswechsel nutzen. Eine Weichenstellung, von der wir alle profitieren würden.
The Nine-Point-Plan - Englische Zusammenfassung