Chronologie: Greenpeace im Natura-2000-Gebiet
- mitwirkende Expert:innen Thilo Maack
- Hintergrund
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2002: Die EU verpflichtet sich gesetzlich zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Fischbestände bis spätestens 2015.
2004: Die Bundesregierung erklärt das Sylter Außenriff zu einem von zehn gemeldeten Meeresgebieten des deutschen Natura-2000-Schutzgebiets-Netzwerks. Bis heute können sich jedoch verantwortliche Ministerien, unter anderem das für Fischereifragen zuständige Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Berlin, nicht auf entsprechende Schutzmaßnahmen einigen. Durch die fehlende gesetzliche Fischereibeschränkung bedrohen weiterhin Schleppnetze, die den Meeresboden regelrecht umpflügen, und schwere Saugbagger, die Kies und Sand abbauen, das Sylter Außenriff. Die Artenvielfalt wird zerstört.
2008: Deutschland verpflichtet sich mit den Europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinien, bis 2020 einen guten Umweltzustand der europäischen Meere zu erreichen. Die Fischerei am Sylter Außenriff wird allerdings fortgesetzt.
12. August 2008: Greenpeace-Aktivisten an Bord der Beluga 2, der Argus und eines Arbeitsschiffs versenken Natursteine westlich vor Sylt auf den Meeresboden. Der Grund für die Aktion: Das Areal wird durch Schleppnetze sowie schwere Saugbagger für den Abbau von Sand und Kies bedroht, obwohl die Bundesregierung es als Naturschutzgebiet ausgewiesen hat. Insgesamt sollen rund 1000 Steine gesetzt werden. Die Aktion soll mehrere Wochen dauern.
18. August 2008: Greenpeace setzt die Aktion am Sylter Außenriff fort und erreicht mit einer weiteren Ladung Natursteine das Schutzgebiet.
30. August 2008: Ungeachtet einer angedrohten Ordnungsstrafe versenken Greenpeacer weitere 150 Steine.
09. September 2008: Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord (WSD Nord) beendet auf Anweisung des Bundesverkehrsministeriums die Greenpeace-Aktion im Sylter Außenriff. Die Reederei darf keine Steine mehr an die Umweltschutzorganisation ausliefern. Die Bundesregierung erwirkt zudem gegen die Steine-Aktion einen Gerichtsbeschluss, der Greenpeace zum Beenden der Aktion zwingt. Bis dahin wurden 322 Steine auf dem Meeresboden des Sylter Außenriffs versenkt. Das Bundesamt für Naturschutz bestätigt, dass das Ökosystem dadurch nicht ins Wanken gerät.
Greenpeace zieht gegen die Untersagungsverfügung der WSD Nord vor Gericht. Seither beraten die Gerichte um die Rechtmäßigkeit der Aktionen.
26. Juni 2009: Die Bundesregierung stellt nach umfassender fachlicher Prüfung fest, dass durch die versenkten Steine kein Umweltschaden verursacht wird.
August 2009: Greenpeace-Aktivisten versenken 300 tonnenschwere Steine im Kattegat vor der schwedischen Küste. Obwohl die Meeresregion 100 Kilometer südlich von Göteborg als Schutzgebiet ausgewiesen ist, wird dort mit riesigen Schleppnetzen weiter gefischt. Die Steine machen den Fischfang dort nun unmöglich.
Juli 2009: Ein Gutachten bestätigt, dass die von Greenpeace versenkten Steine vom Sylter Außenriff die Artenvielfalt vor zerstörerischen Fischereimethoden bewahrt.
März 2010: Ein schwedisches Gericht entscheidet: Die von Greenpeace versenkten Natursteine in zwei schwedischen Meeressschutzgebieten stellen eine Umweltschutzmaßnahme dar, die keiner besonderen Erlaubnis bedarf. Das Urteil ist nicht anfechtbar.
Mai 2010: Das Verwaltungsgericht Schleswig sieht für den Gerichtsbeschluss gegen die Steine-Aktion am Sylter Außenriff vom August 2008 keine Rechtsgrundlage.
Mai 2011: Greenpeace-Taucher untersuchen das Sylter Außenriff. Es zeigt sich, dass die Steine mit zahlreichen Meeresorganismen bewachsen sind und das vor der Ferieninsel Sylt vorhandene Steinriff vergrößern.
Juni 2011: Greenpeace-Aktivisten aus den Niederlanden versenken in der Nordsee an der holländischen Kiesbank Klaverbank Seepferdchen-Skulpturen aus Granit und Holz, um das ausgewiesene Meeresschutzgebiet zu schützen. 160 Kilometer nordwestlich der Stadt Den Helder ist die Klaverbank für ihre Artenvielfalt bekannt. Die niederländische Regierung hat sie 2007 als Natura-2000-Schutzgebiet ausgewiesen. Jedoch trifft die Regierung keine wirksamen Maßnahmen, die die Meeresnatur schützen. Wie beim Sylter Außenriff ist die zerstörerische Fischerei mit Grundschleppnetzen nicht verboten, die als schädlichste Fangmethode überhaupt bekannt ist.
Juli 2011: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Leipzig lässt die Frage der Rechtmäßigkeit der Steine-Aktion von 2008 am Sylter Außenriff weiter offen. Zwar urteilt es, dass die Wasser- und Schifffahrtsdirektion berechtigt war, im September 2008 gegenüber Greenpeace eine Untersagungsverfügung zu erlassen. Doch die Frage, ob das Einbringen von Steinen, die auch natürlich in dem Gebiet vorkommen, gegen das Verbot verstoße, Gegenstände in die Hohe See einzubringen oder nicht, wurde an das Verwaltungsgericht Schleswig zurückverwiesen.
Juli 2011: Die Bundesregierung stellt einen Vorschlag für das Fischerei-Management in den Natura-2000-Gebieten vor. Dieser sieht vor, das Sylter Außenriff nur zum Teil von Grundschleppnetzen zu bewahren.
02. August 2011: Greenpeacer versenken erneut Felsbrocken im Meerschutzgebiet Sylter Außenriff, da in dem ausgewiesenen Schutzgebiet noch immer zerstörerische Aktivitäten wie Fischerei mit Grundschleppnetzen oder Sand- und Kiesabbau erlaubt sind.
17. August 2011: Der Umwelt- und Agrarausschuss des Schleswig-Holsteiner Landtages in Kiel berät über "die Auswirkungen und das Gefahrenpotenzial – unter anderem für die Fischerei – der durch Greenpeace in die Nordsee vor Sylt versenkten Felsbrocken". Für Thilo Maack, Meeresbiologe bei Greenpeace, ist die Lage klar: "Die Bereiche der versenkten Steine sind den Fischern bekannt. Sie liegen im Gebiet der seltenen Sylter Steinriffe und sind in den aktuellen Seekarten eingezeichnet. Wie bei anderen Hindernissen und Gestein am Meeresboden sollten Fischer diese Bereiche meiden. Umweltministerin Juliane Rumpf (CDU) hat offensichtlich ihre Verpflichtung vergessen, die Meere zu schützen. Sie und der Umweltausschuss sollten nicht über Steine diskutieren und an überholten Fangmethoden festhalten, sondern sich mit dem vollkommen unzureichenden Meeresnaturschutz auseinandersetzen."
Mai 2015: In den Niederlanden versenken Greenpeace-Aktivisten erneut Schutzfelsen im holländischen Natura-2000-Gebiet Klaverbank. Die Fischereiindustrie strengt eine Klage gegen Greenpeace an, verliert aber das Gerichtsverfahren. Begründung: Von den Steinen geht keine Gefahr für die Fischerei aus.
September 2015: Greenpeace-Taucher dokumentieren den Bewuchs auf den 2008 versenkten Felsen.
Mai 2015: Das Greenpeace-Schiff Arctic Sunrise besucht das deutsche Natura-2000-Gebiet Sylter Außenriff. Dort werden über eine Tonne Geisternetze geborgen und die Greenpeace-Schutzfelsen betaucht. Einzigartiges Bild- und Videomaterial zeigt: die Steine leben!